Spannung zwischen Erwartungsdruck und Berufsethos: Wenn Ärzte süchtig werden
Landesärztekammer bietet suchtkranken Mitgliedern Unterstützung
Als einfühlsam und schonungslos zugleich hat die Landesärztekammer Hessen den in dieser Woche ausgestrahlten Beitrag "Halbgötter in Not" der ZDF-Sendereihe "37 Grad" begrüßt. "Die Interviews mit betroffenen Ärzten haben gezeigt, dass sich die auslösenden Faktoren für Suchtverhalten ähneln," unterstreicht Dr. med. Mark Siegmund Drexler, Suchtbeauftragter der Landesärztekammer für Kammermitglieder. "Ständiger Leistungsdruck und Überforderung verleiten viele Menschen dazu, sich mit Alkohol oder Tabletten vermeintliche Erleichterung zu verschaffen. Irgendwann haben sie den Griff zur Weinflasche oder in die Medikamentenschachtel jedoch nicht mehr unter Kontrolle. Das trifft für Ärzte ebenso zu, wie für andere Berufsgruppen, die unter einer hohen Stressbelastung stehen." Bei Ärzten komme erschwerend die Spannung zwischen Erwartungsdruck und Berufsethos hinzu, so Drexler: "Sie leiden unter Arbeitsverdichtung, tragen eine hohe berufliche Verantwortung und spüren den Druck, permanent leistungsbereit sein zu müssen. Immer häufiger kommt es deshalb zu Erschöpfungszuständen." Mit Fortbildungsangeboten zum Thema "Burnout bei Ärzten" reagiert die Akademie der Landesärztekammer auf das Problem.
"Dass einige Kolleginnen und Kollegen versuchen, ihre Überforderung mit Suchtmitteln zu überspielen, führt zu einem Teufelskreis, in dem auch die Patientensicherheit in Gefahr gerät", gibt Drexler zu bedenken. Um Ärztinnen und Ärzten dabei zu helfen, sich aus dieser Situation zu befreien und um die Sicherheit von Patienten zu gewährleisten, hat die Landesärztekammer Hessen zusätzlich zu den Bezirksärztekammern als Anlaufstellen eine Einrichtung geschaffen, an die sich Mediziner mit Suchtproblemen wenden können: den Suchtbeauftragten für Kammermitglieder. Über 70 betroffene Ärztinnen und Ärzte haben sich in den vergangenen eineinhalb Jahren an den niedergelassenen Internisten Dr. med. Mark Siegmund Drexler und den niedergelassenen Anästhesisten Dr. med. Edgar Pinkowski als Stellvertreter gewandt. Drexler betont, dass die Landesärztekammer keine Therapien für die Betroffenen durchführt, sondern diese berät und geeignete Behandlungsmöglichkeiten für sie organisiert. Verschwiegenheit ist dabei selbstverständlich. "Wir wollen Ärztinnen und Ärzten auf ihrem Weg aus der Sucht unterstützen. Der Schritt zur Therapie vermag Türen zu einem "neuen", lebenswerten Leben zu öffnen", so Drexler. "Durch eine frühe Behandlung, die den Kreislauf von Schuldgefühlen, Scham und Versteckenspielen beendet, kann der Entzug der Approbation in der Regel vermieden werden."