Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz – KHVVG: Komposita aus vielen Substantiven sind eine Besonderheit der deutschen Sprache. Ob man diese als Marotte sprachlicher Umständlichkeit oder als besonders kreativ bewertet, hängt vom Betrachter ab. Wie gute Kommunikation in der Gesundheitspolitik in Reihenfolge und Inhalt erfolgen sollte, dazu gibt es allerdings ein sinnvolles Vorgehen.
Am Samstag, 16. März 2024, erreichte der Referentenentwurf für das KHVVG über verschiedene Medien die Öffentlichkeit und damit auch die ärztliche Selbstverwaltung. Auch 14 Tage später liegt keine offizielle Zusendung beispielsweise an die Bundesärztekammer vor, ein Stellungnahmeverfahren wurde vor Ostern nicht eingeleitet. Man kann argumentieren, dass die Reihenfolge der Information nicht entscheidend ist, und man sich mit diesen Formalien nicht aufhalten soll. Ich würde diese Einstellung teilen, wenn die Häufung dieses Vorgehens nicht dafür sprechen würde, dass entweder Absicht oder ein prinzipielles Kommunikationsdesaster dahinter steckt.
Zu den Inhalten: In dem Eckpunktepapier zur Krankenhausreform vom 10. Juli 2023 waren geeint durch Bund und Länder drei Hauptziele benannt worden: Gewährleistung von Versorgungssicherheit, Steigerung der Behandlungsqualität sowie Entbürokratisierung. An diesen drei Zielen muss sich der Referentenentwurf messen lassen.
Entbürokratisierung ist meiner Überzeugung nach die einzige Maßnahme, mit der kurzfristig und ohne relevante zusätzliche Kosten ärztliche und pflegerische Arbeitszeit für die Patientenversorgung zur Verfügung gestellt werden kann. Dieses Ziel verfehlt dieser Gesetzesentwurf komplett. Einzelnen positiven Ansätzen, wie der Einführung von Stichprobenüberprüfungen durch die Krankenkassen statt hoher Prüfquoten, steht in anderen Bereichen ein deutlicher Bürokratieaufbau gegenüber.
„Voraussetzung für die Krankenhausreform muss eine gute Bedarfsanalyse sein.“
Ob das Ziel, die Behandlungsqualität zu verbessern, durch eine Krankenhausreform überhaupt erreichbar ist, ohne dass mehr Behandlungszeit für den einzelnen Patienten zur Verfügung steht, muss bezweifelt werden. Richtig ist allerdings, dass eine Konzentration von Klinikabteilungen insbesondere in Ballungszentren sowohl im Sinne der Patienten als auch der Fachkräfte ist. Eine Strukturreform ist überfällig und nicht jeder Krankenhausstandort muss in seiner jetzigen Struktur erhalten werden.
Neu im Referentenentwurf sind sogenannte „Mindestvorhaltezahlen“ pro Leistungsgruppe, die eine Mindestzahl von am Krankenhausstandort erbrachten Behandlungsfällen darstellt. Diese sollen im Verlauf entwickelt und dann per Rechtsverordnung mit Zustimmung der Länder festgelegt werden. Mit einer solchen Mindestzahl lässt sich, hoch angesetzt, eine starke Konzentration von Leistungsgruppen erreichen. Ob dies aber in allen Bereichen auch mit einer besseren Qualität der Versorgung einhergeht, darf bezweifelt werden.
Die entscheidende Frage ist aber: Gewährleistet die Reform Versorgungssicherheit? Wie viel stationäre Versorgungsmöglichkeiten werden wir in den nächsten zehn bis 20 Jahren brauchen? Auf welcher Datenbasis ist der Referentenentwurf entstanden? Diese Frage wurde dem Bundesgesundheitsminister oft gestellt. Zuletzt hat er angekündigt, dass eine Auswirkungsanalyse in fünf Jahren geplant sei. Man darf gespannt sein, wie viele Krankenhäuser diese Analyse bei fortgesetzter Unterfinanzierung noch erleben werden.
Mit der dringend notwendigen Datenanalyse geht Hessen einen beispielhaft fundierten Weg. Vor mehr als einem Jahr wurde eine Arbeitsgruppe des Landeskrankenhausauschusses zur Begleitung der Krankenhausreform auf Bundesebene eingerichtet. Die Hessenagentur stellt dieser Gruppe detaillierte Daten zur Bevölkerungsanalyse, zum Ambulantisierungspotenzial, Entfernungsberechnungen und auch zum prognostizierten stationären Versorgungsbedarf aufgrund der demografischen Veränderung der hessischen Bevölkerung regionalisiert zur Verfügung. Die Landesärztekammer ist in dieser Arbeitsgruppe ebenso vertreten wie die Kassenärztliche Vereinigung Hessen. Diese Detailtiefe in der Planung ist notwendig und zeigt, wie wichtig es ist, dass die Länder in die Reformschritte einbezogen sind, denn Sicherstellung der Gesundheitsversorgung erfordert Veränderungen auf der Basis einer guten Bedarfs- und Auswirkungsanalyse vor dem Start.
Dr. med. Susanne Johna, Präsidiumsmitglied der Landesärztekammer Hessen