Der kurze Satz aus der Überschrift Satz löst oft hektische Betriebsamkeit in vielen Einrichtungen aus. Wenn sich die Aufsichtsbehörde ankündigt, werden Hygienepläne gesichtet, Schränke und Schubladen überprüft und vieles auf den Kopf gestellt. Mitunter wird sogar nächtelang vor Aufregung schlecht geschlafen. Oft wird nach dem Termin jedoch festgestellt: So „schlimm“ war es gar nicht.

Was steckt hinter diesen Begehungen der Ämter? Und wie werden Sie von Amtsseite aus erlebt?

Im Folgenden möchten wir Ihnen einen Einblick in den Arbeitsalltag der Hygieneüberwachung in unserem Gesundheitsamt geben, der sicher nicht in allen, aber doch in den wesentlichen Aussagen stellvertretend für viele Gesundheitsämter ist.

Gesetzlicher Auftrag

Gesundheitsämtern obliegt die infektionshygienische Überwachung einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Einrichtungen. Gesetzliche Grundlage sind das Infektionsschutzgesetz (IfSG), und die Hessische Hygieneverordnung (HHygVO) und – jenseits medizinischer bzw. pflegerischer Einrichtungen und von Gemeinschaftseinrichtungen – die Infektionshygieneverordnung sowie das Hessische Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst. Die Überwachung ärztlicher Praxen erfolgt nach § 23 Abs. 6 IfSG.

Der Gesetzgeber unterscheidet in Abhängigkeit vom einrichtungsbezogenen Risiko, dass bestimmte Einrichtungsarten (z.B. Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Operieren) „der Aufsicht durch die zuständige Behörde unterliegen“ und andere Einrichtungsarten (z.B. ärztliche Praxen) „durch die zuständige Behörde überwacht werden können“. Im erst genannten Fall führt also kein Weg daran vorbei, dass entsprechende Einrichtungen vom Gesundheitsamt zu überwachen sind. Im zweiten Fall handelt es sich um eine Kann-Bestimmung, deren konkrete Ausübung im Ermessen des Gesundheitsamtes gelegen ist. Unabhängig davon existieren keine gesetzlichen Vorgaben über Umfang und konkrete Ausgestaltung der infektionshygienischen Überwachung.

Überwachung: Viel mehr als nur Begehungen

Die Überwachung umfasst mehr als „nur“ die Begehung der Einrichtung, auch wenn die Mehrheit der Einrichtungen diesen Teil besonders wahrnimmt. Darüber hinaus berät das Gesundheitsamt Einrichtungen bei infektiologischen oder hygienischen Fragestellungen und Problemen, es geht Beschwerden über hygienische Missstände nach, sichtet und prüft Protokolle von Sitzungen der Hygiene- bzw. Antibiotika-Kommissionen der Krankenhäusern, beobachtet und bewertet das nosokomiale Infektionsgeschehen sowie die Entwicklung von Erregern mit besonderer oder Multiresistenz Erreger und nimmt Stellung zu hygienerelevanten Bauvorhaben der Krankenhäuser.

Doch Kernstück der Hygieneüberwachung ist und bleibt die Begehung der Einrichtungen. Nur durch Kenntnis der Verhältnisse vor Ort ist eine fachlich und sachlich begründete Einschätzung der hygienischen Situation in den Einrichtungen für das Gesundheitsamt leistbar.

Häufigkeit von Begehungen

Oft werden wir gefragt, in welchen Intervallen das Gesundheitsamt routinemäßige Begehungen medizinischer Einrichtungen durchführt. Gesetzliche Vorgaben existieren hierzu nicht. Allerdings hat eine Arbeitsgruppe auf Landesebene Empfehlungen zur „systematischen infektionshygienischen Überwachung medizinischer Einrichtungen in Hessen“ auf der Basis risikobasierter Bewertungsfaktoren und daraus abgeleitete Vorgaben zu der Begehungsfrequenz vorgelegt (s. Grafik 1). Aus der Empfehlung leitet sich ab, dass eine Routinebegehung bei einem erfüllten Bewertungsfaktor alle fünf Jahre, bei zwei erfüllten Faktoren alle drei Jahre und bei drei erfüllten Faktoren jährlich durchzuführen ist.

Unabhängig davon sind anlassbezogene Begehungen (z.B. im Fall des Vorliegens einer Beschwerde) zu sehen, die zumeist umgehend erfolgen, zumeist aber auf den Kontext der Beschwerde beschränkt bleiben.

EDV-basierte Tabelle mit Auswertungs- und Planungstools

Auf Grundlage eines Tabellenkalkulationsprogrammes wurde im Gesundheitsamt des Landkreises Marburg-Biedenkopf ein komplexes und leistungsstarkes Werkzeug entwickelt, welches neben der Adressverwaltung auch Risikoeinschätzungen ermöglicht und die Planung von Begehungen erleichtert:

  • Die Risikoeinschätzung erfolgt als Vergabe von Punkten für die jeweiligen Bewertungsfaktoren
  • Aus der Gesamtpunktzahl errechnet die Tabelle automatisch den Begehungsrhythmus.
  • Wird in der Spalte „letzte Begehung“ die entsprechende Jahreszahl eingetragen, ermittelt das System entsprechend der Risikoeinstufung automatisiert das Jahr, in dem die nächste Begehung fällig wird und trägt dieses in die Tabelle ein.

Ergänzt wird diese Tabelle noch mit diversen Auswertungs- und Planungstools. So ist die Erstellung von Reportings (wie viele Begehungen sind im laufenden Jahr schon erfolgt und in welchen Einrichtungsarten) oder Vorplanungen (wie viele Begehungen fallen im Jahr XX erneut an) deutlich vereinfacht.

Für eine erste Einschätzung der Risikokategorie nutzen wir viele Quellen. Hierzu gehören neben bereits vorliegenden Unterlagen der Einrichtungen auch Recherchen auf der Homepage der Einrichtung oder auch in den sozialen Netzwerken. Mit Ankündigung der Begehung erhalten die Einrichtungen außerdem einen einrichtungsspezifischen Fragebogen zur Selbstauskunft, der orientierend auf Rahmendaten, Gegebenheiten und Prozesse mit Hygienerelevanz abzielt.

In der weiteren Vorbereitung der Begehungen stellen diese Selbstauskünfte ein wichtiges Arbeitsmittel dar. Oft sind anhand der erteilten Auskünfte schon mögliche Probleme oder Unsicherheiten im Kontext des Umganges mit der Hygiene oder Differenzen zu den von uns recherchierten Rahmenbedingungen erkennbar. Diese Punkte werden von uns aufgegriffen und im Verlauf der Begehung mit den Einrichtungen besprochen.

Im Vorfeld der Begehung erhält die Einrichtung außerdem ein Informationsblatt über fachliche, organisatorische und formale Anforderungen an die Hygiene, welches die nach Einschätzung und Erfahrung des Gesundheitsamtes für die jeweilige Einrichtung und deren Hygienemanagement relevanten Belange aufgreift und darüber hinaus Hilfestellungen zur Lösung gegebener Hygieneprobleme bieten kann.

Der Ablauf der Begehung gestaltet sich vor Ort wie folgt:

  1. Vorgespräch: Das Vorgespräch dient dem gegenseitigen Kennenlernen, dem Skizzieren des Ablaufes der Begehung und der Nachbereitung sowie der Klärung offener Fragen. In der Regel wird außerdem stichpunktartig Einblick in den Hygieneplan genommen und/oder Regelungen zu bestimmten Sachverhalten orientierend erfragt. Dies ist häufig ausreichend, um im weiteren Verlauf das tatsächliche Vorgehen mit den formal niedergelegten Regelungen abgleichen zu können.
  2. Begehung: Die Begehung der Einrichtung erfolgt mit dem Fokus auf hygienerelevante Räumlichkeiten. Für den Berufsanfänger im Gesundheitsamt ist dies oft der Punkt, der am meisten Überwindung kostet . Denn es ist notwendig, gleichsam als Gast in der Einrichtung in Schränke und Schubladen zu schauen, auch einmal darin „herumzuwühlen“. Aber spätestens hier wird in aller Regel deutlich: Primäres Ziel der Begehung ist nicht, Fehler oder Nachlässigkeiten zu finden oder diese gar zu skandalisieren. Vielmehr geht es darum, das Thema Hygiene in das Bewusstseins zu rufen und gemeinsam für eine fachgerechte und verantwortungsvolle Umsetzung der Anforderungen zu sorgen. Mit dieser Zielsetzung werden vorgefundene Probleme und Mängel und mögliche Lösungsalternativen und Abhilfemaßnahmen besprochen. Auch im Fall konträrer Sichtweisen und kritischer Nachfragen lässt sich in der Regel eine einvernehmliche Lösung finden. Auf der anderen Seite trifft das Gesundheitsamt auch auf gute, hygienisch schlaue Lösungen, die unter Umstände Probleme einer Lösung zuführen, die so oder ähnlich immer wieder auch in anderen Einrichtungen anzutreffen sind. Dies zu bemerken und positiv hervorzuheben, ist genauso wichtig wie die Thematisierung von Hygieneproblemen. Zudem bereichert es den Erfahrungsschatz des Gesundheitsamtes und kann für andere Einrichtungen im Sinne des best practice von Interesse sein.
  3. Nachbesprechung: Abschließend erfolgt eine kurze Zusammenfassung und Einordnung der vorgefundenen Situation. Insbesondere die Einordnung ist immer wieder wichtig. Leicht kann im Fall gehäufter Mängel bei der Einrichtung der Eindruck entstehen, dass das Hygienemanagement unzureichend sei. Vielfach handelt es sich aber um so etwas wie das „normale Grundrauschen“, also um Mängel, die zwar nicht akzeptiert werden können, die aber im Ganzen (und auch im Vergleich mit anderen Einrichtungen) gesehen nicht aus dem Rahmen fallen. Dies entsprechend eingeordnet, nimmt Druck aus der Situation und ermöglicht der Einrichtung in der Regel, die anstehenden Veränderungen mit der gebotenen Ernsthaftigkeit, aber auch Nüchternheit anzugehen.

Der Bericht

In der Nachfolge erhalten die Einrichtungen einen schriftlichen Bericht zu der Begehung. Diese Berichte sehen in den Gesundheitsämtern sehr unterschiedlich aus. Für das Gesundheitsamt des Landkreis Marburg-Biedenkopf haben wir uns für folgende Gliederung entschieden:

  • Allgemeiner Teil, in dem zunächst in wenigen Worten die Art der Einrichtung kurz dargestellt wird und schon erste Aussagen allgemeiner Natur zum Hygienemanagement der Einrichtung erfolgen
  • Feststellungen zu verschiedenen, sich aus den gesetzlichen Anforderungen ergebenden Themenfeldern, gegliedert nach den jeweiligen Regelungen (Paragraphen) des IfSG bzw. der HHygVO, inklusive des Sonderpunktes „Bau- und Sanierungsvorhaben“. Dieser letzte Punkt wurde aufgenommen, um eventuell anstehende Sanierungsmaßnahmen, die auf die Abstellung festgestellter Mängel abzielen, bei der Erteilung behördlicher Auflagen angemessen berücksichtigen zu können.
  • Unter dem Punkt „Begehung“ werden dann die beim Durchgang durch die Einrichtung vorgefundenen Mängel als reine Darstellung der Ist-Situation festgehalten.
  • Nachfolgend werden die sich aus den oben genannten Punkten ergebenden, von der Einrichtung durchzuführenden Abhilfe-Maßnahmen gesammelt dargestellt und auf gangbare Möglichkeiten der konkreten Umsetzung eingegangen.
  • Abschließend wird die Einrichtung aufgefordert, dem Gesundheitsamt innerhalb der genannten Frist über die durchgeführten Abhilfemaßnahmen zu berichten, ggf. erforderliche Nachweise einzureichen oder überarbeitete bzw. neu erstellte Dokumente des Hygieneplanes vorzulegen. Die Pflicht zur Rückäußerung an das Gesundheitsamt ergibt sich aus den Bestimmungen von § 15a IfSG.

Um den Zeitpunkt der angeforderten Rückmeldung nicht zu versäumen, wird der jeweilige Vorgang entsprechend der gesetzten Frist auf Wiedervorlage gelegt. Im Landkreis Marburg-Biedenkopf geschieht dies über die Stellung einer Aufgabe im elektronischen Postfaches des Fachdienstes für Infektionsschutz und Hygieneüberwachung. Diese Aufgabe wird dann der jeweiligen Sachbearbeitung zugewiesen.

Durch die Einstellung im Postfach kann die Aufgabe aber auch von anderen Mitarbeitenden eingesehen und ggf. – z.B. bei längerer, ungeplanter Abwesenheit der eig­entlich zuständigen Sachbearbeitung – weiterverfolgt werden.

In aller Regel gehen die angeforderten Unterlagen fristgerecht im Gesundheitsamt ein. Die Sachbearbeitung prüft dieses sowohl auf Vollständigkeit als auch inhalt-lich. Je nach Ergebnis dieser Prüfungen gehen dann Rückmeldungen an die Einrichtungen, entweder als einfache Bestätigung des Eingangs ohne weitere Anmerkungen oder als weiterer Korrekturbericht, in dem die vorgefundenen inhaltlichen Nachbesserungsbedarfe und/oder die fehlenden Unterlagen aufgelistet und mit erneuter Fristsetzung angefordert werden.

Begehungen zeigen Wirkung

Soweit der Arbeitsprozess. Die Frage, die bleibt, ist natürlich, ob diese Art der Begehung Effekte zeigt. Dies ist aus unserer Sicht mit einem eindeutigen Ja zu beantworten. Aufgrund der in den vergangenen Jahren durchgeführten wiederholten Begehungen von Einrichtungen konnten wir feststellen, dass es in aller Regel gelang, das Thema Hygiene wieder mehr in den Vordergrund zu rücken. Zwar ist und wird die Hygiene nicht das zentrale Thema in den Einrichtungen sein und bleiben, doch die Nachwirkungen nach den Begehungen sind deutlich erkennbar. Und die Rückmeldungen der begangenen Einrichtungen sind – von Ausnahmen abgesehen – in der Mehrzahl positiv. Insbesondere der beratende Ansatz der Hygieneüberwachung wird als unterstützend und bereichernd empfunden.

Kay-Uwe Wucher, Hygienefachkraft Gesundheitsamt Landkreis Marburg-Biedenkopf