Sophie Zieschang, Prof. Dr. med. David Czock, Prof. Dr. med. Martin Zeier, Prof. Dr. med. Claudia Sommerer
Kurzfassung eines Artikels aus „Arzneiverordnung in der Praxis“, siehe unten.
Die hohe Prävalenz von klinisch relevanten Funktionseinschränkungen [1] verlangt, die Dosierung von gängigen Antiinfektiva bei Niereninsuffizienz zu kennen. Daher soll eine Zusammenfassung über die Dosierung der wichtigsten peroralen Antibiotikaklassen bei den verschiedenen Stadien der chronischen Niereninsuffizienz gegeben werden.
Die meisten Dosierungsempfehlungen für Niereninsuffizienz gelten für die KreatininClearance (CrCl) berechnet mit der Cockcroft-Gault-Formel [2]. Diese Formel hat den Vorteil, dass das Körpergewicht des Patienten in die Berechnung miteinbezogen wird und damit eine Schätzung in ml/min erfolgt. Es ist einschränkend zu beachten, dass eine leichte Nierenfunktionseinschränkung oft noch im „kreatininblinden“ Bereich ohne erhöhtes Serumkreatinin liegt. Bei den weit verbreiteten MDRD- oder CKD-EPI-Formeln zur Schätzung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) werden die Werte auf eine durchschnittliche Körperoberfläche von 1,73m2 normalisiert (Einheit ml/min/1,73m2). Dies ist zur Diagnose einer chronischen Nierenerkrankung sinnvoll („kleine Menschen haben kleine Nieren“). Theoretische Argumente sprechen aber dafür, einen absoluten Wert in ml/min nach der CrCl für die Arzneimitteldosierung zu verwenden. Die Ergebnisse der eGFR nach MDRD- oder CKDEPI-Formel stehen jedoch meistens automatisch durch das Labor bereit und müssen nicht noch selbst berechnet werden. Im Grenzfall sollte eine Recherche bezüglich der zugrunde liegenden Formel bei den zugelassenen Dosisempfehlungen sowie eine klinische Abwägung für den einzelnen Patienten erfolgen.
Im akuten Nierenversagen gilt größere Vorsicht. Es kommt zu starken Schwankungen der glomerulären Filtrationsrate kommen und eine Berechnung mit den genannten Formeln ist nicht zuverlässig, da sich das Serum-Kreatinin nicht im „Steady-State“ befindet. Anurische Patienten haben natürlich (trotz rechnerisch nach noch nicht angestiegenem Kreatininwert meist höher geschätzter GFR) effektiv eine GFR von 0 ml/min.
Generell sollten bei Nierenfunktionseinschränkung Substanzen ohne Nephrotoxizität sowie mit großer therapeutischer Breite gewählt werden. Wegen steigender Resistenzentwicklungen ist dies nicht immer möglich [5]. Mögliche Nebenwirkungen durch Überdosierung sowie Nephrotoxizität stehen der Gefahr der Unterdosierung bei zu ausgeprägter Dosisanpassung gegenüber. Bei schwer kranken Patienten sollte man die antiinfektive Therapie eher im oberen möglichen Dosierungsbereich verabreichen. Ist der Patient dialysepflichtig, sollten Antibiotika gewählt werden, für die es Dosierungsempfehlungen mit Bezug zur Elimination an Hämo- bzw. Peritonealdialyse gibt.
Unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW)
Besondere Vorsicht ist bei potenziell nephrotoxischen Medikamenten geboten, wie zum Beispiel Aminoglykosiden. Manche Medikamente könne eine Nierenschädigung über andere Mechanismen hervorrufen [6]. Eine interstitielle Nephritis, nicht selten unter ß-Lactamen beobachtet, wird allergisch hervorgerufen wird [7]. Neben dem Klassischen Anstieg der Retentionsparameter findet sich oft eine sterile Leukozyturie, daneben können Eosinophilie im Serum oder im Urin sowie ein erhöhtes IgE hinweisend sein. Beweisend ist eine Nierenbiopsie.
Bei Niereninsuffizienz sind auch andere UAW-Risiken zu beachten, für die Patienten mit einer vorbekannten Nierenschädigung vulnerabel sind. Vorsicht ist z. B. geboten bei Cotrimoxazol oder Trimethoprim, da diese Hyperkaliämien verursachen können
Bei Niereninsuffizienz verlängert sich die Halbwertszeit renal eliminierter Medikamente, in der erhöhen sich die Plasmaspiegel. Trotzdem sind derartige Antibiotika nicht automatisch kontraindiziert. Bei Vancomycin, aber auch bei Aminoglykosiden sollten Tal-Spiegelbestimmungen die vertretbare Dosierung begleiten. Die „Loading dose“ sollte unabhängig von der Nierenfunktion immer gleich gewählt werden (Ausnahme: Aminoglykoside bei hochgradiger Niereninsuffizienz). Die Erhaltungsdosen werden dann nach Ausmaß der Nierenfunktion oder auf Grund der gemessenen Tal-Konzentrationen angepasst.
Wirken Antibiotika eher über einen konstanten Spiegel wie zum Beispiel ß-Lactame, sollten die Dosierungsintervalle eher beibehalten und die Einzeldosis reduziert werden, um einen gleichbleibenden Plasmaspiegel oberhalb der minimalen Hemmkonzentration zu gewährleisten. Wird die Wirkung eher durch Spitzenspiegel (zum Beispiel bei Gyrasehemmern oder Aminoglykosiden) bestimmt, empfiehlt sich eher eine Verlängerung des Intervalls zur nächsten Gabe bei normaler Einzeldosis [8]. Andere Antibiotika, wie zum Beispiel Ciprofloxacin oder Ceftriaxon, werden teils renal (ca. 50 %), teils hepatisch ausgeschieden bzw. metabolisiert [8]. Hier wird eine Dosisanpassung erst bei weit fortgeschrittener Niereninsuffizienz empfohlen.
Im Folgenden wird eine Übersicht zu gängigen peroralen Antibiotika gegeben (Tab. 1). Die Dosierungen beziehen sich auf maximal zulässige Mengen pro Tag. Fett gedruckt sind Antibiotika, bei denen eine Dosisanpassung erforderlich sein kann und deshalb bei sehr schweren Infekten auch höher gewählt werden.
Generell sind bei allen in der Tabelle genannten Antibiotika Arzneimittelinteraktionen möglich. Ebenfalls können fast alle diese Medikamente interstitielle Nephritiden hervorrufen. Antibiotika, die dies besonders häufig tun, sind im Folgenden gekennzeichnet. Die absolute Häufigkeit ist jedoch gering.
Penicilline | ||||
CrCl (ml/min) | > 60 | 30–59 | < 30 | Besonderheiten |
UAW: interstitielle Nephritis | ||||
Penicillin V | 3 x 1,5 Mega* | |||
Amoxicillin | 3 x 500–1000 mg (max. 6000 mg/d) | 2 x 500 mg; < 10 ml/min: 1 x 500 mg | ||
Amoxicillin Clavulansäure | 2–3 x 875/125 mg | 2 x 500/125 mg; < 10 ml/min: 1 x 500 mg | ||
Ampicillin | 3–4 x 1000 mg (max. 6000 mg/d) | < 30 ml/min:max. 3000 mg/d; < 20 ml/min: max. 2000 mg/d | ||
Pivmecillinam | 3 x 200–400 mg | |||
* Bei schweren Fällen bzw. bei minderempfindlichen Erregern oder ungünstig gelegenem Infektionsort kann die Tagesdosis auf das Doppelte und mehr gesteigert werden. |
Makrolide | ||||
CrCl (ml/min) | > 60 | 30–59 | < 30 | Besonderheiten |
Arzneimittelinteraktionen (CYP3A4-Hemmung)* | ||||
Erythromycin | 3–4 x 500 mg (max. 4 g/d) | Kreatinin > 2 mg/dl: 3 x 500 mg (max. 2000 mg/d) | Arzneimittelinteraktion | |
Azithromycin | 1 x 500–1000 mg/d | |||
Roxithromycin | 1 x 300 mg | Arzneimittelinteraktion | ||
Clarithromycin | 2 x 500 mg | 1–2 x 250 mg | Arzneimittelinteraktion | |
* insbesondere Erythromycin, Clarithromycin, Roxithromycin |
Fluorchinolone | ||||
CrCl (ml/min) | > 60 | 30–59 | < 30 | Besonderheiten |
strenge Indikationsstellung (vermehrt Achillessehnenrupturen bei chronischer Niereninsuffizienz u. a.)* | ||||
Moxifloxacin | 1 x 400 mg | |||
Levofloxacin | 1–2 x 500 mg | initial 500 mg, dann 2 x 125 mg/d | initial 500 mg, dann 1 x 125 mg/d | |
Ciprofloxacin | 2 x 500–750 mg | 2 x 500 mg | 1 x 500 mg | Nierenversagen, Kristallurie, Hämaturie |
* Anwendungsbeschränkung (siehe Rote-Hand-Brief von 04/19) |
Cephalosporine | ||||
CrCl (ml/min) | > 60 | 30–59 | < 30 | Besonderheiten |
Cefaclor | 3 x 250–1000 mg (bis zu 4 g/d möglich) | |||
Cefuroxim axetil | 2 x 250–500 mg | 1 x tgl.; < 10 ml/min: 1 x alle 48 h | bei schweren Infektionen i. v. Therapie | |
Cefixim | 1 x 400 mg | < 20 ml/min: 1 x 200 mg | ||
Cefpodoxim | 2 x 100–200 mg | < 40 ml/min: 1 x tgl. | < 10 ml/min: 1 x alle 48 h |
Andere Klassen | ||||
CrCl (ml/min) | > 60 | 30–59 | < 30 | Besonderheiten |
Linezolid | 2 x 600 mg | erhöhtes Thrombozytopenierisiko | ||
Doxycyclin | 1 x 100–200 mg | |||
Fosfomycin trometamol | einmalig 3 g | < 20 ml/min: kontraindiziert | ||
Metronidazol | 2–3 x 400/500 mg (max. 2000 mg/d) | |||
Nitrofurantoin | 2–3 x 100 mg | < 45 ml/min: kontraindiziert | periphere Neuropathie und pulmonale Nebenwirkungen bei Niereninsuffizienz erhöht | |
Vancomycin | per os: 4 x 125–500 mg (keine Resorption) | p.o. nur Clostridien- Enteritis; i.v. Gabe nach Spiegel (u. a. Nephrotoxizität) | ||
Clindamycin | 2–3 x 600 mg | |||
Cotrimoxazol (Trimethoprim/ Sulfamethoxazol) | 2(–3) x 960 mg | 2 x 960 mg | Dosishalbierung; < 15 ml/min: kontraindiziert | Kreatinin-Anstieg (ohne Nierenfunktionsverlust); Hyperkaliämie bei Niereninsuffizienz |
Trimethoprim | 2 x 150–200 mg | 2 x 150–200 mg | 15–25 ml/min: 2 x 200 mg (ab Tag 4: 2 x 100 mg); 10–14 ml/min: 2 x 100 mg; < 10 ml/min: kontraindiziert | Kreatinin-Anstieg (ohne Nierenfunktionsverlust); Hyperkaliämie bei Niereninsuffizienz |
Die Autoren haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass alle Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Inhalte wird keine Gewähr übernommen. Generell ist bei einer Entscheidung für eine Arzneimittelgabe und Dosierung immer auch die klinische Situation des Patienten im Einzelfall zu berücksichtigen. Die Autoren übernehmen für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den aufgeführten Informationen, Empfehlungen oder Hinweisen resultieren, keine Haftung. |
Sophie Zieschang, E-Mail: sophie.zieschang@med.uni-heidelberg.de
Prof. Dr. David Czock, Prof. Dr. Martin Zeier, Prof. Dr. Claudia Sommerer, alle Heidelberg
* Den vollständigen Artikel mit allen Literaturangaben lesen Sie in „Arzneiverordnung in der Praxis (AVP)“, Ausgabe 3–4, September 2019, kostenfrei abrufbar unter: www.akdae.de
Internettipp: www.dosing.de
Bei Unsicherheiten über die Dosierung von Medikamenten bei Niereninsuffizienz ist eine geeignete Seite zur Recherche www.dosing.de. Hier kann die geschätzte Nierenfunktion anhand von Alter, Gewicht, Geschlecht und Serum-Kreatinin berechnet werden. Anhand dessen werden Empfehlungen zur Dosisanpassung des gewählten Medikaments gegeben. Des Weiteren finden sich dort Hinweise zum Vorgehen bei Patienten mit Nierenersatztherapie und zu möglichen UAW an den Nieren.