Sie wollen pflegende Angehörige vernetzen, die Selbsthilfestrukturen stärken, den Menschen in der häuslichen Pflege auf kommunaler wie Landesebene zu einer starken Stimme und mehr Entlastung verhelfen: 25 Engagierte aus mehreren hessischen Regionen haben Ende April in Frankfurt einen Landesverein „Wir pflegen Hessen“ gegründet. Er ist der sechste Landesverein unter dem Dach des bundesweiten Verbands „Wir pflegen e. V.“.

Eines der Gründungsmitglieder ist Susanne Zellmer aus Gelnhausen. Sie pflegt seit 14 Jahren ihren von Geburt an körperbehinderten Sohn Daniel und kennt viele Probleme aus eigener Erfahrung. „Bei uns stehen die Menschen im Mittelpunkt, die über 84 % aller Pflege in Hessen leisten“, betont Zellmer, die sich im Vorstand des neuen Landesvereins engagiert.

Pflegende Angehörige benötigten dringend bessere Unterstützung. „Mehr Hilfe vor Ort, bessere finanzielle Absicherung, weniger Bürokratie und mehr Entlastung.“ Wer zu Hause einen Angehörigen pflege, habe in der Regel kaum Zeit, um sich für die eigenen Interessen einzusetzen. Der Landesverein will diese Lücke füllen. „Unser Ziel ist es, in alle regionalen und kommunalen Pflegegremien sowie in Gremien auf Landesebene eingebunden zu werden, um dort unsere Anliegen einzubringen.“

Ein großes Problem sei der Mangel an Entlastungsangeboten, ergänzt Vorstandsmitglied Horst Michaelis. Kurzzeitpflege- und Tagespflegeplätze seien in Hessen rar gesät. Angebote zur Nachtpflege so gut wie nicht existent. „Es müssen auch weitere Angebote für pflegebedürftige Kinder und junge Menschen geschaffen werden.“ Zudem brauche es eine flächendeckende, zugehende Beratung. „Viele pflegende Angehörige wissen gar nicht, welche Leistungen ihnen zustehen.“

Handlungsbedarf sieht auch Diana Stolz, seit Januar hessische Ministerin für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege. Die CDU-Politikerin hat angekündigt, den von ihrem Vorgänger begonnenen Ausbau der Pflegestützpunkte voranzutreiben, die inzwischen in jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt ihre Dienste anbieten. Mit ihrem Wissen um die örtlichen Gegebenheiten könnten die Stützpunkte Pflegebedürftige und ihre Angehörige wohnortnah und passgenau beraten. Die will Hessen weiterentwickeln zu so genannten Pflegekompetenzzentren. Drei davon gibt es bereits als Modellprojekte in den Landkreisen Rheingau-Taunus, Main-Kinzig und Schwalm-Eder. Die werden zur festen Einrichtung, so die Ministerin. Zwei weitere Landkreise oder kreisfreie Städte sollen hinzukommen – der Förderzeitraum beträgt drei Jahre. Was aber unterscheidet die Kompetenzzentren von Pflegestützpunkten, die bei Fragen um die Anerkennung eines Pflegegrades, finanzieller Unterstützung oder bei der Suche nach passenden Angeboten weiterhelfen? Einen Teil der Weiterentwicklung soll das sogenannte Case- and Care-Management darstellen: Eine individuelle und bedarfsorientierte Betreuung von Einzelfällen und die Kooperation mit den relevanten Akteurinnen und Akteuren vor Ort.

Wie Stolz ergänzte, will das Land auch innovative Modellprojekte in Kurzzeit- und Tagespflegeeinrichtungen fördern. Pflegende Angehörige müssten besonders entlastet werden, sie gehen über die Grenzen der eigenen Belastbarkeit hinaus. Weitere Verbesserungen verspricht sich die Ministerin von einem Landespflegekonzept, es soll auf Basis des Hessischen Pflegeberichts erarbeitet werden. „Das tun wir gemeinsam mit den relevanten Akteuren im Bereich Pflege, denn die komplexen Herausforderungen können wir nur gemeinsam bewältigen.“

Die Gründung des Landesverbands „Wir pflegen Hessen“ kommt demnach zur rechten Zeit.

Im Internet: https://wir-pflegen.net

Jutta Rippegather