Prostatakarzinome standen im Fokus der sechsten Landesqualitätskonferenz des Hessischen Krebsregisters. Die Veranstaltung fand erneut im Rahmen der Reihe „Onkologische Versorgungssituation in Hessen“ in den Räumen der Landesärztekammer Hessen statt und konnte durch die Kooperation des Hessischen Krebsregisters mit dem Universitären Centrum für Tumorerkrankungen Frankfurt-Marburg, der Universitätsmedizin Frankfurt, dem Krankenhaus Nordwest in Frankfurt, den Universitätskliniken in Marburg und in Gießen und dem Universitätsmedizinischen Centrum für Tumorerkrankungen Gießen interdisziplinär mit medizinischen Fachvorträgen gestaltet werden. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die Versorgungssituation des Prostatakarzinoms in Hessen auf Grundlage der Daten des Hessischen Krebsregisters.
Erkrankungsgeschehen Prostatakarzinom 2015–2023 in Hessen
Von 2015 bis 2023 wurden jährlich im Median 2.775 bösartige Prostatatumoren (gesamt: N=23.517) in hessischen Einrichtungen behandelt. Morphologisch handelte es sich dabei in 97 % der Fälle um Adenokarzinome. Das mediane Erkrankungsalter der Patienten betrug 71 Jahre. Die Mehrzahl der Patienten (59 %, N=13.802) wurde mit einem Prostatakarzinom im lokal begrenzten Stadium (T1/2, N0, M0) diagnostiziert, während der Anteil im lokal fortgeschrittenen Stadium (T3/4, N0, M0) bei 14 % (N=3.341) und im fortgeschrittenen/metastasierten (N1 und /oder M1) Stadium bei 17 % (N=3.916) lag (N=2.235 ohne Angabe). Mit steigendem Erkrankungsalter zeigte sich ein ungünstigeres Risikoprofil mit höheren Anteilen an Karzinomen im fortgeschrittenem Stadium, größerem PSA-Wert und Gleason-Score. 15 % der in Hessen behandelten Patienten mit einem Prostatakarzinom bildeten bei Diagnose oder im Verlauf Fernmetastasen aus. Der Anteil an synchronen Metastasen betrug hierbei 11 %. Am häufigsten traten synchrone Metastasen singulär oder in Kombination als ossäre Metastasen (82 %), Lymphknoten- (26 %) und Lungenmetastasen (10 %) auf.
Versorgungsstrukturen in Hessen
In den Jahren 2021 bis 2023 erfolgte in 99 Einrichtungen die Behandlung von insgesamt 9.392 erstdiagnostizierten Patienten mit Prostatakarzinom in Hessen. Inkludiert sind 34 Plankrankenhäuser mit urologischen Abteilungen. 72 % der Patienten wurden hierbei in 11 größeren medizinischen Einrichtungen mit mittleren jährlichen Fallzahlen >100 Patienten mit Prostatakarzinom behandelt. 17 % der Patienten wurden in kleinen Einrichtungen (<50 Fallzahlen/Jahr) versorgt (Abb. 1). In den neun zertifizierten Prostatakrebszentren (Zentren) in Hessen erfolgte im gleichen Zeitraum die Behandlung von 64 % der Patienten. Die Behandlung in Zentren nahm in den Jahren von 2015 bis 2023 tendenziell zu, wobei in den Zentren vergleichsweise ein jüngeres Patientenkollektiv (Alter <70 Jahre) mit geringerem Ausbreitungsstadium versorgt wurde.
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Hinsichtlich einer flächendeckenden Versorgung zeigten sich deutliche Unterschiede in den sechs hessischen Versorgungsgebieten. Während in 2022 in der Region Frankfurt-Offenbach auf die vier zertifizierten Prostatakrebszentren die Versorgung von theoretisch durchschnittlich 443 Fällen je Zentrum erfolgt, ist in der Region Darmstadt ein Zentrum für etwa 825 hessische Fälle jährlich zuständig, während in der Region Kassel den Patienten kein Zentrum zur Verfügung steht. Der Zentrumskontakt der in Hessen in 2021 bis 2023 behandelten Patienten variierte entsprechend stark zwischen den einzelnen Versorgungsgebieten mit Raten von 81 bis 85 % in Frankfurt-Offenbach und Fulda-Bad Hersfeld und 23 % in der Region Kassel.
Reale Versorgungssituation des Prostatakarzinoms
Auf Grundlage der Leitlinien der European Society for Medical Oncology (Parker et al. Annals of Oncology 2020) wurden die verabreichten Behandlungsmodalitäten unter Berücksichtigung des Ausbreitungsstadiums und der Risikogruppierung nach D’Amico betrachtet. Die in Hessen behandelten lokal begrenzten Karzinome (N=13.802) waren zu 16 % Niedrig-Risiko-Karzinome, zu 33 % intermediäre und zu 49 % Hoch-Risiko-Karzinome (2 % ohne Angabe). Die aktive Überwachung (AS) spielte bei Karzinomen mit niedrigem Risiko eine größere Rolle als beim mittleren Risiko. Im Zeitverlauf von 2015 bis 2023 zeigte sich hierbei ein Trend zur Zunahme der AS, während der Anteil der Bestrahlungstherapien bei Karzinomen mit niedrigem Risiko tendenziell abnahm. Bei intermediärem Risiko wurde in mehr als der Hälfte der Fälle eine radikale Prostatektomie (RPE) durchgeführt. In der Behandlungspräferenz zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Versorgungsgebieten. Neben der aktiven Überwachung bei lokal begrenztem Prostatakarzinom mit niedrigem Risiko zeigte sich ebenfalls eine hohe Varianz an strahlentherapeutisch behandelten Patienten von anteilig 11 % in der Region Wiesbaden-Limburg bis 48% in der Region Darmstadt in der intermediären Risikogruppe (Abb. 2). Hinsichtlich der Implementierung der Roboter-assistierten Chirurgie erfolgte die RPE in Abhängigkeit vom hessischen Versorgungsgebiet in 16 % bis 66 % der Fälle. Im direkten Einrichtungsvergleich sind die Unterschiede gebietsübergreifend noch deutlicher sichtbar.
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Fazit
Das Prostatakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung beim Mann. Aufgrund des demographischen Wandels und der steigenden Lebenserwartung ist von zunehmenden Behandlungszahlen in den kommenden Jahren auszugehen. Im Hinblick auf eine flächendeckende Versorgung zeigen sich regionale Unterschiede in den Versorgungsstrukturen und der Behandlungspräferenz zwischen den sechs hessischen Versorgungsgebieten. Bei steigendem Behandlungsbedarf könnte dies für die Planung von Gesundheitsstrukturen von Interesse sein. Mit den Daten des Hessischen Krebsregisters ist auf Patientenfall-, Einrichtungs- und regionaler Ebene eine Darstellung der Versorgung (-squalität) möglich. Mit der vollständigen Anbindung des ambulanten Sektors kann die intersektorale Versorgung des Prostatakarzinoms zukünftig transparenter und detailliert dargestellt werden um somit weiterführende Analysen zur Versorgungsqualität in Hessen zu ermöglichen.
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Dr. phil. nat. Lisa Katharina Sha, Dr. rer. nat. Katharina Bernhardt, Dr. med. Soo-Zin Kim-Wanner
Landesauswertungsstelle des Hessischen Krebsregisters
Hessisches Landesamt für Gesundheit und Pflege
Kontakt: krebsregister@hlfgp.hessen.de