In einer Welt, in der uns jeden Tag schlechte Nachrichten ereilen, seien es der Krieg in der Ukraine, der Krieg im Gazastreifen, gestiegene Kriminalität in Deutschland, verschleppte Reformen im Gesundheitswesen oder Missachtung der ärztlichen Expertise, möchte ich hier explizit ein positives Erlebnis schildern.

Vor wenigen Wochen rief mich eine gute Bekannte an, um mich nach einem Kollegen oder einer Kollegin mit gastroenterologischer Expertise zu fragen. „Na und?“ denken Sie jetzt bestimmt. Das ist doch ganz normal, dass nichtärztliche Bekannte einen Tipp erbitten. Stimmt, in diesem Fall kam die Frage jedoch aus Großbritannien, denn dort lebt meine Bekannte seit mehr als 30 Jahren. Sie wollte nun ihren bevorstehenden Besuch in der alten Heimat mit einer ärztlichen Untersuchung (Ultraschall und Magen-, Darmspiegelung) verbinden, um die endlosen Wartezeiten des National Health Services (NHS) zu umgehen. Kürzlich war es dann soweit, der Termin beim Gastroenterologen stand an. Am Folgetag fragte ich nach und erhielt diese Antwort von ihr:

„Ich war mehr als zufrieden!!!! Das war effizient in einer Art, die ich von uns nicht kenne und vor allem so viel zur gleichen Zeit. Bei uns wäre das Ultraschall, Warteliste, Gespräch mit Gastroenterologe, Warteliste, Magenspiegelung, Warteliste, Darmspiegelung … Ich wurde Anfang Februar an Ultraschall überwiesen und habe bis jetzt keinen Termin! Also vielen Dank für die Empfehlung, jeden Pfennig wert!“

Wer jetzt einwenden möchte, dass Selbstzahler bevorzugt Termine erhalten, dem sei gesagt, dass meine Bekannte bereit gewesen wäre, auch in England aus eigener Tasche zuzuzahlen.

Warum erzähle ich das? Ganz einfach. Großbritannien zeigt eindrücklich, dass ein staatlich organisiertes Gesundheitswesen gravierende Schwächen hat. Genau deswegen warnt die Ärzteschaft Bundesgesundheitsminister Lauterbach immer wieder eindringlich davor, den Weg in die Staatsmedizin zu beschreiten.

Obwohl die britischen Patientinnen und Patienten den in der Nachkriegszeit eingeführten NHS eigentlich sehr schätzen, zeigten die Ende März bekannt gewordenen Umfrageergebnisse des international renommierten Instituts National Centre of Social Research (INCSR), dass weniger als ein Viertel (24 %) der Patientinnen und Patienten im Königreich mit dem NHS zufrieden ist. Laut INCSR ist dies der niedrigste Wert seit Beginn der regelmäßig durchgeführten Umfragen im Jahr 1983. Hauptärgernis waren „zu lange Wartezeiten“ auf einen Termin in der örtlichen Hausarztpraxis oder im Krankenhaus.

Doch nicht nur der NHS handelt nach dem Motto „Gut Ding will Weile haben“, sondern auch der Bundestag. Immerhin brauchte es neun Monate, bis es ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf die Tagesordnung des Gesundheitsausschusses des Bundestages schaffte. Die Rede ist von dem christdemokratischen Antrag für eine zügige Umsetzung der GOÄ-Novelle. Am 10. April sollte es dazu eine öffentliche Anhörung geben, die jedoch einen Tag zuvor wieder abgesagt wurde. Wir dürfen daher weiter gespannt sein, ob und wann endlich Bewegung in diese unendliche Geschichte kommen wird. Sie erinnern sich: Die GOÄ stammt in wesentlichen Teilen aus dem Jahr 1982 und wurde 1996 nur in kleinen Teilen novelliert; auch das ist ja nun schon 28 Jahre her. Es bleibt abzuwarten, ob Bundesgesundheitsminister Lauterbach seine im Januar auf dem Krisengipfel zur ambulanten Versorgung im Bundesministerium für Gesundheit erfolgte Ankündigung wahr werden lässt, an das Thema vorurteilsfrei heranzugehen. Das Ergebnis kann aus Sicht der Ärzteschaft nur lauten: eine neue Rechtsverordnung zur GOÄ muss umgehend erlassen werden. Dann könnte ich endlich erleichtert seufzen und sagen: Ende gut, alles gut. Aber bevor Sie mir nun weltfremden Optimismus vorwerfen, denke ich an eine andere Redewendung: Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Immerhin hat der Volksmund doch fast immer ein passendes Sprichwort zur Hand.

Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident