Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien – Bericht aus der „Arche“

Vor mehr als zwölf Wochen mussten Kindergärten, Schulen und Freizeiteinrichtungen von jetzt auf gleich schließen. Viele Familien stellte dies vor enorme Herausforderungen. Dabei trifft die Krise Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien besonders schwer, wie Daniel Schröder, Regionalleiter vom Kinderprojekt Arche e. V. berichtet. „Wir spüren die Spannungen in den Familien, die meist auf wenigen Quadratmetern über einen großen Zeitraum nun viel Zeit zu Hause verbringen. Wir betreuen zum Beispiel ein Mädchen aus einer siebenköpfigen Familie, die in einer 59 qm2 Wohnung lebt. Das Mädchen macht ihre Hausaufgaben im Flur, wo es ständig von ihren drei kleineren Geschwistern umringt ist. Das ist natürlich alles andere als optimal.“

Das Ausmaß an häuslicher Gewalt lasse sich bislang nur vermuten. „Wenn Sie ein Kind anrufen und fragen, wie geht es Dir?, und im Hintergrund sind die Eltern, da sagt kein Kind, mir geht es schlecht.“ Besorgniserregend seien jedoch Zahlen aus Berlin, wonach das Jahresniveau der Anzahl der Selbstmorde von Kindern bereits jetzt erreicht sei. Nach Schröder gibt es noch eine andere und offensichtlichere Auswirkung der Pandemie: Die Kinder werden dicker. Ungesünderes Essen, weniger Bewegung, viel Zeit vor dem Fernseher oder Spielekonsole, keine Tagesstruktur über Wochen machen sich entsprechend bemerkbar.

Arbeit unter „normalen“ Bedingungen

Die Arche ist in Frankfurts sozialen Brennpunkten an vier Standorten eine kostenlose Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche. Besonders wichtig ist Schröder ein niederschwelliger Zugang. „Die Kinder sollen nicht das Gefühl haben, ihre Armut mit einem Hartz-IV-Bescheid darlegen zu müssen. Denn Armut ist für Kinder oft ein schrecklicher Zustand.“ Normalerweise kommen die Kinder an zwei der vier Standorte schon vor der Schule zum Frühstück. Nach der Schule gibt es dann wieder Mittagessen in der Arche, es werden gemeinsam Hausaufgaben gemacht und der Rest ist dann Spielen, Toben, Sport machen. „Wir wollen mit den Kindern einfach eine gute Zeit verbringen, feiern mit ihnen Geburtstage oder fahren normalerweise zweimal im Jahr mit den Kindern und zweimal im Jahr mit den Jugendlichen in ein Camp.“ Eine herzliche Anlaufstelle – so beschreibt Schröder den Kern der Arche-Arbeit. „Kinderarmut bekämpft man nicht allein damit, ihnen etwas zu essen zu geben. Es geht vielmehr darum, einen Ort zu schaffen, wo sie sich geborgen fühlen und Ansprechpartner haben. Wo Menschen sind, die sie einfach gern haben.“ Bei vielen Kindern gehe es zu Hause teilweise sehr ruppig zu, die Kinder bekämen oft das Gefühl, ich störe oder ich mache nur Arbeit. „Da kann sich kein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln, und das merken wir.“ Die Arche will das auffangen, indem sie den Kindern in einem sicheren Umfeld versucht, soviel Selbstbewusstsein zu vermitteln, damit die Kinder gestärkt ihr Leben gestalten können. Betreut werden Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 20 Jahren. „Unsere Idee ist, bei den Grundschulkindern anzusetzen und sie bis zur vollendeten Ausbildung, Abitur oder Studium zu unterstützen. Damit sie eine gute Basis für ihr Leben haben.“

Am wichtigsten: in Kontakt zu den Kindern bleiben

Die Pandemie hat die Arche und die Kinder hart getroffen. Der Wegfall der gemeinsamen Mahlzeiten wurde durch eine Lebensmittelausgabe aufgefangen. Aktuell werden bis zu 300 Familien mit Essen versorgt. Allein die Beschaffung der Lebensmittel sei mit viel Aufwand verbunden, da alles über Spenden organisiert werde. „Uns hat die Situation nochmal sehr klar vor Augen geführt, wie eng die finanziellen Budgets vor allem in den Hartz-IV-Familien sind. Kinder, die normalerweise bei uns essen, kamen satt nach Hause. Jetzt mussten die Eltern Essen besorgen.“ Ein Grund, warum die Arche die Lebensmittelausgabe organisiert habe. Doch wichtiger sei, in Kontakt zu den Kindern zu bleiben. Das passiert via Whats-App, Youtube und ähnlichen Formaten. „Die Kinder sollen wissen, sie sind nicht alleine.“ Familien wurden von der Arche dafür mit Smartphones und Laptops ausgestattet, auch damit Hausaufgaben gemacht werden und Nachhilfe gegeben werden kann. „Wir versuchen so viel wie möglich, einzelne Kinder zu sehen. Wir halten täglich Kontakt zu vielen. Wir sehen auch den Bedarf nach einer gewissen Normalität.“

Was es bedeutet, dass diese Kinder so lange nicht in der Schule waren, beschäftigt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arche sehr. „Homeschooling ist ein schöner Begriff, der in viele Mittelschicht- und Oberschichtfamilien passt, wo die Eltern in der Lage sind, ihre Kinder entsprechend zu begleiten. Viele unserer Eltern sind es nicht.“ Schröder wünscht sich daher vonseiten der Politik eine Initiative, damit die Bildungslücke nicht noch größer werde. „Es ist eine Benachteiligung von Kindern, die im Grunde bereits am Rande der Gesellschaft sind. Gerade diese Kinder werden noch weiter an den Rand gedrückt.“

Infos & Kontakt zur Arche

Die Arche wurde 1995 in Berlin auf Initiative von Pastor Bernd Siggelkow gegründet und ist mittlerweile an mehr als 25 Standorten in ganz Deutschland aktiv. Sie engagiert sich dafür, dass sich die Lebensbedingungen benachteiligter Kinder und Familien hierzulande verbessern. Die Arche freut sich über jede Unterstützung. Infos dazu gibt es auf der Website www.freunde-arche-ffm.de oder www.kinderprojekt-Arche.de

Fon: 069-153 464 02, E-Mail: frankfurt@kinderprojekt-arche.de

Die Arche finanziert sich hauptsächlich über Spenden. Alle Infos darüber, wie Sie unterstützen können, im Internet: www.freunde-arche-ffm.de/spenden