Strittige Themen, die Rede von Minister Lauterbach und viele Anträge, über die diskutiert und abgestimmt wurde: Die hessischen Abgeordneten berichten von ihren Eindrücken des 128. Deutschen Ärztetages und ziehen ein Fazit der Tagung. Es handelt sich hierbei um eine redaktionelle, stellenweise gekürzte Auswahl.
1. Wie bewerten Sie die Rede von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach? Wurden darin die wichtigen Themen der aktuellen Gesundheitspolitik angesprochen?
Dr. med. Susan Trittmacher, Fachärztinnen und Fachärzte Hessen: Der Bundesgesundheitsminister verkündete viele gute Absichten und weitere Gesetzesvorhaben, nur über die Art und Weise der Umsetzung spricht er nicht. Insbesondere zur Krankenhausreform bleiben viele Fragen offen. Auch wenn die Reform meines Erachtens notwendig und den Menschen auch zumutbar ist, so konnte ich keine politische Vision erkennen, wie in der Fläche eine adäquate Gesundheitsversorgung aufrechterhalten werden soll.
Dr. med. Wolf Andreas Fach, Fachärztinnen und Fachärzte Hessen: Fromme Reden und sonst nichts Neues. Lauterbach hat in bestem Politikerdeutsch jede Antwort auf wichtige Fragen des Gesundheitswesens vermieden. Nebensächlichkeiten, leere Versprechungen und der Weg in die Staatsmedizin standen im Vordergrund. Insgesamt eine schnoddrige Rede, die den Bedürfnissen für die Fortentwicklung des Gesundheitswesens nicht im Ansatz gerecht wurde.
Petra Hummel-Kunhenn, Die Hausärzte: Lauterbach hat zwar von Gesprächsbereitschaft seinerseits geredet. Andererseits hat er klar gemacht, dass er seine Agenda unbeirrt weiterverfolgen und noch möglichst viele Gesetze durchbringen will. Die Probleme werden offensichtlich gesehen, die Expertise der Ärztinnen und Ärzte aus der Praxis wird aber nicht herangezogen. Das beratende Expertengremium des Bundesgesundheitsministeriums setzt sich aus Universitätsprofessorinnen und -professoren zusammen, welche weder für die stationäre noch und schon gar nicht für die ambulante Versorgungsebene das Wissen und die Erfahrung zu Abläufen und Notwendigkeiten mitbringen. Diese Bereiche sind jedoch die Basis unseres Gesundheitssystems.
Yvonne Jäger, Marburger Bund: Lauterbach hat wie immer einen großen Bogen geschlagen, sich jedoch in der Zusage von „Prüfaufträgen“ verfangen. Wie lange soll noch geprüft werden? Leider habe ich praktikable Lösungen oft vermisst: So bemängelte er z. B., dass viele unnötige Behandlungen im Krankenhaus stattfänden, blieb aber die Antwort schuldig, wie die ambulante Versorgung so gestärkt werden kann, dass dies nicht mehr notwendig ist.
Dr. med. Lars Bodammer, Marburger Bund: Wie 2023 auch, kündigt der Minister wieder mal an, die Belange der Ärzteschaft zu prüfen. Dies führt bei der Ärzteschaft schon lange nicht mehr zu Zuversicht und Vertrauen, dass unsere Interessen im Sinne einer besseren Versorgung und unsere Sorgen über zunehmende Ungerechtigkeit in der Versorgung, ernst genommen werden. Das Regieren über neue Gesetze führte bisher nicht zu dem notwendigen Tempo, welches erforderlich ist, um den insbesondere in den Flächenregionen drohenden Untergang der Versorgung zeitgerecht zu stoppen. Dies wird sich am Thema neue Studienplätze messen lassen können.
Michael Andor, Die Hausärzte: Es sind immer wieder die selben Textbausteine, das Gezerre um die verschiedenen Gesetzgebungsverfahren geht munter weiter.
Dr. med. Jörg Focke, Marburger Bund: Im Hinblick auf die anstehenden Reformen hätte ich mehr inhaltliche Punkte erwartet. Es wurde im Grunde nichts gesagt, was nicht auch schon bekannt ist. Ein Punkt ist mir dann doch positiv aufgefallen. Herr Prof. Lauterbach erwähnte in Zusammenhang mit den Reformvorschlägen das Personalbemessungstool der BÄK.
Dr. med. H. Christian Piper, Marburger Bund: Etwa 15 Gesetzesvorhaben sind in der Pipeline, sagt der Bundesminister. Alle sollen in wenigen Monaten beschlossen werden!? Wenn man die Unwuchten und grundlegend fehlende Folgenabschätzung bei den Entwürfen von KHVVG (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz) und GVSG (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz) extrapoliert, dann steht revolutionäres Chaos statt echter Fortschritt vor der Tür. Schnell „Alles neu“ vor Qualität ist keine erfolgversprechende Handlungsmaxime. Die Notfallversorgung, der Rettungsdienst, eine Ambulantisierung und zugleich Krankenhausreform, das kann bestenfalls nach einem Jahrzehnt stabilisiert werden. Aber vermutlich nicht in einer schon nahezu auslaufenden Wahlperiode.
Dr. med. Michael Weidenfeld, Fachärztinnen und Fachärzte Hessen: So wie Politiker halt reden. Er sprach vieles an, wurde aber wenig konkret. Es muss sich etwas ändern und er gab auch Beispiele dafür, aber wie ich mich jetzt konkret darauf einstellen kann, ist nicht klar. Besonders meine Zukunft als niedergelassener Facharzt bleibt im Dunklen. Bleibt die inhabergeführte freie Praxis oder werden wir Gebietsfachärzte in die Kliniken oder von wem auch immer geführte MVZ gezwungen?
Dr. med. Christoph Polkowski, Marburger Bund: Lauterbach hat selektiv die Punkte seiner politischen Agenda vorgestellt, bei denen es wenig Dissens mit der Ärzteschaft gibt. Positiv fand ich seine Aussage „Nicht miteinander reden, können wir uns nicht leisten“. Und seine Zusage, das Personalbemessungstool der Bundesärztekammer (ÄPS-BÄK) in der Krankenhausreform einzuführen, wenn es funktioniere.
2. Wie beurteilen Sie die Rede von Bundesärztekammerpräsident Dr. med. Klaus Reinhardt?
Dr. Wolf Andreas Fach: Deutliche Worte zur Bedeutung von Ärztinnen und Ärzten für die Stabilität einer demokratischen Gesellschaft und den Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen. Betonung der Attraktivität der Weiterbildung und sehr deutliche Worte zur Einbindung der Ärzteschaft in aktuelle Entscheidungsprozesse. Hinweis auf ein Staatsversagen bei verschleppter GOÄ. Standing Ovations des Plenums.
Dr. Susan Trittmacher: Dr. Reinhardt hat alle Themen angesprochen. Aber er merkt selbst, wie gering die politische Gestaltungsmöglichkeit der Ärzte und Ärztinnen in den Gremien des Bundes ist.
Dr. Detlev Steininger: Eine klare Analyse der Problemfelder und punktgenaue Forderungen an die Politik.
Petra Hummel-Kunhenn: In der Rede des Präsidenten wurden alle brennenden Themen für die Ärzteschaft und der Bevölkerung auch im Kontext der zukünftigen Herausforderungen national und international wie Nachwuchsmangel, Überlastung aller im medizinischen Bereich Tätigen und (internationale) Krisen adressiert und hervorragend dargestellt.
Jutta Willert-Jacob: Souverän forderte unser Bundesärztekammerpräsident eine gegenseitig wertschätzende Gesundheitspolitik ein, einen gemeinsamen Gesundheitsgipfel mit ärztlicher Beteiligung im Kanzleramt, er plädierte für einen massiven Bürokratieabbau und übte Kritik an der Teil-Legalisierung von Cannabis unter Hinweis auf die Gefahren. Wertschätzend lobte er den Mut des Bundesgesundheitsministers, die Krankenhausreform und deren Umbau umsetzen zu wollen. Viel Applaus erntete Reinhardt für seinen Slogan „Nie wieder ist jetzt!“, wo er in seiner Rede für Demokratie, Pluralismus und Menschenrechte eintrat.
Yvonne Jäger: Die Forderung nach einem Gesundheitsgipfel im Kanzleramt zur umfassenden Lösung der anstehenden Herausforderungen ist längst überfällig (sollte aber meines Erachtens intrinsisch von der Politik ohne Aufforderung durch uns kommen).
Dr. Lars Bodammer: Kollege Reinhardt brachte viele Punkte und Forderungen in seiner gut strukturierten Rede, insbesondere Richtung Gesundheitsminister, zur Sprache. Mit fehlte jedoch die Vermittlung der Dringlichkeit in seiner Rede – angesichts der enormen Schwierigkeiten, vor denen Kliniken und Praxen mit existenzbedrohenden Auswirkungen stehen.
Dr. Jörg Focke: Herr Dr. Reinhardt stellt in seiner Rede klar, dass die freie ärztliche Berufsausübung auf unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung fußt. Er zeigt auf, wie Hass, Hetze und Diskriminierung diese Rechte bedrohen. All diese Aussagen waren sehr wichtig und ein gutes Signal.
Dr. Michael Weidenfeld: Im Ganzen sehr gut. Die freiheitlich demokratische Grundordnung, zu der wir Ärzte und Ärztinnen uns eindeutig bekennen, gilt es zu verteidigen. Die älter werdende und damit auch kränker werdende Bevölkerung trifft auf weniger Ärzte und begrenzte finanzielle Ressourcen. Hier wird es zu Problemen kommen. Weiterbildung: Diese ist Aufgabe der Kammern in einem freien Beruf. Einmischung und Lenkung durch Dritte werden abgewiesen. Für mich war Reinhardts Aussage wichtig zur vertragsärztlichen Versorgung: Stabile und verlässliche Rahmenbedingungen für die vertragsärztliche Versorgung und deren nachhaltige Finanzierung sind grundlegend für ein zukunftsfähiges und resilientes Gesundheitssystem. Der Entbudgetierung im hausärztlichen Bereich müssen entsprechende Maßnahmen auch für die Fachärztinnen und Fachärzte folgen!
Dr. H. Christian Piper: Einige wesentliche Kritikpunkte an der Gesundheitspolitik wurden genannt. Aber zu wenig konfrontativ. Konkrete Forderungen aus praktischer ärztlicher Kenntnis werden so weiterhin marginalisiert bleiben. Zu Lasten besserer Versorgungsqualitäten und von mehr Zeit für die Zuwendung für die Patienten.
Dr. Christoph Polkowski: Die Forderung nach einem Gesundheitsgipfel im Kanzleramt und die Verstetigung des Dialogs mit der Regierung waren gute konstruktive Vorschläge, um Ärztinnen und Ärzte in die Reform der sehr komplexen Gesundheitslandschaft in Deutschland mit einzubeziehen.
3. Welche Beschlüsse des Deutschen Ärztetages waren für Sie von besonderer Relevanz? Welche Folgen können aus Ihrer Sicht die Beschlüsse für Hessen haben?
Dr. Detlev Steininger: Der Leitantrag des Präsidiums der BÄK, in dem den Hausärztinnen und Hausärzten eine Steuerungsfunktion im Gesundheitswesen zugesprochen wird, zum Beispiel durch die HZV-Verträge (Hausarztzentrierte Versorgung).
Petra Hummel-Kunhenn: Das Bekenntnis zur primärärztlichen Versorgung und Steuerung ist für mich als Hausärztin und für das gesamte Gesundheitssystem und die Versorgung der Bevölkerung aus meiner Sicht der relevanteste Beschluss.
Yvonne Jäger: Ich war besonders bewegt (und erschrocken, dass dies notwendig geworden ist) vom klaren Bekenntnis zu Toleranz, Demokratie und Menschenrechten und von klarer Distanzierung zu allen extremen Strömungen. Nie wieder ist jetzt! Die Resolution wurde in dem Bewusstsein verfasst, dass Demokratie und Menschenrechte derzeit weltweit und in Deutschland so gefährdet sind wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
Dr. Lars Bodammer: Die Resolution zum Bekenntnis für Demokratie und Pluralismus ist ein sehr wichtiges Statement der Ärzteschaft in dieser Zeit. Die Beschlüsse zum Thema Personalbemessungstool und zur Finanzierung der Weiterbildung halte ich ebenfalls für extrem wichtig.
Michael Andor: Die Ehrung von Prof. Dr. Gottschalk mit der Paracelsus-Medaille
Dr. Jörg Focke: Die Verabschiedung der Resolution für Demokratie und Pluralismus war einer der wichtigsten Beschlüsse. Nach der Unterzeichnung von über 200 Verbänden ist dies ein starkes Zeichen vom 128. Deutschen Ärztetag. Weiterhin gab es wichtige Beschlüsse zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz, wie z. B. der Beschluss zum ÄPS der BÄK als Qualitätsmaßstab und Grundlage für die Refinanzierung ärztlicher Personalkosten, welche laut dem Beschluss gesetzlich verankert werden sollten.
Dr. Wolf Andreas Fach: Forderung nach Einbindung der Ärzteschaft in G-BA-Entscheidungen und nach Patientensteuerung bei begrenzten medizinischen Ressourcen. Ablehnung einer staatlichen Einflussnahme auf die Zulassungsgremien sowie einer Staatsmedizin mit Abschaffung ambulant tätiger Fachärztinnen und Fachärzte entsprechend der Empfehlung der Regierungskommission. Hinweise auf den fehlenden Nutzen der ePA, auf die Notwendigkeit einer Regulierung von Investoren-MVZ und bessere Rahmenbedingungen für die Ausübung des ärztlichen Berufs.
Dr. H. Christian Piper: Viel Dringendes wurde adressiert: Augenmaß und klar evidenzbasierte Modernisierung des Gesundheitswesens. Ambulant-stationäre Vernetzung mit sachgerechtem Abbau von Sektorengrenzen. Rückführung budgetär getriebener Sektorenkämpfe. Sicherung der Zukunft für mehr ärztlichen Nachwuchs und Verschlankung der kompetenzorientierten ärztlichen Weiterbildung. Optimierte Verbundweiterbildung zwischen den verschiedenen Weiterbildungsstätten, ambulant wie stationär. Dafür klar geregelte Vertragsverhältnisse und bessere Chancen für mehr Vereinbarung von Familie und Beruf.
Dr. Michael Weidenfeld: Unter anderem sind die Rahmenbedingungen für die Ambulantisierung fair zu gestalten und die notwendigen Strukturanpassungen für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte wie für Krankenhäuser angemessen zu refinanzieren. Der 128. Deutsche Ärztetag 2024 fordert den Gesetzgeber auf, die Beteiligung der Interessenvertretungen betroffener ärztlicher Fachgruppen bei Beratungen des G-BA obligatorisch vorzusehen. Dazu ist es notwendig, ein Mitberatungsrecht für die von den Beschlüssen betroffenen Fachgruppen analog zu § 140 f SGB V (Beteiligung der Interessenvertretungen der Patientinnen und Patienten) einzuführen.
Dr. med. Nils Lenz, Marburger Bund: Zum einen die ausdrückliche Ablehnung einer regional differenzierten Quotierung von Facharztweiterbildungsplätzen. Zum anderen die Förderung und der Schutz der ärztlichen Tätigkeit als freien Beruf. Beide Beschlüsse sichern uns Ärztinnen und Ärzten weiterhin die selbstbestimmte Berufsausübung zu.
Dr. Christoph Polkowski: Die Resolution für Demokratie, Pluralismus und Menschenrechte war ein wichtiges Signal der Ärzteschaft. Die Landesärztekammer Hessen wird sich weiter um das Thema Verbundweiterbildung kümmern müssen. Hierzu gab es mehrere Beschlüsse.
Jutta Willert-Jacob: Neben der Entbudgetierung der hausärztlichen Vergütung, die Ablehnung von Primärversorgungszentren durch Öffnung der Level Ii Krankenhäuser für die hausärztliche Versorgung, begrüße ich den Trend zur Patientensteuerung durch ein verbindliches Primärarztsystem, das auch die Facharztschiene entlasten würde. Das erhält uns hoffentlich die hausärztliche Versorgung in Hessen und macht diese attraktiver für den medizinischen Nachwuchs. Die Forderung des Ärztetages nach Einrichtung gemeinsamer und vernetzter Leitstellen im ÄBD (Fon 116117) und des Rettungsdienstes (Fon 112) ist wünschenswert und wird in Hessen bereits ausgearbeitet.
4. Wurde das Schwerpunktthema ärztliche Fort- und Weiterbildung auf dem 128. DÄT zu Ihrer Zufriedenheit behandelt?
Dr. Susan Trittmacher: Zumindest wurde die ärztliche Weiterbildung als Schwerpunktthema behandelt – endlich! Die notwendigen Anpassungen (zunehmende Ambulantisierung der Behandlung vieler Erkrankungen; Weiterbildungsstellen vor dem Hintergrund der Krankenhausreform einerseits und dem Fachkräftemangel andererseits; u. a. m.) wurden diskutiert und durch erste Beschlüsse auf den Weg gebracht. Fortsetzung dringend empfohlen!
Dr. H. Christian Piper: Ja, sowohl mit der Novelle der Fortbildungsordnung wie mit dem konkreten Auftrag, die Muster-WBO zu verschlanken. Forderungen nach Bürokratieabbau, Qualitätsverbesserung im Miteinander von Weiterzubildenden und Weiterbildern und Erleichterungen beim eLogbuch wurden heiß diskutiert und angenommen. Und: Neue Ansätze zur Finanzierung der Weiterbildung für alle Facharztgebiete werden als „sine qa non“-Thema verfolgt.
Dr. Detlev Steininger: Teils, teils. Das Thema wurde breit aufgerollt, eine ausreichende Aussprache über Konfliktbereiche konnte aus Zeitmangel nicht stattfinden.
Petra Hummel-Kunhenn: Die ärztliche Fort- und Weiterbildung wurde in vielen Themen diskutiert, manche aus meiner Sicht zu knapp, andere sehr intensiv. Den Beschluss zu einer Anpassung der Weiterbildungszeit an EU-Mindeststandards sehe ich als Allgemeinmedizinerin kritisch, aber er ist auch für viele weitere Fachgebiete relevant.
Yvonne Jäger: Endlich war die Diskussion auch einmal offen für die uns in der Realität begegnenden Probleme. Die Erkenntnis, dass die Weiterbildung überladen ist, setzt sich langsam durch, das scheint aufgrund diverser Verordnungen jedoch nur mühsam zu ändern zu sein.
Dr. Lars Bodammer: Das Thema eLogbuch wurde intensiv besprochen. Ich halte es für wichtig, dass für eine gute Weiterbildung und vor allem für eine zuverlässige Evaluation und stetige Verbesserung das eLogbuch weiter verbessert wird.
Michael Andor: Nein. In diesem Bereich sollte statt Kontroversen und berufspolitischen Mehrheiten besser Sachverstand walten.
Dr. Jörg Focke: Hierzu erfolgte ein Bericht über die Evaluation der Weiterbildung und über die Fort- und Weiterentwicklung des eLogbuchs. Aktuell wird dazu eine App entwickelt, wo auch noch Testanwender gesucht werden. Die Weiterentwicklung des eLogbuchs ist dringend geboten. Das ist eine gute Rückmeldung.
Dr. Michael Weidenfeld: Ja, ausreichend. Wichtig für uns ist die neue Fortbildungsordnung. Sehr wichtig ist es auch, die gesetzlichen Hürden für eine sektorenverbindende ärztliche Weiterbildung zu beseitigen und eine suffiziente finanzielle Förderung sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich zu etablieren. Für die Zeit der ärztlichen Weiterbildung müssen daher insbesondere die Regelungen zur Arbeitnehmerüberlassung überprüft und entsprechend angepasst werden.
Dr. Wolf Andreas Fach: Die Weiterbildungsordnung 2018 wurde aktualisiert, gleichzeitig die Fortentwicklung der WBO eingeleitet. Weiterbildung muss qualitativ verbessert, intensiviert und evaluiert werden. Gleichzeitig sind Weiterbildungszeiten zu flexibilisieren, um Erziehungszeiten und Sorge-Zeiten zu ermöglichen. Weiterbildung muss sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich adäquat finanziert werden, das gilt besonders für den ambulanten fachärztlichen Bereich. Eine nicht-ärztliche Einflussnahme muss dabei ausgeschlossen werden. Die Weiterentwicklung der ärztlichen Fortbildung wurde leider thematisch nicht vertieft.
Dr. Nils Lenz: Keineswegs. Von insgesamt 39 Anträgen zum Thema ärztliche Fort- und Weiterbildung wurden lediglich 14 angenommen. 14 weitere Anträge wurden an den Vorstand überwiesen, sieben wurden abgelehnt und mit vier Anträgen wurde sich nicht befasst. Besonders bemerkenswert und bitter finde ich, dass sich mit allen Anträgen zum Thema Weiterentwicklung der ärztlichen Fortbildung nicht befasst wurde.
Jutta Willert-Jacob: Leider wurde die Nachwuchsförderung und die Erhöhung von Medizinstudienplätze nicht mit der notwendigen Intensität behandelt, wie es nötig gewesen wäre. Insbesondere die Problematik bei der Ambulantisierung der Krankenhäuser hat verschiedene Auswirkungen auf die Ausbildungsinhalte: durch neue Ausbildungsstrukturen (enge Kooperationen von Krankenhäuser mit ambulanten Strukturen, um Ausbildungsplätze und Rotationen zu ermöglichen), durch veränderte Lernumgebungen (denn die Vielfalt der Patienten und der Krankheitsbilder im ambulanten Setting macht auch die Ausbildung vielseitiger), durch neue organisatorische Aspekte, und auch ethische und rechtliche Aspekte, die gar nicht angesprochen worden sind.
Dr. Christoph Polkowski: Positiv fand ich, dass in der Dialogveranstaltung für junge Ärztinnen und Ärzte die breite Palette an Aspekten, die mit der Weiterbildung in Zusammenhang stehen, diskutiert wurde. Leider gab es zu wenig konkrete Lösungen für die Probleme der Weiterbildung – vielleicht dann nächstes Jahr in Leipzig!?
5. Wie empfanden Sie den Sachstandsbericht und die Diskussionen zum Thema Personalbemessungstool?
Petra Hummel-Kunhenn: Da ich dieses Thema aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit in einer Einzelpraxis bisher nur von außen betrachten kann, bin ich über die Informationen, welche ich erhalten habe dankbar, und fühle mich jetzt zur ÄPS-BÄK informiert.
Yvonne Jäger: Endlich ist das Thema auch in der Politik angekommen. Gute Qualität und suffiziente Versorgung geht nur mit ausreichendem und vollständig refinanziertem Personal – auch im ärztlichen Bereich. Die Zeiten von „irgendwie geht’s schon weiter“ sind vorbei.
Dr. Wolf Andreas Fach: Konstruktiv und notwendig.
Jutta Willert-Jacob: Das von der Bundesärztekammer entwickelte System (ÄPS-BÄK) soll im Rahmen der Krankenhausreform eine ausreichende Ausstattung der Krankenhäuser mit Ärztinnen und Ärzten gewährleisten. Für ausführlichere Erklärungen fehlte leider die Zeit.
Dr. Lars Bodammer: Es wurde übersichtlich und konkret über den aktuellen Stand und die zeitliche Umsetzung berichtet. Für mich hat es verdeutlicht, dass wir mit dem Personalbemessungstool nicht nur in den Kliniken für weniger Willkür der Geschäftsführung sorgen können, sondern auch der Politik Mittel an die Hand geben können, gesetzliche Vorgaben für eine Versorgungssicherung zu etablieren.
Michael Andor: Teuer und zweischneidig. Dies geht über den Gesetzesauftrag der Kammer hinaus.
Dr. Jörg Focke: Die Präsentation der Sachstandsberichte war insgesamt ausführlich und informativ. Die Diskussion empfand ich als respektvoll und konstruktiv.
Dr. Detlev Steininger: Interessant, aber nur für den stationären Bereich.
Dr. H. Christian Piper: Das neue Planungsinstrument ist offensichtlich nicht nur sehr gut überlegt, sondern schon mit strukturierten Erprobungen schnell weitergekommen. Sogar das Bundesministerium ist in die Bewertung eingestiegen; im Blick auf seine angedachten Reformen und unter dem Druck des zunehmenden Fachkräfte- und Facharztmangels. Chapeau den Autoren!
Dr. Michael Weidenfeld: Sehr informativ und spannend. Ich bin mal gespannt, was daraus wird. Aber der 128. Deutsche Ärztetag hat gefordert, dass das Ärztliche Personalbedarfsbemessungssystem der Bundesärztekammer (ÄPS-BÄK) im Rahmen des KHVVG gesetzlich verankert werden soll.
Dr. Christoph Polkowski: Das Personalbemessungstool der Bundesärztekammer gewinnt durch die geplante Krankenhausreform noch mal deutlich an Bedeutung. Es könnte der Weg sein, um von willkürlicher Stellenzuteilung und -kürzung wegzukommen und eine objektive Grundlage für das Thema „Personalmangel“ schaffen. Zusätzlich hilft es bei der Frage, welche Tätigkeiten in Zukunft ärztliche Aufgabe sein sollen und was ggf. delegiert werden kann.
6. Wie lautet Ihr Fazit des 128. Deutschen Ärztetages?
Petra Hummel-Kunhenn: Ich war das erste Mal als Beobachterin auf einem Deutschen Ärztetag. Ich konnte einen guten Eindruck über die Arbeit auf dem Ärztetag und Einblicke in viele Themen gewinnen und fühle mich auf eine Tätigkeit als Ersatzdelegierte/Delegierte vorbereitet, da ich die Aufgaben der Delegierten und die Abläufe kennenlernen konnte.
Dr. Lars Bodammer: Im Vergleich zu anderen Ärztetagen haben wir relativ unaufgeregt die aktuellen Themen der Ärzteschaft abarbeiten können. Angesichts der prekären wirtschaftlichen Lage in Kliniken und absehbar auch im ambulanten Bereich wünschte ich mir aber mehr Aufmerksamkeit in der Politik und der allgemeinen Presse für unsere Belange.
Yvonne Jäger: Der Deutsche Ärztetag war geprägt von lebendigen, meist zielführenden, aber immer von gegenseitigem Respekt getragenen Diskussionen. Hier wurden Demokratie und Pluralität gelebt.
Michael Andor: Der Primärarzt kommt.
Dr. H. Christian Piper: Es wurde parlamentarisch hart gearbeitet und oft konstruktiv und weiterführend aus dem Plenum gesprochen. Leider immer noch mit vielen Redundanzen in Wortbeiträgen von einigen „Immer-dabei-Diskutanten“. Organisatorisch ist deutliches Verschlanken zu wünschen, was jetzt beim Änderungsversuch der Geschäftsordnung auf Grund lief. So werden wir öffentlich eher weniger statt mehr Wucht für die Argumente der Ärzteschaft erleben. Dazu braucht es neue Performance-Ideen.
Dr. Detlev Steininger: Ein breiter Austausch der für diesen Ärztetag gewählten Vertreter der deutschen Ärzteschaft mit einem breiten Meinungsspektrum.
Dr. Michael Weidenfeld: Für mich wichtige Schlagworte, mit denen ich mich weiter auseinandersetzen werde, sind: Primärarztversorgung oder hausärztliche Primärversorgungszentren; Maßnahmen zur Patientensteuerung sind notwendig; nach der Endbudgetierung der Hausärzte ist jetzt auch die Endbudgetierung der Fachärzte notwendig. Eine Auflösung der durch Eigentümer ambulant geführten Facharztpraxen halte ich für falsch.
Dr. Nils Lenz: Zu viele Formalien. Der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den einzelnen Anträgen wurde zu wenig Zeit eingeräumt. Ein umfassendes Bild über alle Anträge zu erhalten, war schier unmöglich.
Dr. Wolf Andreas Fach: Zwiespältig. Einstimmige Resolution für Demokratie, Pluralismus und Menschenrechte. Entwicklung vieler Gemeinsamkeiten innerhalb des ärztlichen Handelns wie z. B. dem Thema Weiterbildung. Ohnmächtig gegenüber einer planmäßigen Staatsmedizin á la Schmidt, Lauterbach und Adepten.
Jutta Willert-Jacob: Der Ärztetag bietet immer die Möglichkeit zu Austausch und Vernetzung – über alle Landesgrenzen hinweg. Dabei kommt es auch zu Diskussionen, die für viele sehr inspirierend sind.
Dr. Christoph Polkowski: Es war eine tolle Erfahrung, das erste Mal als Abgeordneter dabei zu sein. Aufgrund der Fülle an Themen kommt die Diskussion leider teilweise zu kurz. Entscheidend ist, wie immer, was am Ende dann auch umgesetzt wird.
Katja Möhrle, Lukas Reus, Isolde Asbeck