PD Dr. med. Sandra Schütze, Dr. med. Oliver Habich

Infektionen und Infektionskrankheiten stellen eine häufige Herausforderung bei der Behandlung älterer Menschen und geriatrischer Patienten dar. Unterschiedliche Erreger, u. a. Bakterien, Viren und Pilze, können Infektionskrankheiten verursachen. In diesem Beitrag liegt der Fokus auf den Besonderheiten der klinischen Symptomatik, Diagnostik und Therapie bakterieller Infektionskrankheiten bei älteren Menschen. Behandelt werden hierbei allgemeine Aspekte dieses breiten Spektrums an Erkrankungen. Für die spezifische Therapie einzelner Infektionskrankheiten sollten die jeweils aktuellen Leitlinien herangezogen werden. Der Artikel enthält Textabschnitte, eine Abbildung und eine Tabelle aus dem in der Buchreihe „Altersmedizin in der Praxis“ im Kohlhammer Verlag erschienenen Band „Infektionskrankheiten im höheren Lebensalter“, auf den zur umfassenderen Beschäftigung mit dem Thema verwiesen wird.

Höhere Inzidenz und schwererer Verlauf

Inzidenz und Prävalenz fast aller bakterieller Infektionen im Erwachsenenalter nehmen mit ansteigendem Lebensalter zu. Pneumonien und Harnwegsinfektionen sind die häufigsten Infektionskrankheiten im höheren Lebensalter, gefolgt von Haut- und Weichteilinfektionen und gastrointestinalen Infektionen. Reaktivierungen von latenten Infektionen treten im höheren Lebensalter häufiger auf. Auch andere Infektionskrankheiten, die sonst nur bei Immunsupprimierten eine Rolle spielen, sind bei älteren Personen relevant. Ältere Menschen haben ein besonders hohes Risiko für nosokomiale Infektionen und sind von nosokomialen Ausbruchsgeschehen in besonderem Maße betroffen.

Infektionskrankheiten sind mit fast 30 % der häufigste Grund für Krankenhauseinweisungen von ≥ 65-jährigen Pflegeheimbewohnern und nach kardiovaskulären Erkrankungen der zweithäufigste Grund für eine Krankenhauseinweisung zu Hause lebender Personen ≥ 65 Jahre (16,2 %) [1]. Deutlich zeigt sich dies am Beispiel der Pneumonie: Eine stationär behandlungsbedürftige ambulant erworbene Pneumonie ist bei Personen ≥ 75 Jahre etwa 50 Mal häufiger als in der Altersgruppe der 15–20-Jährigen bzw. bei ≥ 65-Jährigen 4–11 Mal häufiger als bei < 65-Jährigen [2 ,3]. Pneumonien führen bei älteren Menschen viel häufiger zur stationären Aufnahme als Myokardinfarkte, Schlaganfälle oder osteoporotische Frakturen, der zur Pneumonieprävention betriebene Aufwand ist allerdings im Vergleich gering [4].

Bakterielle Infektionen verlaufen bei älteren Menschen oft schwerer und komplikationsreicher als bei jüngeren Menschen, Bakteriämie und septische Verläufe sind häufiger. Die Sterblichkeit infolge von Infektionskrankheiten ist bei älteren Personen im Vergleich zu jüngeren Personen erhöht, bei Pneumonien, Harnwegsinfekten, Septitiden und bakteriellen Meningitiden mindestens um den Faktor 3 [5, 6]. 17 % der ≥ 90-Jährigen, die wegen einer akuten Infektionskrankheit stationär aufgenommen werden, versterben im Krankenhaus [7]. Eine Infektionskrankheit ist die primäre Todesursache bei 1/3 aller Personen ≥ 65 Jahre und bei 45 % der Patienten in einer internistischen Klinik. Bei vielen anderen Patienten tragen Infektionen zum Tode bei [8]. Infektionskrankheiten gehören damit zu den häufigsten Todesursachen im höheren Lebensalter.

Infektionsrelevante Besonderheiten bei älteren Menschen

Das Immunsystem und alle Organsysteme des alternden Menschen unterliegen biologischen und pathophysiologischen Veränderungen sowie extrinsischen Faktoren, die einen Einfluss auf das Risiko, die Manifestation und den Verlauf von Infektionskrankheiten haben [9, 10]. Wichtige Faktoren sind hierbei die Immunoseneszenz, organspezifische Alterungsprozesse, Veränderungen des Mikrobioms, Erkrankungen und Multimorbidität, Medikamente und Polypharmazie, geriatrische Syndrome sowie Wohnumfeld und Kontakte zu medizinischen und pflegerischen Einrichtungen (Abb. 1).

Die Immunoseneszenz ist ein Alterungsprozess und kann zu den geriatrischen Syndromen gezählt werden. Sie bezeichnet die altersassoziierten Veränderungen des Immunsystems [11] und beeinflusst die Infektionsanfälligkeit und den Verlauf von Infektionskrankheiten beim älteren Menschen sowie die Effizienz von Impfungen [12]. Sowohl für Zellen des innaten Immunsystems als auch des adaptiven Immunsystems sind zahlreiche altersassoziierte Veränderungen beschrieben [13]. Altersassoziiert kommt es zudem zur Entwicklung eines chronischen proinflammatorischen Status, dem sog. Inflamm-Aging [14]. Die Basalkonzentrationen proinflammatorischer Zytokine sind im Serum älterer Menschen höher als im Serum jüngerer Menschen, der Anstieg von Zytokinkonzentrationen als Reaktion auf eine Infektion ist im höheren Lebensalter jedoch vermindert als Zeichen einer reduzierten systemischen Entzündungsreaktion.

Unabhängig von bestehenden Erkrankungen treten mit zunehmendem Lebensalter strukturelle, anatomische und funktionelle Veränderungen in fast allen Organsystemen auf. Ursächlich hierfür sind u. a. die Akkumulation von molekularen und zellulären Schädigungen und hormonelle Einflüsse. Hinsichtlich der Infektionsanfälligkeit sind Störungen der Barrierefunktionen, die auch als Teil des innaten Immunsystems betrachtet werden können, von besonderer Bedeutung. Zu den mechanischen und biochemischen Barrieren des menschlichen Körpers gehören die Haut und die Schleimhäute der Atemwege, des Gastrointestinaltrakts und des Urogenitaltrakts mit ihrer mikrobiellen Flora und ihren Sekreten (z. B. Schweiß, Schleim, Speichel), die eine Bindefunktion und Abtransportfunktion haben und zum Teil antimikrobielle Enzyme beinhalten [9].

Die Prävalenz chronischer und degenerativer, aber auch akuter Erkrankungen steigt mit zunehmendem Alter. Multimorbidität ist ein Kennzeichen des geriatrischen Patienten. Jede einzelne Erkrankung für sich kann Auswirkungen auf die Infektionsanfälligkeit und den Verlauf von Infektionskrankheiten haben. Beispielsweise haben Patienten mit einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) oder einer pulmonalen Stauung im Rahmen einer kardialen Dekompensation ein erhöhtes Risiko, an einer Pneumonie zu erkranken. Haut- und Weichteilinfektionen treten bei Patienten mit Diabetes mellitus oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) gehäuft auf. Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis, Arthrose oder einliegenden Gelenkprothesen ist das Risiko für Gelenkinfektionen erhöht. Autoimmunerkrankungen, hämatoonkologische Erkrankungen und dialysepflichtige Niereninsuffizienz sind mit einem generell erhöhten Risiko für Infektionen assoziiert.

Einhergehend mit der Multimorbidität ist auch die Polypharmazie ein Kennzeichen des geriatrischen Patienten (siehe dazu den weiteren CME-Artikel in dieser Ausgabe). Der verbreitete Gebrauch von Medikamenten, die Abwehrmechanismen des Organismus und andere Funktionen des Immunsystems beeinflussen können, macht ältere Menschen anfälliger für Infektionen [15]. Neuroleptika können beispielsweise durch die unerwünschte Nebenwirkung Dysphagie und durch sedierende Effekte zum vermehrten Auftreten von Pneumonien führen. Der Gebrauch von Anticholinergika ist mit einem erhöhten Risiko für Harnwegsinfektionen und Pneumonien assoziiert, der Gebrauch von Protonenpumpenhemmern mit dem vermehrten Auftreten von gastrointestinalen Infektionen und insbesondere C. difficile-Enteritiden. Glukokortikoide und andere Immunsuppressiva gehen mit einem generell erhöhten Risiko für Infektionskrankheiten verschiedener Organsysteme und für Septitiden einher.

Geriatrische Syndrome beeinflussen die Infektionsanfälligkeit und den Verlauf von Infektionskrankheiten, hierbei sind insbesondere die Mangelernährung (Malnutrition) und die Sarkopenie hervorzuheben. Malnutrition trägt zur Dysregulation des Immunsystems bei, u. a. zur Reduktion von zirkulierendem IgA und zirkulierender T-Zellen [16] sowie zur Verminderung von Zytokinproduktion und Phagozytose [17]. Sie führt zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen [9] und ist mit einem erhöhten Risiko für schwere bzw. tödliche Verläufe von Infektionskrankheiten assoziiert [18]. Die Sarkopenie, d. h. der Verlust von Muskelmasse und Muskelkraft, geht mit einer Beeinträchtigung von Alltagsfunktionen, körperlicher Aktivität, Mobilität und Lebensqualität einher. Metabolische Veränderungen bei der Sarkopenie begünstigen einen proinflammatorischen Zustand, durch den die Entstehung verschiedener Erkrankungen gefördert wird und der Auswirkungen auf die Infektionsresistenz und -bewältigung hat. Sarkopenie der Zwerchfell- und Atemmuskulatur führt zu Einschränkungen bei der Atmung [19]. Ist die Muskulatur der Zunge, des Pharyx und Ösophagus betroffen, kommt es zur „sarkopenen Dysphagie“. Eine Dysphagie im höheren Lebensalter geht mit einem erhöhten Risiko für Aspirationspneumonien, Malnutrition, Exsikkose, schwerwiegende Komplikationen und Mortalität einher [20, 21]. Bei selbstständig lebenden Personen ≥ 70 Jahre verdoppelt sich das Risiko für eine Pneumonie bei Vorhandensein einer Dysphagie [22].

Schwerwiegende Auswirkungen

Infektionen erhöhen das Risiko für verschiedene Akuterkrankungen, insbesondere kardiovaskuläre Erkrankungen. Das Risiko für akute kardiovaskuläre Ereignisse, z. B. Myokardinfarkt, akutes Koronarsyndrom, akute Herzinsuffizienz, Arrhythmien oder Schlaganfall, ist beispielsweise während und nach einer ambulant erworbenen Pneumonie erhöht [23]. Hierbei spielen u. a. eine infektionsassoziierte Plaquedestabilisation, erhöhte Serumkonzentrationen proinflammatorischer Zytokine und infektionsassoziierte Veränderungen im Gerinnungssystem eine Rolle. Infektionen gehören zu den typischen Auslösern eines Delirs (s. u.). Die Vermeidung und adäquate Behandlung von Infektionskrankheiten gehört zu den essenziellen Maßnahmen der Delirprävention.

Auch in der Pathogenese verschiedener chronischer Erkrankungen spielen Infektionen eine Rolle. Hier sind insbesondere die Atherosklerose und die damit verbundenen vaskulären Erkrankungen, die Alzheimer-Demenz und der Diabetes mellitus zu nennen. Hierauf basiert u. a. die Inflammationshypothese neurodegenerativer Erkrankungen [24].

Infektionskrankheiten beeinflussen zudem die Symptomatik bzw. den Verlauf von chronischen Erkrankungen. So führen sowohl bakterielle als auch virale respiratorische Infektionen häufig zu Exazerbationen einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), die mit einer beschleunigten Abnahme der Lungenfunktion und einem Anstieg der Mortalität assoziiert sind [25]. Der neuropsychologische und neurologische Status von Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen verschlechtert sich häufig bei bakteriellen Infektionen. Systemische Infektionen führen zu einer kognitiven Verschlechterung bei Patienten mit Alzheimer-Demenz, die oft auch über die Infektion hinaus bestehen bleibt [26]. Bei Patienten mit Parkinson-Syndromen sind Infektionskrankheiten eine häufige Ursache für akute Verschlechterungen der extrapyramidal-motorischen und psychischen Symptome und für eine stationäre Krankenhausaufnahme [27]. Vermutlich kommt es im Rahmen von Infektionen bei Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen zu einer Akzeleration der Neurodegeneration, wobei hier Mikrogliazellen, die innaten Immunzellen im ZNS, eine wesentliche Rolle spielen [28]. Durch endogene Substanzen (Proteinaggregate wie Amyloid-Beta oder Alpha-Synuclein und Bestandteile untergegangener Nervenzellen) bereits voraktivierte Mikrogliazellen werden bei bakteriellen Infektionen durch Bakterienbestandteile und Zytokine zusätzlich aktiviert und führen zu einer vermehrten neuronalen Schädigung [29].

Nicht selten sind schwere Infektionskrankheiten mit dem Beginn der Gebrechlichkeit und mit dem Verlust der Selbständigkeit assoziiert [30, 31]. Hieraus ergeben sich oft auch Folgen für das Lebensumfeld, die Wohnsituation und den Unterstützungsbedarf des älteren Menschen, bspw. könne eine vermehrte Unterstützung durch Angehörige oder Pflegedienste oder eine Aufnahme in ein Pflegeheim notwendig werden. Besondere Relevanz hinsichtlich Funktionalität und Selbständigkeit von Senioren haben die akuten oder auch chronischen Auswirkungen von Infektionskrankheiten auf die Kognition und auf die Muskelfunktion. Infektionen können die Kognition akut beeinflussen im Rahmen eines Delirs bzw. einer septischen Enzephalopathie [32], können sich aber auch chronisch auf die kognitive Leistungsfähigkeit auswirken, wahrscheinlich durch Akzeleration der Neurodegeneration, insbesondere bei vorbestehenden neurodegenerativen Erkrankungen (s. o.). Akute Verschlechterungen der Muskelfunktionen im Rahmen von Infektionen zeigen sich klinisch u. a. durch eine reduzierte Mobilität oder Stürze. Die Critical illness-Polyneuropathie und -Myopathie ist eine schwere Begleiterkrankung bei septischen Infektionsverläufen mit oft langfristigen und irreversiblen Folgeschäden. Eine vorbestehende Sarkopenie verschlechtert sich häufig im Rahmen von Infektionskrankheiten, dabei spielen u. a. Effekte der proinflammatorischen Zytokine TNF-alpha und Interleukin-6 auf die Muskulatur eine Rolle [33].

Merke

Infektionskrankheiten bei älteren Menschen

  • haben eine höhere Inzidenz als bei jüngeren Menschen,
  • verlaufen oft schwerer als bei jüngeren Menschen,
  • haben eine höhere Letalität als bei jüngeren Menschen,
  • haben oft schwerwiegende Auswirkungen auf Kognition, Mobilität, Funktionalität und Selbstständigkeit,
  • führen oft zu einer Verschlechterung chronischer Erkrankungen, z. B. neurodegenerativer Erkrankungen.

→ Prävention, schnelles Erkennen sowie frühe und adäquate Therapie von Infektionskrankheiten sind bei älteren Menschen von besonderer Relevanz.

Atypische klinische Präsentation

Allgemein sind bei Patienten im höheren Lebensalter typische Symptome von Infektionskrankheiten geringer ausgeprägt, unspezifische Symptome sind allerdings häufiger vorhanden (Tab. 1). Die atypische Präsentation von Infektionskrankheiten betrifft insbesondere hochaltrige Menschen, Personen mit Demenz, multimorbide und gebrechliche ältere Menschen [15, 34].

Tab. 1: Unspezifische Symptome von Infektionskrankheiten im höheren Lebensalter
Geringere Ausprägung typischer Symptome
  • Fehlen typischer Organhinweise
  • Relativ geringe Symptomatik, schleichender Verlauf
  • Verminderte oder fehlende Fieberreaktion
Häufigeres Auftreten unspezifischer Symptome
  • Auftreten von Verwirrtheit
  • Auftreten von Verhaltensänderungen, Wahrnehmungsstörungen
  • Psychomotorische Unruhe oder Lethargie
  • Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit
  • Verschlechterung des funktionellen Status
  • Auftreten von Funktionsstörungen, z. B.:
    • Stürze
    • Verschlechterung der Mobilität
    • Inkontinenz
    • Verminderte Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme

Neben dem Fehlen typischer Organhinweise, relativ geringer Symptomatik und einem oft schleichenden Verlauf ist die verminderte oder fehlende Fieberreaktion bei älteren Menschen im Rahmen von Infektionskrankheiten hervorzuheben. Die basale Körpertemperatur nimmt mit zunehmendem Alter ab. Die Messungen der basalen Körpertemperatur bei Pflegeheimbewohnern zeigten bei ≥ 85-Jährigen mit durchschnittlich 36,3°C niedrigere Werte als in der Altersgruppe von 65–74 Jahren mit durchschnittlich 36,7°C [35].

Bei bis zu einem Drittel der Pflegeheimbewohner mit Infektionen ist die Fieberreaktion vermindert oder fehlt, wobei dies insbesondere sehr alte und gebrechliche Personen betrifft [36]. Nur 65 % der ≥ 65-Jährigen mit einer Infektion und positiver Blutkultur haben eine Körpertemperatur > 38°C [37]. Eine verminderte Fieberreaktion geht mit seltenerem Beginn einer intravenösen (i. v.) Antibiotikatherapie und mit einem schlechteren Outcome einher [38]. Fieber beim geriatrischen Patienten ist daher ein Warnsymptom: 90 % der ≥ 65-Jährigen mit Fieber sind so schwer erkrankt, dass eine stationäre Aufnahme erforderlich ist [36]. Es erscheint sinnvoll, bei älteren und insbesondere hochaltrigen Menschen bereits Körpertemperaturen < 38°C als Fieber zu werten. Als Ursachen für die verminderte oder fehlende Fieberreaktion im Alter werden eine verminderte Zytokinproduktion nach Toll like-Rezeptor (TLR)-Stimulation [39, 40], eine verminderte Hypothalamusantwort auf endogene und exogene Pyrogene (u. a. verminderte Empfindlichkeit hypothalamischer Rezeptoren für Zytokine) sowie eine Funktionsminderung peripherer Thermoregulationsmechanismen (weniger Muskelmasse, weniger braunes Fettgewebe, veränderte Regulation der Vasokonstriktion) vermutet [41]. Zudem können regelmäßig eingenommene Medikamente, die eine antipyretische Wirkung zeigen (z. B. Metamizol oder Paracetamol), Ursache für einen fehlenden Anstieg der Körpertemperatur sein.

Auch andere typische Infektionssymptome wie beispielsweise Schmerzen am Infektionsort oder Dysurie bei Harnwegsinfekten sind bei älteren Menschen oft geringer ausgeprägt oder können fehlen. Bei der Pneumonie treten die „klassischen“ Symptome wie Dyspnoe, Husten, thorakale Schmerzen und Myalgien seltener auf bzw. können ganz fehlen [42].

Ältere Menschen reagieren bei Infektionskrankheiten und auch bei anderen Erkrankungen häufig nicht mit Symptomen des betroffenen Organs, sondern mit Symptomen des vulnerabelsten Organs mit den geringsten Reserven. Besonders vulnerable Organe sind das Gehirn und die Muskulatur. Unspezifische Zeichen einer Infektion sind daher häufig eine Verschlechterung der Kognition und/oder der Mobilität. So können Verwirrtheit, Verhaltensänderungen, Wahrnehmungsstörungen, psychomotorische Unruhe, Lethargie oder Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit beim älteren Menschen erste Zeichen einer Infektion sein. Diese Symptome sind Charakteristika des Delirs. Im Rahmen von Infektionen kommt es beim älteren Menschen häufig zu motorischen Funktionsstörungen, wie z. B. zur Verschlechterung der Gehfähigkeit und Mobilität oder zu vermehrten Stürzen. Auch neu aufgetretene Funktionsstörungen wie Urin- oder Stuhlinkontinenz oder verminderte Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme können erste und unter Umständen einzige Zeichen einer Infektion beim älteren Menschen sein. Prinzipiell können sich Infektionskrankheiten beim älteren Menschen unspezifisch durch das neue Auftreten oder die Verschlechterung von geriatrischen Syndromen präsentieren.

Herausforderungen bei der Diagnostik

Anamnese und klinische Untersuchung sind bei älteren und insbesondere multimorbiden Menschen häufig schwieriger als bei jungen Menschen, sie erfordern Sorgfalt und Erfahrung. Die beschriebene atypische klinische Präsentation bringt besondere Herausforderungen und Schwierigkeiten bei der klinischen Diagnostik von Infektionskrankheiten im höheren Lebensalter mit sich. Sie kann dazu führen, dass die Symptome fälschlicherweise dem normalen Alterungsprozess zugeschrieben werden und nicht einer Infektion. Dies führt häufig zu einer verzögerten Diagnosestellung oder Fehldiagnose, was wiederum zu einem verzögerten Therapiebeginn, einem schlechteren Outcome und einer erhöhten Sterblichkeit führen kann. Die Diagnosestellung einer Pneumonie erfolgt bei älteren Personen aufgrund der atypischen klinischen Präsentation oft verspätet: Bei etwa einem Drittel der Patienten ist zum Zeitpunkt der Notaufnahme im Krankenhaus bereits eine schwere Sepsis vorhanden [43]. Ältere Patienten mit Sepsis (≥ 70 Jahre) haben bei Diagnosestellung und Therapiebeginn bereits schwerere Organdysfunktionen und sind schwerer erkrankt als jüngere Patienten (< 70 Jahre) [44].

Andererseits können unspezifische Symptome fälschlicherweise als Zeichen einer Infektion gewertet werden, was einen inadäquaten Einsatz von Antibiotika zur Folge haben kann, der mit unerwünschten Nebenwirkungen, einem erhöhten Risiko von C. difficile-Infektionen und einer Selektion von Antibiotikaresistenzen einhergeht [15, 34].

Die Kenntnis, Beachtung und adäquate Einordnung unspezifischer Symptome sind wesentliche Aspekte der klinischen Diagnosestellung. Jede akute Änderung des funktionellen Status im höheren Lebensalter sollte an eine Infektion denken lassen. Neben der Einschätzung des aktuellen Status der Kognition, Mobilität und Funktionalität ist daher eine genaue Anamnese und möglichst Fremdanamnese bezüglich des vorbestehenden Status wesentlich.

Respiratorische Infektionen, Harnwegsinfektionen, Haut- und Weichteilinfektionen und Gastroenteritiden spielen zahlenmäßig die größte Rolle unter den Infektionskrankheiten und müssen beim älteren Menschen immer als Infektionsfokus in Betracht gezogen werden [15, 45]. Zudem sollte an Knochen- und Gelenkinfektionen, Blutstrominfektionen und ZNS-Infektionen gedacht werden. Die klinische Untersuchung sollte die Beurteilung von Oropharynx, Konjunktiven, Haut (auch sakral, perineal, perirektal), Thorax, Abdomen, Gelenken, Wirbelsäule sowie des Hydratationsstatus beinhalten. Auf möglicherweise einliegende Katheter und Fremdmaterialien sollte gezielt geachtet werden. Die routinemäßige Erhebung der klinischen Parameter Atemfrequenz, Herzfrequenz, Blutdruck und Sauerstoffsättigung (SpO2) ist zu empfehlen [34].

Laborchemische Untersuchungen und Biomarker sind wesentlich bei der Diagnosestellung und -sicherung einer Infektionskrankheit [46]. Die gängigen laborchemischen Parameter wie Blutbild und Differentialblutbild, C-reaktives Protein (CRP) und Procalcitonin (PCT) haben auch bei älteren Menschen diagnostische Relevanz und sind wichtig für die Verlaufskontrolle von Infektionskrankheiten. Für deren adäquate Interpretation ist es allerdings wichtig zu wissen, dass diese Parameter beim älteren Menschen oft geringere Veränderungen zeigen als bei jüngeren Menschen [3, 31]. Leukozytose und Neutrophilie mit Linksverschiebung haben im höheren Lebensalter eine geringere Sensitivität [47]. Eine normale Serumkonzentration des CRP (< 5 mg/l) schließt einen ernsthaften bakteriellen Infekt nahezu aus (außer in den ersten 12–24 Stunden), allerdings kann das CRP als unspezifischer Inflammationsmarker auch durch andere Ursachen (rheumatische Erkrankung, Tumorerkrankung, Trauma, Operation etc.) erhöht sein [47]. Ältere Menschen haben höhere CRP-Basalwerte als jüngere Menschen, der CRP-Anstieg als Reaktion auf Infektionen ist im höheren Lebensalter allerdings vermindert, möglicherweise aufgrund eines verminderten Anstiegs von IL-6, welches die CRP-Produktion in der Leber stimuliert [48]. Bei Leberfunktionsstörungen kann die CRP-Produktion eingeschränkt sein. PCT ist im Vergleich zum CRP spezifischer für bakterielle Infektionen, steigt etwas schneller an (bei gesunden jungen Probanden innerhalb von vier Stunden) und hat mit 20–24 Stunden eine geringere Halbwertszeit (Halbwertszeit von CRP 24–48 Stunden) [49]. Die PCT-Serumkonzentrationen steigen auch bei älteren Patienten mit Sepsis und Pneumonie an, der Anstieg scheint jedoch etwas langsamer zu verlaufen und geringer ausgeprägt zu sein als bei jüngeren Patienten mit vergleichbar schweren Infektionen. PCT-Serumkonzentrationen < 0,1 ng/ml sprechen auch bei älteren Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen das Vorliegen einer schweren bakteriellen Infektion (bei jüngeren Menschen < 0,25 ng/ml), schließen diese jedoch nicht aus [50]. Eine initale Bestimmung der PCT – ergänzend zur CRP-Serumkonzentration – ist auch bei älteren Menschen sinnvoll. Bei erhöhten PCT-Serumkonzentrationen können Verlaufskontrollen zum Monitoring des Infektionsverlaufs genutzt werden (PCT-gesteuerte Antibiotikatherapie).

Die Isolierung des Erregers und seine Resistenztestung haben bei Infektionskrankheiten in jedem Lebensalter eine hohe Relevanz, insbesondere auch im Hinblick auf eine rationale Antibiotikatherapie, bei der nach Beginn einer empirischen Therapie möglichst zeitnah die Umstellung auf eine gezielte Therapie nach Antibiogramm erfolgen sollte. Die Sensitivität und Spezifität von Bakterienkulturen sind im höheren Lebensalter nicht verändert [12, 31]. Material für die kulturelle Erregeranzucht sollte möglichst vor Beginn einer Antibiotikatherapie gewonnen werden, bei bereits bestehender Antibiotikatherapie möglichst kurz vor der nächsten Antibiotikagabe. Die Abnahme von mindestens zwei  Paaren Blutkulturen sollte dabei unabhängig von der Körpertemperatur erfolgen, also auch bei einer Körpertemperatur < 38°C. Bei schwerwiegenden akuten Infektionen, z. B. bei Verdacht auf Sepsis oder Meningitis, darf hierdurch eine Antibiotikatherapie aber auf keinen Fall verzögert werden.

Die Kulturanlage aus Urin, Stuhl, Trachealsekret, Blut, Liquor oder auch aus Punktionsmaterial, intraoperativ gewonnenen Proben oder ZVK-Spitzen sollte bei typischen oder unspezifischen klinischen bzw. laborchemischen Zeichen für eine Infektion insbesondere bei älteren Menschen niedrigschwellig erfolgen. Eine routinemäßige mikrobiologische Untersuchung dieser Materialien im Sinne von Screeninguntersuchungen sollte ohne Vorliegen klinischer Symptome allerdings nicht erfolgen.

Neben Kulturen haben auch Antigennachweise und PCR (Polymerasekettenreaktion)-basierte Methoden zum Erregernachweis einen Stellenwert bei einigen Infektionskrankheiten, z. B. bei der Urindiagnostik hinsichtlich Streptokokken- oder Legionellen-Antigen, bei der Stuhldiagnostik auf C. difficile-Antigen/Toxin oder bei der PCR-Diagnostik hinsichtlich Influenza, CMV, VZV, RSV oder SARS-CoV-2.

Generell sollten bei älteren Personen bei unklaren Symptomen niedrigschwellig ergänzende apparative Untersuchungen durchgeführt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Röntgenuntersuchung des Thorax bei Verdacht auf Pneumonie. Diese ist allerdings bei älteren Patienten häufig schwieriger zu interpretieren und hat für Pneumonien einen schlechteren positiven prädiktiven Wert als bei Jüngeren [31].

Alternativ stellt die Thoraxsonografie zum Nachweis pneumonischer Infiltrate in den Händen routinierter Untersucher ein schnell verfügbares und gut untersuchtes Verfahren dar. Einschränkend muss erwähnt werden, dass technisch bedingt zentrale pneumonische Infiltrate hierbei nicht erfasst werden. Mit der Thoraxsonografie ist die unkomplizierte Verlaufsbeurteilung peripherer Infiltrate möglich. Hiervon profitieren vor allem delirgefährdete Patienten, da für diese Untersuchung keine Transporte und Wechsel der Räumlichkeiten erforderlich sind.

Auch intensivere Diagnostik zur Fokussuche inklusive CT und MRT, FDG-PET oder sogar invasive Maßnahmen wie Biopsien mit Kulturanlage können erforderlich sein [3]. Die MRT-Untersuchung der Wirbelsäule bspw. ist der Goldstandard bei Verdacht auf Vorliegen einer Spondylodiszitis.

Merke

  • Infektionskrankheiten im höheren Lebensalter präsentieren sich oft atypisch: - weniger spezifische Symptome - häufiger unspezifische Symptome (z. B. Delir, Stürze, Mobilitätseinschränkung).
  • Tritt bei einem älteren Menschen ein ungeklärter Funktionsverlust auf (z. B. motorisch oder kognitiv), muss an eine Infektion gedacht werden.
  • Fieber ist ein Warnsymptom bei älteren Menschen und erfordert dringende Diagnostik hinsichtlich einer Infektionskrankheit.
  • Die klinische Diagnosestellung einer Infektionskrankheit im höheren Lebensalter wird durch die atypische Präsentation erschwert und häufig verzögert.
  • Gründliche körperliche Untersuchung und Anamnese sowie frühe und niedrigschwellige laborchemische, mikrobiologische und gerätebasierte Diagnostik sind wesentlich.

Antibiotikatherapie im höheren Lebensalter

Grundsätzlich gelten für den Einsatz von Antibiotika bei älteren Patienten die gleichen Prinzipien wie bei jüngeren Patienten und viele bakterielle Infektionskrankheiten haben unter adäquater Antibiotikatherapie auch bei älteren Menschen einen günstigen Verlauf [51]. Der frühe Beginn einer Antibiotikatherapie kann bei älteren Menschen entscheidend für den Erhalt der Funktionalität und in manchen Fällen lebensentscheidend sein. Andererseits gehen Antibiotikatherapien bei älteren Menschen häufiger als bei jüngeren Menschen mit unerwünschten Wirkungen (UAW), Schädigungen des Mikrobioms und C. difficile-Infektionen einher. Auch von Resistenzentwicklungen und Zunahme von MRE sind ältere Menschen besonders betroffen. Vor Beginn jeder Antibiotikatherapie sollten diese Aspekte bedacht und abgewogen werden [31].

Menschen in höherem Lebensalter profitieren daher in besonderem Maße von einem rationalen und verantwortungsvollen Antibiotika-Einsatz im Sinne des Antibiotic Stewardship (ABS) [52]. Untersuchungen in Pflegeheimen zeigen, dass hier 25–75 % der Antibiotikatherapien inadäquat erfolgen [9, 53]. Die Prävalenz von MRE in geriatrischen Kliniken und Pflegeheimen ist hoch [54]. Durch Implementierung von ABS-Programmen in Pflegeheimen und auf geriatrischen Stationen kann die Therapie älterer Patienten mit Infektionskrankheiten verbessert, die Inzidenz von C. difficile-Enteritiden vermindert und die Prävalenz von MRE reduziert werden [55]. Hierbei spielen u. a. die Prävention der C. difficile -Selektion durch Restriktion von Cephalosporinen der 3. Generation, Chinolonen und Clindamycin sowie die Prävention der MRE-Selektion durch Restriktion von Vancomycin und Carbapenemen eine Rolle.

Bei begründetem Verdacht auf eine bakterielle Infektion sollte früh eine empirische Antibiotikatherapie begonnen werden. Wesentlich ist die Evaluation jeder Antibiotikatherapie nach 48–72 Stunden unter Einbezug klinischer und ergänzender diagnostischer Parameter. Bestätigt sich der Verdacht auf eine bakterielle Infektion und somit die Indikation für eine Antibiotikatherapie nicht, sollte das Antibiotikum abgesetzt werden.

Bei erhöhten Entzündungsparametern wie CRP oder PCT sollte gezielt nach einer Infektion gesucht werden. Sie zeigen einen inflammatorischen Prozess an, sind aber nicht spezifisch für bakterielle Infektionen und stellen ohne klinische Infektionszeichen keine Indikation für eine Antibiotikatherapie dar [56].

Antibiotikatherapien bei älteren Patienten werden häufig bei vermuteten bakteriellen Infektionen verschrieben, insbesondere wenn kognitive Einschränkungen vorliegen. Durch sorgfältige und wohlüberlegte Indikationsstellung können unnötige Antibiotikatherapien vermieden werden [57]. Mikrobiologische Befunde müssen sorgfältig interpretiert werden, um die antibiotische Therapie klinisch irrelevanter Befunde zu vermeiden (z. B. bei Verunreinigungen, Normalflora, Mischflora etc.). Typische Situationen, in denen eine Antibiotikatherapie nicht sinnvoll ist, sind z. B. respiratorische Virusinfektionen ohne Zeichen einer bakteriellen Superinfektion, asymptomatische Bakteriurien, Keimbesiedelungen von Wunden und Ulcera ohne Infektionszeichen, pathologische Stuhldiagnostik ohne Vorliegen von Diarrhoen, MRE-Besiedelungen ohne Infektionszeichen (VRE, MRSA). Perioperative Antibiotikaprophylaxen sind wirksam zur Reduktion postoperativer Wundinfektionen. Sie sollten allerdings nach der Operation abgesetzt werden, da eine verlängerte Gabe (> 24 Stunden postoperativ) keinen Nutzen für den Patienten hat, aber das Risiko von UAW und Kollateralschäden erhöht [56]. Andere prophylaktische Antibiotikagaben sollten nicht durchgeführt werden. Bei der Auswahl der Substanz für eine kalkulierte/empirische Antibiotikatherapie müssen die Immunkompetenz des Patienten sowie Begleiterkrankungen und mögliche Interaktionen mit der bestehenden Medikation berücksichtigt werden. Antibiotika sind die Medikamentengruppe, die am häufigsten mit dem Auftreten von UAW in Verbindung gebracht werden. 20 % aller UAW, die eine Behandlung in einer Notaufnahme erfordern, sind durch Antibiotika verursacht [58]. UAW von Antibiotika betreffen häufig den Gastrointestinaltrakt (z. B. Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe), die Haut (z. B. Exantheme, Urtikaria, Phototoxizität) oder das ZNS (z. B. Kopfschmerzen, Schwindel, epileptische Anfälle). Neuropsychiatrische Nebenwirkungen und Delire treten dabei am häufigsten unter Behandlung mit Fluorchinolonen und Cotrimoxazol auf. Hepatotoxizität und Nephrotoxizität müssen beachtet werden [59]. Die Festlegung der Dosis, des Dosisintervalls, der Applikationsart und der Dauer der Antibiotikatherapie sollte individuell entsprechend dem Status des Patienten festgelegt werden. Ein Monitoring hinsichtlich Effektivität und Toxizität zur frühen Erkennung erwarteter und unerwarteter Nebenwirkungen sollte erfolgen.

Prinzipiell wird durch jede Antibiotikatherapie das Risiko für eine C. difficile-Enteritis erhöht, die Selektion von C. difficile erfolgt jedoch insbesondere durch Antibiotika mit anaerober Wirkung und biliärer Elimination. Die sogenannten „4C“-Antibiotika sind beispielsweise mit einem hohen Risiko für eine CDI assoziiert, diese sind: Chinolone, Cephalosporine (insbesondere der 3. Generation), Clindamycin, Amoxicillin-Clavulansäure [59]. Bei Personen mit einem hohen C. difficile-Risiko von > 5 %, die eine Antibiotikatherapie erhielten, reduzierte der Einsatz von Probiotika das Auftreten einer C. difficile-Enteritis [60]. Bei älteren Menschen kann daher begleitend zu einer Antibiotikatherapie die Gabe von Lactobacillus bzw. Bifidobacterium species zur Prävention einer C. difficile-Enteritis empfohlen werden.

Merke

Wichtige Aspekte der Antibiotikatherapie bei geriatrischen Patienten

  • Unnötige Antibiotikatherapien sollten vermieden werden (sorgfältige Indikationsstellung!).
  • Bei begründetem Verdacht auf eine Infektionskrankheit sollte möglichst früh eine empirische Antibiotikatherapie begonnen werden.
  • Eine Erregersicherung sollte vor Beginn einer Antibiotikatherapie angestrebt werden.
  • Bei der Auswahl des Antibiotikums sollten Immunkompetenz, Co-Morbiditäten, Interaktionen mit der bestehenden Medikation sowie das Potenzial für Kollateralschäden beachtet werden.
  • Bei Niereninsuffizienz muss die Dosis einiger Antibiotika ab dem zweiten Therapietag reduziert werden, in den ersten 24 Stunden sollte zum Erreichen ausreichender Wirkspiegel die volle Dosis verabreicht werden.
  • Bei der Entscheidung über die Therapiedauer sollten klinische Symptome und Laborparameter berücksichtigt werden.

Prävention von Infektionskrankheiten im höheren Lebensalter

Die Prävention, Erkennung und Behandlung von geriatrischen Syndromen spielt für die Prävention von Infektionskrankheiten eine wichtige Rolle. Ein geriatrisches Assessment inklusive eines Malnutritions-Screenings sollte daher bei älteren Menschen regelmäßig erfolgen. Für die Prävention von Aspirationspneumonien sind insbesondere Dysphagie-Screening und -Therapie von hoher Relevanz.

Ernährungsinterventionen und regelmäßige körperliche Aktivität können die Infektionsresistenz älterer Menschen positiv beeinflussen. Eine ausgewogene proteinreiche Ernährung mit ausreichend Kalorien und Vitaminen stellt eine wirksame Prävention und Therapie der Malnutrition und der assoziierten geriatrischen Syndrome dar und ist damit auch eine Infektionsprävention bzw. unterstützende Infektionsbehandlung. Allgemeine Maßnahmen wie Essen in Gemeinschaft, ansprechende Zubereitung und angepasste Konsistenz der Mahlzeiten, Vermeidung von Diätvorschriften, Unterstützung bei der Nahrungszubereitung und -aufnahme sowie Zwischenmahlzeiten gehören zur Prävention und Behandlung der Malnutrition. Für geriatrische Patienten wird die Zufuhr von 1,2–1,5 g Protein/kg Körpergewicht/d empfohlen [61]. Bei Pflegeheimbewohnern führen Ernährungsinterventionen, wie z. B. eine protein- und kalorienreiche Nahrungsergänzung durch hochkalorische Trinknahrung und/oder Proteinpulver, zur Verbesserung der Immunfunktionen [9]. Im Krankenhaus kann durch gezielte Behandlung der Malnutrition die Rate der nosokomialen Infektionen gesenkt werden [62].

Regelmäßige körperliche Aktivität vermindert Inflamm-Aging [63] und wirkt sich positiv auf die Infektionsresistenz des Menschen aus [64]. Bereits geringe körperliche Aktivität reduziert das Risiko für bakterielle Infektionskrankheiten [65, 66]. Alltagsaktivitäten, wie regelmäßige Spaziergänge, Treppen steigen und Einkäufe tragen, bieten hierfür eine gute Basis. Soziale Aktivitäten und körperliche Bewegung beeinflussen sich wechselseitig positiv. Zusätzliches Krafttraining wirkt sich positiv auf die Muskulatur des älteren Menschen aus und ist auch bei hochaltrigen Menschen möglich und effektiv [67]. Bei älteren Menschen mit Sarkopenie wird daher ein therapeutisches Krafttraining empfohlen.

Impfungen sind wirksame medizinische Interventionen zur Prävention von Infektionskrankheiten. Impfungen im höheren Lebensalter sind trotz der oft verminderten Impfantwort effektiv. Eine Impfung kann nicht nur eine bestimmte Infektionskrankheit verhindern, sondern vermindert auch assoziierte Folgeerkrankungen und damit die Krankheitslast [10, 68, 69]. Obwohl impfpräventable Infektionserkrankungen bei älteren Menschen oft schwerwiegende Folgen haben und Impfungen für die vulnerable Gruppe älterer Menschen von besonderer Wichtigkeit sind, werden die Notwendigkeit lebenslanger Impfprogramme und die Relevanz von Impfungen für ältere Menschen häufig unterschätzt. Dies spiegelt sich in niedrigen Impfraten bei älteren Menschen wider. Ein wesentlicher Aspekt für den optimalen Schutz älterer Menschen vor Infektionserkrankungen und deren Folgen ist die Durchführung empfohlener Impfungen und deren gute Dokumentation [68, 70]. Lebenslanges Impfen ist sinnvoll! Eine regelmäßige Überprüfung des Impfstatus sollte erfolgen.

Die jährlich aktualisierten Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) können auf den Internetseiten des RKI abgerufen werden (www.rki.de). Die STIKO empfiehlt allen Erwachsenen ab 60 Jahren neben der Impfung gegen Herpes zoster und den jährlichen Impfungen gegen Influenza und Covid-19 die Impfung gegen Pneumokokken. Neu ist die Empfehlung, anstatt des bisher empfohlenen 23-valenten Polysaccharid-Impfstoffes (PPSV23), einen Konjugat-Impfstoff zu verwenden, der gegen 20 verschiedenen Pneumokokken-Typen schützt (PCV20). Sollte bereits eine Impfung mit dem bisherigen PPSV23 Impfstoffe erfolgt sein, wird eine Impfung mit PCV20 in einem Mindestabstand von sechs Jahren empfohlen [71].

Fazit

Infektionskrankheiten haben bei älteren Menschen eine höhere Inzidenz und häufig einen schwereren Verlauf als bei jüngeren Menschen. Anders als bei jüngeren Erwachsenen sind sie beim älteren Menschen oft mit zum Teil schwerwiegenden Einschränkungen der Mobilität, Kognition und Funktionalität verbunden, die auch langfristig bestehen bleiben können.

Prävention, schnelles Erkennen sowie frühe und adäquate Therapie von Infektionskrankheiten sind bei älteren Menschen von besonderer Relevanz.

Die Diagnose einer Infektionskrankheit erfordert neben klinischer Expertise und einer gründlichen körperlichen Untersuchung den niederschwelligen Einsatz ergänzender Labordiagnostik, mikrobiologischer Diagnostik und ggf. apparativer Diagnostik und deren sorgfältige Bewertung unter Kenntnis der Besonderheiten im höheren Lebensalter.

Ältere Menschen profitieren in besonderem Maße von Maßnahmen der Infektionsprävention. Auf die Durchführung der von der STIKO empfohlen Impfungen sollte geachtet werden.

PD Dr. med. Sandra Schütze, E-Mail: schuetze@em.uni-frankfurt.de

Dr. med. Oliver Habich

beide: Medizinisch-Geriatrische Klinik, Agaplesion Markus Krankenhaus, Wilhelm-Epstein-Str. 4, 60431 Frankfurt am Main

Die Literaturhinweise finden Sie hier.

Buchtipp

PD Dr. med. Sandra Schütze: Infektionskrankheiten im höheren Lebensalter: Klinische Besonderheiten – Diagnostik – Therapie – Prävention, Reihe: Altersmedizin in der Praxis

© 2021 W. Kohlhammer Verlag, ISBN 9783170316638, auch als E-Buch

Die Autoren danken dem Kohlhammer Verlag für die Genehmigung, Auszüge aus dem o. g. Buchband für den vorliegenden Artikel zu nutzen.

Multiple Choice-Fragen

Die Multiple Choice-Fragen zu dem Artikel „Infektionskrankheiten im höheren Lebensalter“ von PD Dr. med. Sandra Schütze und Dr. med. Oliver Habich finden Sie in der PDF-Version dieses Artikels und im Mitgliederportal (https://portal.laekh.de). Die Teilnahme zur Erlangung von Fortbildungspunkten ist ausschließlich online über das Mitgliederportal vom 25. Juni 2024 bis 24. Dezember 2024 möglich. Die Fortbildung ist mit drei Punkten zertifiziert. Mit Absenden des Fragebogens bestätigen Sie, dass Sie dieses CME-Modul nicht bereits an anderer Stelle absolviert haben. Dieser Artikel hat ein Peer-Review-Verfahren durchlaufen. Nach Angaben der Autoren sind die Inhalte des Artikels produkt- und/oder dienstleistungsneutral, es bestehen keine Interessenkonflikte.