Bekanntlich bedürfen ärztliche Heileingriffe grundsätzlich der Einwilligung des Patienten, um rechtmäßig zu sein. Die wirksame Einwilligung des Patienten setzt dabei dessen ordnungsgemäße Aufklärung voraus. Diese soll ihm eine zutreffende Vorstellung davon verschaffen, worauf er sich einlässt, wenn er der Behandlung zustimmt und ihn dadurch in die Lage versetzen, über die Inkaufnahme der mit ihr verbundenen Risiken frei zu entscheiden. In Betracht kommende Risiken müssen nicht exakt medizinisch beschrieben werden; ausreichend ist, den Patienten „im Großen und Ganzen“ über Chancen und Risiken der Behandlung aufzuklären und ihm dadurch eine allgemeine Vorstellung vom Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren zu vermitteln, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern. Obwohl diese Grundsätze in der Ärzteschaft allgemein bekannt sein dürften, nehmen Haftungsfälle aufgrund unzureichender Aufklärung zu. [1]

1. Risikoaufklärung

Im Rahmen der Risikoaufklärung kommt es bei Fragen nach der Risikohäufigkeit auf die Schwere der möglichen Risiken einerseits und auf die entsprechende Häufigkeit der möglichen Realisierung des Risiko andererseits an. Je gravierender sich ein Risiko darstellt, je belastender die potenziellen Folgen sind, umso geringere Wahrscheinlichkeiten des Risikoeintritts genügen. Pauschale Aussagen lassen sich hierzu aber nicht treffen. Im Fall des OLG Nürnberg [2] war die Möglichkeit einer Komplikation als „sehr, sehr gering“ bei einer de facto Eintrittshäufigkeit bis zu 4 % beschrieben worden. Im Hinblick auf eine drohende Nervverletzung mit entsprechenden Beweglichkeitseinschränkungen erachtete der Senat die Risikoaufklärung als unzureichend und verfehlt.

2. Aufklärung über Behandlungsalternativen

Das OLG Hamm [3] unterstreicht die bisherige Rechtsprechung, wonach zu einer ordnungsgemäßen Aufklärung auch gehört, dass dem Patienten unaufgefordert Kenntnis über Behandlungs-alternativen verschafft werden muss, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten.

3. Aufklärung über Neulandmethode

Die Aufklärung im Zusammenhang mit sogenannten Neulandmethoden unterliegt besonderen Anforderungen. Maßgeblich ist die Abgrenzung, wann von einer Neulandmethode gesprochen werden kann. Die Abgrenzung hängt davon ab, ob die behandelte Seite nach objektiven Maßstäben unter Wahrung der berechtigten Sicherheitsinteressen des Patienten bei Anwendung der Methode ex ante mit der ernsthaften Möglichkeit rechnen musste, dass die Methode von den anderen etablierten Methoden so abweicht, dass mit ihr weitere, unbekannte Risiken verbunden sein können. [4]

4. Rechtzeitige Aufklärung und Einwilligung

Ein Schwerpunkt der aktuellen Rechtsprechung [5] betrifft die Frage der Rechtzeitigkeit von Aufklärung und Einwilligung. Nach § 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB hat die Aufklärung so rechtzeitig zu erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann, wobei die höchstrichterliche Rechtsprechung an die Grundsätze zur Selbstbestimmungsaufklärung anknüpft. Unabdingbar ist mithin eine Aufklärung, die so rechtzeitig erfolgt, dass der Patient durch ausreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Umstände seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahrnehmen kann. Hierbei existiert kein starrer Zeitraum zwischen Aufklärung und Einwilligung, sondern es besteht eine gewisse Flexibilität, abhängig von Eingriff und individueller Sachlage, so der BGH. [6]

Bis zu diesem Urteil hatten die Instanzgerichte versucht, den Zeitrahmen zwischen Aufklärung und Einwilligung abzuwägen, der ihnen angemessen erschien. Nach der neuen Rechtsprechung liegt es allein in der Entscheidung des Patienten, ob und wann er nach ordnungsgemäßer und rechtzeitiger Aufklärung seine Einwilligung erteilt oder versagt. Er kann seine Einwilligung unmittelbar nach dem Aufklärungsgespräch erteilen oder aber sich eine Bedenkzeit ausbitten. Etwas anderes mag dann gelten, wenn der Patient zwar in die Behandlung einwilligt, ärztlicherseits aber erkennbar ist, dass er noch Zeit für eine Entscheidung benötigt. Das OLG Frankfurt [7] hat entgegen einer Entscheidung des OLG Bremen [8] in Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung des BGH unterstrichen, dass die Einwilligung auch unmittelbar im Anschluss an die Aufklärung nicht per se unwirksam ist. Die Einwilligung nach einer Verlaufsaufklärung kann sogar noch am Operationstag rechtzeitig erfolgen [9], wobei der Patient während der Einwilligungserklärung keineswegs schon sediert sein oder auch unter Druck („Das ganze OP-Team wartet schon auf Sie!“) stehen darf.

5. Aufklärende Person

§ 630e Abs. 2 Nr. 1 BGB bestimmt die Person des bzw. der Aufklärenden. Danach muss die Aufklärung durch den Behandelnden oder durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt. Bislang bestand lediglich Einigkeit darüber, dass die Aufklärung durch einen Arzt zu erfolgen hat. Ungeklärt blieb, ob die Aufklärung gegebenenfalls durch einen Facharzt erfolgen muss. Im Hinblick auf mögliche Komplikationen eines Eingriffs fordert das OLG Hamm [10] nun keine Facharztkenntnisse, der aufklärende Arzt muss aber in der Lage sein, besondere Risiken zu vermitteln die mit dem anstehenden Eingriff verbunden sind. [11] Verfügt der aufklärende Arzt nicht über den entsprechenden Kenntnisstand, bleibt die Aufklärung unwirksam.

6. Hypothetische Einwilligung

Der Behandelnde hat bekanntlich zu beweisen, dass er vor dem Eingriff die Einwilligung eingeholt und entsprechend aufgeklärt hat. Genügt die Aufklärung nicht den Anforderungen des § 630e BGB, kann der Behandelnde sich darauf berufen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte (sog. hypothetische Einwiligung nach § 630h Abs. 2, S. 2 BGB). Für diese Behauptung ist die ärztliche Seite aber erst dann beweisbelastet, wenn der Patient zur Überzeugung des Tatrichters plausibel macht, dass er – wäre er ordnungsgemäß und vollständig aufgeklärt worden – vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte. [12]

Vom Patienten nicht zu verlangen ist dagegen, dass er plausibel macht, er hätte sich im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung tatsächlich gegen die durchgeführte Maßnahme entschieden. Der Patient muss lediglich einen echten Entscheidungskonflikt, nicht hingegen ein anderes Entscheidungsergebnis im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung plausibel machen. Maßgeblich ist insoweit allein die persönliche Entscheidungssituation des betroffenen Patienten in einer ex-ante-Sicht, nicht hingegen, ob ein „vernünftiger“ Patient dem entsprechenden ärztlichen Rat gefolgt wäre.

Dr. jur. Thomas K. Heinz, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, E-Mail: dr.heinz@freenet.de

Die Literaturhinweise finden Sie hier.