„Von Beruf wichtig“ – so ist eine aktuelle Initiative von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung überschrieben, die über den Beruf der Medizinischen Fachangestellten informiert. Sie sind die wichtigsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Arztpraxen und zunehmend auch in Kliniken. Vor 50 Jahren wurden sie noch „Arzthelferinnen“ genannt. Mit Weitblick begann sich die hessische Ärzteschaft, 1974 für ihre Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zu engagieren. Die Überzeugung, gut ausbilden und berufsbegleitend fortbilden zu müssen, um qualifiziertes Praxispersonal einstellen zu können, führte in der Delegiertenversammlung am 14. Dezember 1974 zum Beschluss, die Carl-Oelemann-Schule (COS) zu gründen. Durch die Bildungsmaßnahme Überbetriebliche Ausbildung wurde die Schule von Bund und Land als förderwürdig anerkannt und erhielt finanzielle Fördermittel für den Bau und die Inneneinrichtung des ersten Schul- und Internatsgebäudes, das im Oktober 1976 eröffnet wurde.
Ist eine Bildungseinrichtung mit 50 Jahren noch jung?
Schaut man auf die vielen Veränderungen und Neuerungen wird deutlich, dass nie Zeit für Stillstand blieb, so dass die Frage im Auge des Betrachters liegt. Die COS ist reich an Erfahrung und begegnet mit ihrem umfangreichen, sich ständig aktualisierendem Unterrichtsangebot den neuen Herausforderungen. Bereits zum 40. Geburtstag wurden Meilensteine aus der Geschichte der COS im Hessischen Ärzteblatt veröffentlicht (HÄBL 12/2014, S. 713). Dazu zählten die Schilderung, wie sich die Schule mit dem Beruf der Arzthelferin weiterentwickelte, der Umzug in das Seminargebäude mit neuen Fachräumen und die sich verändernden Anforderungen in der Aus- und Fortbildung von Medizinischen Fachangestellten. Bereits 2005 hatte die COS begonnen, mit E-Learning-Formaten zu arbeiten – ein großer Schritt in eine neue Bildungslandschaft.
Von der Kreidetafel zur digitalen Medienwelt
Frisch und modern präsentierten sich die Lehrräume 1976 im neuen Schul- und Internatsgebäude. Damals zählte u. a. die Labortätigkeit zu den wichtigen Aufgaben von Arzthelferinnen. In Neubauer-Zählkammern wurden Leukozyten gezählt, Blutausstriche erstellt, gefärbt und anschließend unter dem Mikroskop die Zellen ausgezählt. Auch die Bedienung einer Zentrifuge war ein weiterer wichtiger Lerninhalt. In den Schulungsräumen wurden die Blutzellen noch mit Farbkreide an die Wand gemalt, die Lernskripte mit Schreibmaschine erstellt, die Zeichnungen handgemalt, anschließend eingeklebt und vervielfältigt. Dabei kam es u. a. darauf an, eine Überhitzung des Kopierers zu vermeiden. Alles war auch zu jener Zeit auf dem aktuellsten Stand und die pädagogischen Konzepte wurden kontinuierlich weiterentwickelt.
1986 dann ein weiterer wichtiger Meilenstein: Damals wurde die Ausbildungsverordnung für die Berufsausbildung zum/zur Arzthelfer/in geändert. Die bisher zweijährige Berufsausbildung dauerte fortan drei Jahre. Damit erhöhte sich zugleich die Auslastung der COS: Die Auszubildenden kamen nun drei Wochen zur Überbetrieblichen Ausbildung nach Bad Nauheim. Entsprechend den neuen Anforderungen wurden die Lehrpläne verändert und die Ausstattung in den Fachräumen erweitert.
Parallel erweiterte sich auch der Fortbildungsbereich. Neben eintägigen Fortbildungsangeboten und dem Lehrgangsangebot Arztfachhelferin, sah sich die COS 1988 mit dem Bedarf konfrontiert, Lehrgänge zum Erwerb der Kenntnisse im Strahlenschutz für Arzthelferinnen anzubieten. Aufgrund der hohen Teilnahmezahl wurden die Lehrgänge zunächst dezentral durchgeführt und ab 1991 zentral in den Räumen der Schule. Die Anforderungen an die Lehrgänge machten es notwendig, zwei Räume mit einer Röntgenanlage auszustatten.
Anfang der 1990er-Jahre eroberte die EDV zunehmend die Praxiswelt. Mit der Folge, dass Arzthelferinnen ein neues berufliches Wissen benötigten. Die Landesärztekammer reagierte auf die Entwicklung und richtete in der COS Mitte der 90er den ersten EDV-Raum ein.
Auch der Verwaltungsbereich wurde mit neuer Technologie ausgestattet. 1996 führte die COS die erste Kurs- und Teilnehmerverwaltungssoftware ein – ein weiterer Meilenstein auf dem Weg in die Zukunft.
Neben der Erweiterung sowie Einführung neuer medizinischer und technischer Ausstattungen wurden parallel weitere Lernangebote konzipiert (u. a. Seminare für Umschüler) und die ersten Curricula der Bundesärztekammer umgesetzt, so 1996 der 120-stündige Lehrgang „Onkologie“. Der Overheadprojektor war damals wichtigstes Visualisierungsmedium.
Bildungsbetrieb mit Internat und Verpflegung
Zusätzlich zum Bildungsbetrieb gehörte der Internatsbetrieb mit Verpflegungsbereich zur Abteilung der COS. An- und Abreisen, Reinigung der Übernachtungszimmer und die tägliche Zubereitung von drei Mahlzeiten bestimmten den Arbeitsalltag der Mitarbeitenden.
Neben dem Schul- und Internatsgebäude der COS zählten die Kongresshalle, das Akademiegebäude und ein (seinerzeit) einstöckiges Seminargebäude zum Bildungsstandort der Landesärztekammer Hessen in Bad Nauheim. Allerdings waren die Gebäude zwischenzeitlich in die Jahre gekommen, so dass die Entscheidung für eine Modernisierung getroffen wurde. Diese war so umfassend konzipiert, dass der Schulbetrieb mit Verwaltung im Jahr 2000 im neu geplanten Seminargebäude untergebracht werden sollte. Erneut erhielt die Landesärztekammer Hessen für die Ausstattung der Fach- und Büroräume Fördergelder aus Bundes- und Landesmitteln. Am 30.08.2002 fand die Eröffnungsfeier des heutigen Seminargebäudes statt.
Wo zu jener Zeit die Kongresshalle stand, steht heute ein mehrstöckiges Wohnhaus. Der Sitzungssaal und die Tagungsräume, die sich in der Kongresshalle befanden, wurden bedarfsgerecht angepasst und in das heutige Seminargebäude integriert.
Von der Arzthelferin zur Medizinischen Fachangestellten
Die neuen Fachräume erlaubten es der COS, die Überbetriebliche Ausbildung didaktisch-methodisch vollständig zu modernisieren. Noch während des Überarbeitungsprozesses gingen die ersten Meldungen vom geplanten Novellierungsverfahren der Berufsausbildungsverordnung ein. Mit der Verordnung über die Berufsausbildung Medizinische Fachangestellte trat die Änderung 2006 in Kraft. Die COS war bereits gerüstet und konnte die neuen Lehrpläne zügig mit vielfältigen fachpraktischen Übungen umsetzen.
Die Verordnungsänderung brachte aber noch weitere Neuerungen mit sich. So änderte sich die Prüfungsanforderung für die Auszubildenden. Während andere Ärztekammern durch die Anmietung von Räumen in Arztpraxen nach Lösungen zur Durchführung der Abschlussprüfung Praktischer Teil suchten, hatte die Landesärztekammer Hessen damit kein Problem. Die COS verfügte bereits über eine Ausstattung, die es ermöglichte, den Prüfungsanforderungen zu entsprechen und darüber hinaus allen Auszubildenden auch eine vergleichbare Prüfungssituation anbieten zu können. Über 1.000 Auszubildende werden jährlich, über insgesamt neun Kalenderwochen, in vier bis sieben Fachräumen geprüft.
Auch zu diesem Zeitpunkt lag der Blick der COS nicht alleine auf der Berufsausbildung. Im Fortbildungsbereich wurden u. a. der Qualifizierungslehrgang „Betriebsmedizinische Assistenz“ (2005) und „Qualitätsmanagement“ (2006) entwickelt, die Lehrgänge „Kenntnisse im Strahlenschutz“ (2006) wurden umstrukturiert und die LÄKH/COS beteiligte sich am Projekt LearnArt (Multimediale Lerneinheiten zur aktiven und reaktiven Nutzung im Arzthelferinnen-Training). Das vom Bundesinstitut für Berufsbildung geförderte Projekt hatte eine Laufzeit von 2004 bis 2007. In der COS wurde die Lernplattform Ilias eingeführt.
Vorreiterin auf dem Gebiet des E-Learning
Im allgemeinen Bildungsgeschehen wurde E-Learning damals noch wenig bis gar nicht wahrgenommen. Auch der COS schlug Ablehnung gegen dieses Lernformat entgegen. Daher wurde entschieden, nur in wenigen, ausgewählten Fortbildungen und im geringen zeitlichen Umfang Telelernphasen anzubieten. Hierzu zählte u. a. die Aufstiegsfortbildung Fachwirt/in für ambulante medizinische Versorgung, die 2009 von der Bundesärztekammer novelliert wurde (ehemals Fortbildung zur Arztfachhelferin) und an deren Neuordnung auch wieder die Landesärztekammer Hessen/COS aktiv mitgearbeitet hat.
Neben den vielfältigen Aktivitäten in den Bildungsbereichen musste die COS auch das Vorhaben „Neubau Internatsgebäude“ bewältigen. So war es während der Bauphase notwendig, die Auszubildenden in den Lehrgangswochen Überbetriebliche Ausbildung in Wohncontainern mit Mehrbettzimmern und Gemeinschaftsduschen unterzubringen. Eine ganz besondere Herausforderung, da nicht alle Auszubildenden mit den sehr einfachen Übernachtungsbedingungen zurechtkamen.
Professionalisierung und Zertifizierungen
Anfang 2008 wurde das Gästehaus der Carl-Oelemann-Schule eröffnet. Erneut erhielt die LÄKH für das Gebäude und die Ausstattung Fördergelder von Bund und Land. Im Laufe der kommenden Jahre konnten durch das Casino und die Cafeteria neue Abläufe implementiert werden; so wurde beispielsweise die Verpflegung für die COS und die Akademie zusammengeführt und standardisiert. Das Leistungsspektrum in diesem Bereich wurde insgesamt professionalisiert – mit großem Erfolg: Im Jahr 2016 erfolgte eine Zertifizierung durch die Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Jährlich werden ca. 45.000 Mahlzeiten zubereitet. Die Anzahl an Übernachtungsgästen pro Jahr liegt bei 11.600.
Bereits 2011 war die COS nach DIN EN ISO 9001:2008 zertifiziert worden. Die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems war für die Schule von großem Nutzen. Durch die Neustrukturierung und Dokumentation von Prozessen konnten Personalressourcen gewonnen werden, die in den folgenden Jahren benötigt wurden, um die wachsende Auslastung zu bewältigen.
Breite Angebotspalette
Die Jahre seit 2011 waren geprägt durch didaktische-methodische Entwicklungs- arbeit und Neueinführungen basierend auf übergeordneten Beschlüssen, wie beispielsweise die Qualifizierungslehrgänge „Nichtärztliche Praxisassistenz (NäPA)“ mit 270 Stunden, „Aufbereitung von Medizinprodukten“ (24 Stunden) und Mitteilungen von Fortbildungsbedarfen wie „Ernährungsmedizin“ (120 Stunden), „Kardiologie“ (120 Stunden), „Arbeitsmedizin/Betriebsmedizin“ (120 Stunden), um nur einige zu nennen.
Neben ein- bis mehrtägigen Fortbildungen können Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus vielen Qualifizierungslehrgängen wählen, die berufliche Handlungskompetenzen vertiefen und auch auf die Übernahme delegationsfähiger ärztlicher Leistungen ausgerichtet sind. Ob Fachkraft für Impfmanagement, Neurologie/Psychiatrie, Palliativversorgung oder eine andere Spezialisierung: Die verschiedenen an der COS angebotenen Curricula entsprechen dem von Bundesärztekammer und den Ärztekammern entwickelten systematischen und modularen Bildungskonzept. Für Medizinische Fachangestellte, die eine Führungsposition anstreben, bietet sich die anspruchsvolle Aufstiegsfortbildung „Fachwirt/in für ambulante medizinische Versorgung“ zur persönlichen Weiterentwicklung an.
Auch die Angebote für die Auszubildenden wurden ergänzt und erweitert. So stehen derzeit acht unterschiedliche Prüfungsvorbereitungskurse mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten zur Lernunterstützung zur Verfügung.
Für einen Beruf mit Zukunft
Ein lebendiger und verantwortungsvoller Beruf mit Zukunft: Mit ihrem breit gefächerten Angebot bietet die COS jungen Menschen die Möglichkeit, sich für die unterschiedlichen Anforderungen des MFA-Berufs zu qualifizieren und fortzubilden. Mit dem Ziel, dass Medizinische Fachangestellte Ärztinnen und Ärzten auch in Zukunft erfolgreich bei ihren komplexen und sich verändernden Versorgungsaufgaben unterstützen und entlasten können.
Dipl. Med.-Päd. Silvia Happel, Schulleiterin Carl-Oelemann-Schule, E-Mail: verwaltung.cos@laekh.de
Biografisches
Silvia Happel (Dipl. Med.-Päd.) leitet seit Januar 2007 die Carl-Oelemann-Schule der Landesärztekammer Hessen. Zuvor war Happel bereits sieben Jahre die stellvertretende Schulleiterin. Nach ihrem Abitur 1986 absolvierte sie zunächst eine Ausbildung zur Arzthelferin. Nach zwei Jahren im Beruf wechselte Happel 1991 zur Landesärztekammer Hessen. Nach einer Weiterbildung zur Arzt-Fachhelferin schloss sie im Jahr 2000 ein Studium zur Diplom-Medizinpädagogin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ab. Happel ist neben ihrer über 24-jährigen Leitungstätigkeit an der Carl-Oelemann-Schule seit 2015 Mitglied im Ausschuss Medizinischer Fachberufe der Bundesärztekammer sowie Gutachterin und Mitglied in verschiedenen Projektbeiräten des Bundesinstituts für Berufsbildung.
Fortbildungstag am 17. Mai 2025
Die offizielle Festveranstaltung „50 Jahre Carl-Oelemann-Schule“ am 17. Mai 2025 wird umrahmt durch einen Fortbildungstag, der unter dem Motto „Wissen und Handeln“ steht. Angeboten werden zahlreiche Fortbildungen und Workshops mit verschiedenen Themenschwerpunkten für MFA, Auszubildende zu MFA und Praxisteams. Über die genauen Termine und Möglichkeiten zur Anmeldung informiert die COS rechtzeitig auf ihrer Website.