Ausstellung zur Digitalisierung im Frankfurter Museum für Kommunikation

Ein Land im digitalen Dornröschenschlaf? Das war einmal. Es ist allerdings noch gar nicht lange her, dass Deutschland sich den Vorwurf gefallen lassen musste, den digitalen Anschluss zu verpassen. Dabei hat auch hierzulande die Digitalisierung längst alle Lebensbereiche erfasst: Private Kommunikation läuft über WhatsApp, Facebook oder Instagram, Einkäufe werden online erledigt und Arbeitsabläufe zunehmend digitalisiert. Allerdings schien vielen die digitale Revolution zu langsam voranzuschreiten. Noch 2013 hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel das Internet als „Neuland“ bezeichnet. Dass nun ausgerechnet ein übles Virus namens Corona die Nation aus dem digitalen Schlaf geweckt haben soll, ist eine gewagte Behauptung. Doch eines ist sicher: Mit der Ausbreitung von Covid-19 erfährt die Digitalisierung weltweit und damit auch hierzulande einen beeindruckenden Entwicklungsschub.

Schritt in die Zukunft

Ob Bücherregal, Toulouse-Lautrec-Plakat oder Küchenabzugshaube: Wo sich vormals Kollegen in Besprechungsräumen gegenüber saßen, gehören Videokonferenzen inzwischen zum Alltag und würzen, wenn die Webcam den Hintergrund des Arbeitsplatzes einfängt, den offiziellen Austausch gelegentlich mit einer privaten Note. Im Zuge der Pandemie mussten und müssen Verwaltungsabläufe digitalisiert, Unterrichtsstunden online abgehalten und etliche Arbeitsplätze ins Homeoffice verlegt werden. Dass die Nutzung digitaler Möglichkeiten in kurzer Zeit fast selbstverständlich wurde, ist ein gewaltiger Schritt in die Zukunft – auch wenn vieles noch nicht glatt läuft und die Pandemie etliche Schwachstellen offengelegt hat.

Als großes Land, das uns in Teilen schon vertraut sei, in dem es aber noch unendlich viel zu entdecken gebe, beschreibt das Museum für Kommunikation in Frankfurt die Digitalisierung und ihre Folgen für Gesellschaft und Individuum. Bis zum 30. August ist hier die in Anspielung auf das Kanzlerinnenzitat mit „#neuland: Ich, wir und die Digitalisierung“ betitelte Sonderausstellung zu sehen.

Ein Jahr lang war die Ausstellung vorbereitet worden. Im März sollte die Schau öffnen, mit der das Museum und die Nemetschek Stiftung zu einer Entdeckung des Digitalen in unser Leben einladen und fragen, wie wir die digitale Gesellschaft gestalten wollen. Dann machte die Corona-Pandemie diese Pläne vorerst zunichte: Die für eine Fläche von 600 Quadratmetern konzipierte Ausstellung konnte zunächst nur virtuell besucht werden. Nach der ersten Enttäuschung ließ sich das kuratierende Team von der neuen Lage inspirieren: Seit der auf Mitte Mai verschobenen Öffnung der Schau im mehrfach preisgekrönten Museumsbau am Schaumainkai können Besucher unter pandemiegerechten Bedingungen nicht mehr nur erfahren, was die Digitalisierung mit jedem von uns anstellt. „#neuland: Ich, wir und die Digitalisierung“ führt auch vor Augen, wie sich das Virus mit den sechs Buchstaben und seine Folgen auf die Digitalisierung auswirken.

Was ist ein optimales Leben, wo finden wir neue Wissens- und Informationsquellen? Wie beeinflusst die Digitalisierung unsere Beziehungen und Freundschaften? Diese Fragen ziehen sich als Leitschnur durch die Schau. Ergänzend führt eine rosafarbene „Corona-Spur“ durch die Ausstellung, die von den Kuratoren zu den fünf Themenbereichen hinzugefügt worden ist. In der Pandemie wird Arbeit mobil, sozialer Austausch verlagert sich in Chats, mit Datenspende-Apps und mit Corona-Tracing-Apps wird die Ausbreitung des Virus untersucht. In der Schau zeigen Kurvendiagramme, wie stark die Nutzung von Skype oder Cloud-Meetings in den vergangenen Wochen angestiegen ist.

Liebe und Fake News in Zeiten von Corona

Zugleich werden aber auch die dunklen Seiten der Digitalisierung thematisiert, denn das Internet bietet Raum für Desinformation. So heizen Fake News und Hasskommentare den öffentlichen Diskurs an. Was hat es mit der Kampagne #maske auf auf sich? Sind Gegenargumente bei Verschwörungstheorien zu Corona wirksam? Diesen Fragestellungen geht die Ausstellung ebenso nach wie etwa der Frage nach der Gestaltung von Liebe in Zeiten von Covid-19. Wer Lust dazu verspürt, kann als Besucher auch seine persönliche Corona-Geschichten aufnehmen, die dann sowohl im Ausstellungsraum als auch auf dem Expotizer www.ausstellung-neuland.de hörbar werden.