Landesarbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege in Hessen (LAGH) – Ziele, Zahlen, Zusammenarbeit
Mit dem SGB V hat der Gesetzgeber 1989 die Wichtigkeit der Verhütung von Zahn- Mund- und Kieferkrankheiten anerkannt und in den §§ 21 und 22 die zahnmedizinische Prophylaxe für Kinder gesetzlich verankert. Einerseits durch die Übernahme von individualprophylaktischen Leistungen in Zahnarztpraxen durch die gesetzliche Krankenversicherung, andererseits mit dem gesetzlichen Auftrag zur zahnmedizinischen Gruppenprophylaxe für alle Kinder unter 12 Jahren.
Dafür hat die LAGH mit Zahnmedizinern, Wissenschaftlern, Pädagogen, Ökotrophologen, Kitas und Schulen ein salutogenetisches Konzept erarbeitet, implementiert und ständig weiterentwickelt. Dieses ausgereifte Konzept trägt den Namen „5 Sterne für gesunde Zähne“ und wird durch alle an der Gruppenprophylaxe Mitwirkenden flächendeckend an Eltern und Kinder, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer und beteiligte Multiplikatoren herangetragen. Jährlich werden über 1.100 Erzieherinnen und Erzieher, Hebammen, Tagespflegepersonen und Angehörige anderer Berufsgruppen fortgebildet sowie circa 450 Zahnärzte, Zahnärztinnen und Mitarbeiter aus Patenschafts-Zahnarztpraxen. Alle Referentinnen und Referenten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der 20 hessischen Arbeitskreise Jungendzahnpflege (AKJ), die Kitas und Schulen besuchen, werden ebenso jährlich qualitätsgesichert fortgebildet.
Gesund beginnt im Mund: Gruppenprophylaxe und Allgemeingesundheit
Die Gruppenprophylaxe sorgt mit ihrem salutogenetischen Ansatz nicht nur für gesunde Zähne: Mundgesundheit korreliert stark mit kardiovaskulärer Gesundheit, geringerem Diabetesrisiko, guter Abwehrlage, regelrechter Sprachentwicklung, sozialem Erfolg und emotionalem Wohlbefinden.
Alle gruppenprophylaktischen Inhalte basieren auf dem Hessischen Bildungs- und Erziehungsplan (BEP). Die (Mund-)Gesundheitsförderung ist als Bestandteil der Entwicklung von Basiskompetenzen, eines positiven Selbstkonzeptes, Kontaktfähigkeit, motorischen Fähigkeiten und Sprache darin verankert.
Die Ziele der hessischen Gruppenprophylaxe sind:
- Erziehungspersonal und Lehrkräfte gewinnen für die Umsetzung des Konzeptes „5 Sterne für gesunde Zähne“ in den Alltag von Kita und Schule (Verhältnisprävention).
- Unabhängig vom Elternhaus und sozialem Status allen Kindern die Kulturtechnik der systematischen Mundpflege (KAIplus Systematik) vermitteln.
- Mit dem Wassertrinken und dem Konzept „Zuckerfreier Vormittag“ allen Kindern eine Ernährungsweise vermitteln, die (Mund-)Gesundheit im ganzen Leben ermöglicht.
- Allen Kindern den Zahnarzt/die Zahnärztin als Freund und Helfer für gesunde Zähne vorstellen.
- Alle Eltern informieren über ihre Verantwortung für das Sauberputzen der Zähne ihrer Kinder ab dem ersten Zahn (Eltern putzen Kinderzähne sauber).
- Bei allen Eltern für eine zahnmedizinische Prävention ab der Schwangerschaft werben (halbjährliche individuelle, familienbezogene Vorsorge in der Zahnarztpraxis).
Umsetzung der Gruppenprophylaxe in den Kitas
Jede Kita wird patenschaftlich betreut. Die Patenschafts-Teams unterstützen und beraten die Kita-Teams bei der Umsetzung der 5 Sterne für gesunde Zähne im Kita-Alltag, geben Tipps zur täglichen Zahnputzübung und dem Konzept Zuckerfreier Vormittag, informieren Eltern u. a. über die kostenfreien Vorsorgeangebote, besuchen die Kitas zum gemeinsamen Zähneputzenüben mit der Hexe IRMA und Lernspielen zum Thema Mundpflege und Ernährung.
Naturbelassen und vielfältig, knackig und kauaktiv, fruchtig, herzhaft und auf alle Fälle lecker – so soll das Essen in den Kitas vorgelebt werden. Dies steht auch im Mittelpunkt der Lerneinheiten zum Konzept Zuckerfreier Vormittag, damit die Kinder Lust auf eine kariesprotektive und gleichzeitig gesamtgesundheitsförderliche Ernährung bekommen. Durch konsequente Beratung ist es gelungen, dass 2019 in 95 Prozent aller hessischen Kitas auf zuckerhaltige, kariogene und hochkalorische Getränke, eine der Hauptursachen von Karies im Kindesalter, verzichtet wird. Diese in den Einrichtungen geschaffenen gesundheitsförderlichen Rahmenbedingungen (=Verhältnisprävention) leisten einen großen Beitrag zur Gesundheitsförderung aller Kinder unabhängig vom Elternhaus. Da kariogene Ernährung auch adipogen ist, wird durch die Habituierung des Zuckerfreien Vormittags und des Wassertrinkens auch das Risiko von Adipositas und den damit zusammenhängenden Erkrankungen gesenkt.
Süßigkeiten sind nicht kategorisch verboten, sondern können bewusst und maßvoll (die Hand ist das Maß) als Nachtisch, Nachmittagssnack oder zu Hause verzehrt werden. Durch diese zeitliche Eingrenzung findet automatisch auch eine Mengenbegrenzung des Konsums freier Zucker statt, die ohne großen Aufwand im Alltag der Kinder umsetzbar ist. Details zum Konzept Zuckerfreier Vormittag im Rahmen der „5 Sterne für gesunde Zähne“ unter www.lagh.de oder im Zahnärztlichen Kinderuntersuchungsheft
Die Zahnarztpraxis gemeinsam erleben
Das Highlight für die Kinder ist der Praxisbesuch: Alle Patenschaftszahnärztinnen und -zahnärzte heißen ‚ihre‘ Kindergartenkinder einmal im Jahr in ihren Praxen willkommen. Hier dürfen die Kinder in der vertrauten Gruppe eine Zahnarztpraxis kennen lernen, ausprobieren wie es sich anfühlt, auf dem „Zauberstuhl“ zu fahren und mit den Saugern Spucke oder Wasser verschwinden zu lassen, und versuchen, auch mal mit dem Mundspiegel die Zähne zu zählen. Diese Besuche machen Spaß, bauen eventuelle Ängste ab und ebnen den Weg in die Praxen zur individuellen Vorsorge.
Informationen und Fertigkeiten, die den Kindern und Familien durch die Gruppenprophylaxe vermittelt wurden, können bei der individuellen Prophylaxe in den Zahnarztpraxen erweitert und vertieft werden. So wirkt die Gruppenprophylaxe außerhalb der Kitas noch lange nach.
Die Landesarbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege in Hessen (LAGH) und die 20 regionalen Arbeitskreise Jugendzahnpflege (AkJ) haben durch ihre Arbeit in 4.007 hessischen Kindertageseinrichtungen (Kitas) und 1.100 Grundschulen schon viel erreicht: Zwischen 1989 und 2014 stieg der Anteil der 12-Jährigen ohne Karies von 13 Prozent auf 81 Prozent!
Diese Gesundheitsverbesserung kam – wie die Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) aus dem Jahr 2014 zeigt – allen sozialen Schichten zugute. Mit gesunden Zähnen aufzuwachsen, ist also von der Ausnahme zur Norm geworden.
Hessens Minister für Soziales und Integration Kai Klose und Dr. Andrea Thumeyer (Vorsitzende LAGH) besuchen eine Wiesbadener Kita anlässlich der Verleihung des Prädikatssiegels.
Die aufsuchende Betreuung der Patenschafts-Teams in den Kitas erreicht alle Kinder der Einrichtung und bietet ein niedrigschwelliges Beratungsangebot für Eltern, was besonders Familien mit geringerem sozioökonomischen Status entgegenkommt. Rund 240.000 Kinder werden in Kitas erreicht, deren Eltern in 79,9 % aller Kitas, und rund 173.000 Kinder in Grundschulen.
Diese Zahlen werden jährlich dokumentiert und den Ministerien auf Landes- und Bundesebene sowie der Deutschen Arbeitsgemeinschaft zur Verfügung gestellt (Dokumentationspflicht). Finanziert wird die Arbeit der LAGH, der 20 regionalen Arbeitskreise und 1.600 ehrenamtlichen Patenschafts-Teams vor Ort durch die Landesverbände der gesetzlichen Krankenkassen in Hessen, die Landeszahnärztekammer Hessen, die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen und das Hessische Ministerium für Soziales und Integration.
Mundgesundheitsvorsorge muss mit der Schwangerschaft beginnen
Leider erreicht die Gruppenprophylaxe einige Kinder viel zu spät: in die Kita mit gruppenprophylaktischer Betreuung kommen die Kinder im Schnitt mit 2,5 Jahren, aber frühkindliche Karies kann ab dem ersten Zahn entstehen oder eben verhindert werden. Leider entstehen schwerwiegende Krankheitsbilder oft durch Unwissen, nicht nur in Fällen von Kindesvernachlässigung. Die Vorsorge und Beratung für Eltern und Kind muss in der Schwangerschaft beginnen!
Hier bedarf es engerer Zusammenarbeit zwischen Zahnärzten und Allgemein-, Kinder- und Frauenärzten. Infomaterialien, die diese Zusammenarbeit erleichtern, wie der Einleger in den Mutterpass und das Zahnärztliche Kinderuntersuchungsheft, können kostenfrei bei der Formularstelle der KZVH bestellt werden.
Laura Pfeiffer, Zahnärztin, im Auftrag der Landeszahnärztekammer Hessen
Kontakt: Landeszahnärztekammer Hessen, Rhonestr. 4, 60528 Frankfurt, E-Mail: box@lzkh.de