In einer Zeit aufgeheizter Diskussionen und immer aggressiver auftretenden Vertretern von Partikularinteressen lohnt es sich, auf die Atmosphäre des Deutschen Ärztetages zu achten.

Während in der großen Politik verschiedene Ansichten kaum mehr ertragen werden und bis in die Universitäten hinein nicht erwünschte Ansichten niedergebrüllt oder gecancelt werden und neuerdings vermehrt sogar zu körperlichen Angriffen führen, zeigen die Delegierten der Landesärztekammern, dass es auch anders geht.

In der Eröffnungsveranstaltung hielt der gastgebende Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz Dr. med. Günther Matheis ein flammendes Plädoyer für eine offene und diverse demokratische Gesellschaft und unterstrich das ärztliche Ethos, alle ohne Ansehen der Person, Herkunft und sozialer Stellung bestmöglich zu behandeln.

Der Präsident der Bundesärztekammer Dr. med. Klaus Reinhardt gab in seiner Eröffnungsrede ein gutes Beispiel, wie Ärzte Meinungsunterschiede mit der Politik deutlich formulieren, ohne in eine persönliche Konfrontation zu gehen. Im Gespräch bleiben, pragmatische Lösungen und einen Konsens suchen war das Motto dieser Eröffnungsrede.

In der weiteren Moderation des Ärztetages blieb Reinhardt bei dieser Haltung. So gelang es den Delegierten, offen und ruhig Sachfragen zu diskutieren, unterschiedliche Meinungen zu formulieren und Mehrheitsentscheidungen zu respektieren.

Besonders deutlich wurde diese Haltung bei der Diskussion der Frage, ob der Paragraf 218 abgeschafft werden solle. Hier handelt es sich um ein Thema, bei dem verschiedene Überzeugungen und emotional aufgeladene Meinungen in der Gesellschaft wie in der Ärzteschaft bestehen. Souverän moderierte Reinhardt dieses schwierige Thema, ermöglichte eine breite Diskussion und regte erfolgreich an, dieses Thema 2025 auf dem Ärztetag zu einem Schwerpunktthema zu machen und bis dahin auf die Abstimmung einzelner Resolutionen zu verzichten.

Ich bin sehr froh, dass es der Ärzteschaft auf diesem Ärztetag gelang, recht geschlossen und ohne Kämpfe der Partikularinteressen aufzutreten und zu zeigen, wie eine konstruktive parlamentarische Auseinandersetzung auch gehen kann.

Dr. med. Peter Zürner, Präsidiumsmitglied und Leitender Redakteur Hessisches Ärzteblatt, E-Mail: haebl@laekh.de