Eine Diskussion über Anerkennung von Weiterbildungszeiten

Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung sehen sich in der Corona-Pandemie mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Über Anerkennungsfragen in Pandemiezeiten diskutieren zwei Präsidiumsmitglieder der Landesärztekammer Hessen, Dr. med. H. Christian Piper, Marburger Bund, und Svenja Krück, Junge Ärztinnen und Ärzte in Hessen:

Svenja Krück: Pandemiebedingt werden Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (ÄiW) häufig aus ihrer geplanten Rotation herausgenommen, um in Corona-relevanten Bereichen wie Intensivstationen und Isolierstationen eingesetzt zu werden. Sind die abgeleisteten Zeiten anrechenbar, wenn die verkürzten Rotationen oder der pandemiebedingte Einsatz weniger als drei Monate betragen?

Dr. med. H. Christian Piper: Um Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung Schwierigkeiten bei der Anerkennung zu erleichtern, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Zunächst sollte der Kompetenzerwerb vorweg bewertet werden. Demgegenüber kann in Pandemiezeiten nicht „starr“ an Mindestweiterbildungszeiten festgehalten werden. In diesem Sinne hat das Präsidium der Landesärztekammer Hessen die 6-Wochen-Regel aus § 4 Weiterbildungsordnung (WBO) 2005 auf Coronafälle erweitert. Gegebenenfalls müssen auf Antrag Einzelfallentscheidungen bei persönlichen Härtesituationen getroffen werden.

Krück: Corona-relevante Bereiche wie Intermediate Care (IMC) oder Intensivstationen und Isolierstationen sind in der Regel der Inneren Medizin oder Anästhesie zugeordnet. Die Corona-bedingt akut dorthin versetzten ÄiW gehören jedoch nicht selten auch anderen Fachgebieten an. Können daraus Probleme resultieren?

Piper: Für die meisten Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung aus größeren Fächern ist das unproblematisch, da z. B. in der WBO 2005 mindestens sechs Monate Innere Medizin oder Anästhesie in großen Fächern anrechenbar sind, nach WBO 2020 sogar in einigen Gebieten und Zusatzweiterbildungen (ZWB) erweitert auf „patientennahe Fachgebiete“. In einigen kleineren Fächern (in WBO 2005: Dermatologie, Augenheilkunde etc.) besteht jedoch keine Möglichkeit, Abschnitte aus der Anästhesie oder Inneren Medizin anzurechnen.

Aber auch hier gibt es Abhilfen. So können für ÄiW aus solchen „Ausschluss“-Fächern Corona-bedingte Einsätze auf Intensivstationen oder Corona-Isolierstationen angerechnet werden. Alternativ gibt es die Möglichkeit, § 4 Abs. 4 WBO bezüglich tolerierter Ausfallzeiten analog anzuwenden und komplettierte Kompetenzen ohne Nacherfüllung der WB-Fehlzeiten anzuerkennen.

Krück: Schwangere Ärztinnen in Weiterbildung mit Patientenkontakt sind zu Beginn der Pandemie wegen der unabsehbaren Corona-Infektionsgefährdung häufig mit sofortiger Wirkung mit ärztlich oder vom Arbeitgeber veranlassten Beschäftigungsverboten belegt worden. Da das auch weiterhin geschieht, kommen damit ohne weiteres drei bis sechs Monate Ausfallzeiten zusätzlich zu regulärem Mutterschutz und evtl. Erziehungszeiten zusammen. Grundsätzlich findet hier § 4 Abs. 4 WBO 2005 bzw. WBO 2020 Anwendung. Kann darüber hinaus wegen der pandemischen Ausnahmesituation eine transparente Regelung gefunden werden, entsprechende Mehrzeiten zu vermeiden?

Piper: Hier kann eine mögliche Abhilfe darin bestehen, vollständig erworbene Kompetenzen bei dem späterem Prüfungsantrag anzuerkennen, ohne dass kürzere nachgewiesene Corona-bedingte Ausfallzeiten nachgewiesen werden müssen. Mehrmonatige Ausfälle müssen jedoch immer nachgeholt werden.

Krück: Ein weiteres Problem ist, dass verpflichtende WB-Kurse Corona-bedingt über Monate ausgefallen sind oder noch weiter ausfallen. Dabei handelt es sich beispielsweise um stufenweise aufbauende und in bestimmter Reihenfolge zu absolvierende Arbeitsmedizin-Kurse in Aufbau und notwendiger Reihenfolge. Bei anderen Kursen, wie etwa die psychosomatische Grundversorgung in der Gynäkologie, ist es üblich, diese am Ende der Facharztweiterbildung zu absolvieren. Aus diesem Grund führen die Ausfälle derzeit zu entsprechend verlängerten WB-Zeiten für die unerwartet Betroffenen, die ansonsten prüfungsreif sind. Lässt sich auch dieses Dilemma lösen?

Piper: Auch hier gibt es eine mögliche Abhilfe. Es wurde beschlossen, dass Betroffene die Möglichkeit erhalten, sich formal bereits zur Prüfung anzumelden, obwohl der abschließende Kurs noch nicht besucht wurde. Voraussetzung ist der Nachweis einer Anmeldung zum nächstmöglichen Kurs vor dem Prüfungstermin.

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Das Gespräch haben die beiden Diskutanten aufgezeichnet. (moeh)

Die Diskussionsergebnisse sind mit dem Weiterbildungsausschuss und der WB-Abteilung der LÄKH konsentiert.

Leserinnen und Leser können weitere Fragen per E-Mail richten an: wbo2020@laekh.de

Die FAQs zur Weiterbildungsordnung 2020 für Hessen (Stand November 2020) finden Sie auf der Seite Neue Weiterbildungsordnung für Hessen ab 2020.