Skandalöse Auslese am Beginn des Lebens
Ärztekammer fordert Rücknahme der bis zu 30%igen Kürzung bei Frühgeborenenversorgung
"Eine Reform, die den Wert menschlichen Lebens nach dem Gewicht bemißt, ist ihren Namen nicht wert": Mit Empörung reagiert Dr. med. Alfred Möhrle, Präsident der Landesärztekammer Hessen, auf die bis zu 30%ige Mittelkürzung bei der Frühgeborenenversorgung als eine Konsequenz des neuen Fallpauschalen - Abrechnungssystems an Krankenhäusern. Danach soll es für Kinder unter 500 Gramm Geburtsgewicht keine Vergütung medizinischer Leistungen mehr geben.
Durch diese Regelung würden ethische Maßstäbe ohne mit der Wimper zu zucken über Bord geworfen, erklärt Möhrle. "Außerdem drängt der Gesetzgeber uns Ärzte damit in die Rolle unfreiwilliger Richter über Leben und Tod, die nur noch relativ schweren Frühgeborenen eine Überlebenschance bieten dürfen". Dies sei eine Alptraumvorstellung für jeden Arzt, denn sie widerspreche allen Prinzipien ärztlichen Handelns. Auch gehe die Rechnung der Rotstift - Bürokraten nicht auf, da die anfangs hohen Kosten bei der medizinischen Versorgung von "Frühchen" eine Investiton für die Zukunft bedeuteten. Selbst extrem unreife Frühgeborene könnten so zumeist gesund überleben.
"Wie kann es sich eine Gesellschaft, die unter einer niedrigen Geburtenrate leidet, überhaupt leisten, bestimmten Frühgeborenen das Existenzrecht zu verweigern?", fragt Möhrle und bezeichnet es als fatal, daß heute neben einer menschenverachtenden Stimmungsmache gegen ältere Menschen a` la Mißfelder (Junge Union) sogar der Gesetzgeber die Schwächsten der Schwachen - die Frühgeborenen nämlich - dem Spardiktat opfere. "Das ist eine skandalöse Auslese am Beginn des Lebens", erklärt der Präsident der hessischen Ärztekammer: "Wir fordern die Regierung auf, die Mittelkürzung bei der Frühgeborenenversorgung rückgängig zu machen!"
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