Auch in diesem Jahr hat die Natur in Deutschland, einer gemäßigten Klimazone, einmal mehr gezeigt, dass sie gewaltige Kräfte entfesseln kann. Vor unserer Haustür gab es im Süden Deutschlands einen hochwasserbedingten Katastrophenalarm, der die Katastrophenhelfer – freiwillige und hauptberufliche Kräfte – in Atem hielt. Erneut wurde deutlich, wie wichtig der Katastrophenschutz ist. Deshalb muss der Katastrophen- bzw. Bevölkerungsschutz umgehend einen deutlich höheren Stellenwert erhalten.

Naturkatastrophen, ein Massenanfall von Verletzten – sei es durch ein Zugunglück oder einen terroristischen Anschlag – oder womöglich gar kriegerische Auseinandersetzungen liegen leider nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit. Kindliches Verhalten, sprich die eigenen Augen schließen und dann glauben, dass es nicht gibt, was nicht zu sehen ist, darf nicht länger hingenommen werden. Staat und Gesellschaft müssen sich vorbereiten – und ja, das wird wohl auch nicht ohne zusätzliche Ausgaben möglich sein. Wir brauchen eindeutige Strukturen und Zuständigkeiten, damit klar ist, wer wann im Ernstfall wo was zu tun hat. Wir brauchen regelmäßige Übungen. Wir brauchen entsprechende Vorräte an Material. Wir brauchen eine belastbare Infrastruktur. Wir brauchen genügend Krankenhäuser mit entsprechender Ausrüstung. Dass diese Überlegung auch bei den nicht enden wollenden Auseinandersetzungen zwischen Bundesgesundheitsminister Lauterbach und den Ländervertretern über die Krankenhausreform berücksichtigt wird, wage ich zu bezweifeln.

Und natürlich brauchen wir auch die Bundeswehr, die gerade in jüngerer Zeit vielfach Hilfe leistete, sei es beim Verstärken von durchbruchgefährdeten Dämmen, bei Coronatests in Pflegeeinrichtungen oder der Versorgung von Verletzten aus Kriegsgebieten. Eine gut abgestimmte zivilmilitärische Zusammenarbeit ist ein hohes Gut. Nicht nur deshalb hoffe ich sehr, dass Bundesverteidigungsminister Pistorius im Zuge der Bundeswehrreform und der damit verbundenen Auflösung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr als eigenständige Einheit und dessen Eingliederung in das Kommando Unterstützung Augenmaß walten lässt und dem Sanitätsdienst die gebotene inhaltliche und ärztliche Unabhängigkeit lässt. Auch der Deutsche Ärztetag 2024 hat mit der Annahme eines entsprechenden Antrags hierzu nochmals ein deutliches Zeichen gesetzt.

Erlauben Sie mir vor dem Eindruck der laufenden Fußballeuropameisterschaft ein Zitat des englischen Nationaltrainers Alf Ramsey aus dem Jahr 1966, bevor seine Nationalelf dann Weltmeister wurde: „Never change a winning team.“

Bei dem Thema Organspende gehört Deutschland allerdings klar zu den Verliererteams. Auch wenn das nun an den Start gegangene Organspenderegister ein gut gemeinter Ansatz ist, dürfte es kaum den gewünschten und so dringend benötigten Schub für Organspenden geben. Daher hoffe ich inständig, dass der Gesetzentwurf für die Einführung der Widerspruchslösung, den einige Bundesländer Mitte Juni in den Bundesrat einbringen wollen, von Erfolg gekrönt sein wird. Dem Vernehmen nach könnte eine Abstimmung noch in der laufenden Legislaturperiode erfolgen.

Gleiches wird wohl mit der unausweichlich nötigen Reform der Pflegeversicherung nicht mehr möglich sein. Obgleich die Probleme nicht erst seit wenigen Tagen bekannt sind – und übrigens auch der Anstieg der Pflegefälle im vergangenen Jahr für Fachleute keineswegs überraschend war –, ist nicht erkennbar, welche Lösung angestrebt wird. Ob Minister Lauterbach es nicht besser wusste oder gar eine Nebelkerze werfen wollte? Sicher erscheinen nur steigende Beitragssätze in den kommenden Jahren.

Auch wenn nicht jedem Pflegefall vorgebeugt werden kann, so zeigt sich doch immer wieder, dass es weiten Teilen der Bevölkerung an der nötigen Gesundheitskompetenz mangelt. Gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und soziale Kontakte könnten einige der sogenannten Volkskrankheiten verhindern oder zumindest abschwächen. Die Vermittlung von Gesundheitskompetenz beginnt natürlich idealerweise in der Familie, gefolgt von Kindergarten, Schule, Arbeitsplatz und Gemeinde und dient der Primärprävention. Doch auch Maßnahmen der Sekundärprävention wie Krebsfrüherkennungsuntersuchungen werden bei weitem nicht von allen Anspruchsberechtigten genutzt.

Vielleicht macht die anstehende Sommerpause den Kopf frei und lässt bei den Verantwortlichen Raum, um neue Ideen und Vorschläge zu entwickeln, wohlgemerkt zur Umsetzung, haben wir doch bekanntermaßen kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem.

Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident