Warnung vor Verlust von Menschlichkeit und Qualität im Gesundheitswesen - Delegiertenversammlung der Landesärztekammer Hessen

Pressemitteilung

Bad Nauheim. Die neue Vizepräsidentin der Landesärztekammer heißt Dr. med. Ursula Stüwe. Mit überwältigender Mehrheit wählten die Delegierten der Landesärztekammer Hessen auf ihrer heutigen Versammlung in Bad Nauheim die Wiesbadener Chirurgin zur neuen Vizepräsidentin (siehe gesonderte Pressemitteilung).

Neben der Wahl, die durch den unerwarteten Tod des bisherigen Vizepräsidenten, PD Dr. med. Roland Wönne, notwendig geworden war, bestimmten Themen von regionaler und bundesweiter Bedeutung die Delegiertenversammlung. Im Vordergrund standen die geplanten Veränderungen im Gesundheitswesen und ihre Auswirkungen auf Ärzte und Bürger. Die Delegierten warnten dabei eindringlich vor dem Verlust von Menschlichkeit und Qualität.

„Ich halte es für unmöglich und unsozial, Menschen aufgrund ihres Alters und ihres sozialen Status Leistungen des Gesundheitswesens vorzuenthalten", bekräftigte Dr. med. Alfred Möhrle, Präsident der Landesärztekammer, seine Forderung, dass auch künftig jeder Mitbürger gegen existenzbedrohende, gesundheitliche Risiken abgesichert werden müsse. Unter großem Beifall kritisierte er die Tendenz, bestimmten Bevölkerungsgruppen die Möglichkeiten der modernen Medizin vorzuenthalten.

Die Delegiertenversammlung forderte die hessische Landesregierung dazu auf, ihre einschneidenden Sparmaßnahmen im Gesundheitsbereich hinsichtlich ihrer Folgen für die medizinische Versorgung der Bevölkerung zu überdenken. Auch ehemals gemeinsame Projekte mit der Landesärztekammer wie das Methadonsubstitutionsprojekt – vor über einem Jahrzehnt als bundesweites Modellprojekt beschlossen - dürften nicht durch die Kürzungen gefährdet werden. Außerdem drückten die Delegierten ihre Sorge über den Beschluss der Landesregierung aus, die Universitätskliniken Gießen und Marburg zum Klinikum Mittelhessen zusammenzuschließen. Die Sparzwänge dürften nicht dazu führen, dass eine der beiden Kliniken zum Lehrkrankenhaus werde oder an beiden Standorten wichtige Strukturen der Kernkompetenz zerschlagen würden.

Dass die Kammer intensiv in die weitere Planung des Krankenhausbettenbedarfs in Hessen eingebunden worden ist, bezeichnete Möhrle als positives Beispiel der Zusammenarbeit mit der Landesregierung. Auch bei dem Erlass zum Konzept „Medizinscher Katastrophenschutz" sei das Land Hessen derzeit „einsamer Spitzenreiter" in Deutschland – vor allem hinsichtlich der Kooperation von Innen- und Sozialministerium. Der Hauptgeschäftsführer der Kammer, Dr. med. Michael Popović, habe in erheblichem Maße zu dieser Gesetzgebung beigetragen. Das hessische Modell soll, so berichtete Möhrle, als Grundlage für eine harmonisierte Gesetzgebung in allen Bundesländern dienen.

Auch das Thema Weiterbildungsordnung beschäftigte die hessischen Delegierten. Mehrheitlich bestätigten sie ihren vor dem letzten Ärztetag gefassten Beschluss zum Bestand der Inneren Medizin als eigenständigem Fach. Außerdem bekräftige die Ärzteversammlung, dass Psychotherapie Bestandteil ärztlicher Grundversorgung bleiben müsse.

Mit Blick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Berechnung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit, erklärte Möhrle, dass es nun darum gehe, vernünftige und praktikable Lösungen zu finden, die einerseits die Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus entlasten, andererseits aber die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes im Sinne des EuGH-Urteils zulassen. Deutlich kritisierte der Kammerpräsident die Bestrebungen der Krankenhausträger, die Umsetzung in die Länge zu ziehen, bzw. mit Ausnahmeregelungen völlig zu unterlassen. "Dem werden wir mit aller Schärfe entgegentreten müssen."

Aus der vor einigen Jahren befürchteten Ärzteschwemme ist die konkrete Gefahr eines Ärztemangels geworden. Bedenklich sei auch die Überalterung der Ärzteschaft , sagte Möhrle n Bad Nauheim. Die bedauerliche Tatsache, dass 20% der Medizinstudenten ihr Studium abbrechen und weitere 20% nach bestandenen Staatsexamen nicht in der Patientenversorgung tätig werden, mache es dringend erforderlich, das Medizinstudium und den Arztberuf wieder attraktiver zu machen. Er hoffe, dass u.a. die Schaffung menschenwürdiger Arbeitszeiten in den Krankenhäusern, Entlastung der Ärztinnen und Ärzte von Verwaltungsarbeit, die geplante Abschaffung des Arztes im Praktikum zum 1.10.2004 und die neue, realitätsnähere Approbationsordnung entscheidend dazu beitrügen.

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