An familienfreundlichen Arbeitsbedingungen führt kein Weg vorbei
Landesärztekammer appelliert an hessische Kliniken
Dass familienfreundliche Arbeitsbedingungen ein Erfolgsfaktor sind, haben viele Wirtschaftszweige längst erkannt. Doch das Gesundheitswesen - mit ca. 10 Prozent aller Beschäftigten einer der wichtigsten Arbeitgeber im Bundesgebiet - hinkt nach wie vor hinterher. Auch in Hessen besteht dringender Handlungsbedarf, um zu verhindern, dass der ärztliche Nachwuchs abwandert oder der ärztliche Beruf weiter an Attraktivität verliert. Die Landesärztekammer Hessen hat daher jetzt in einem Schreiben alle hessischen Kliniken um die zügige Umsetzung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte gebeten.
Zeitmanagement und Kinderbetreuung stellen berufstätige Eltern im Arztberuf vor große Herausforderungen, denn ihre Arbeitszeiten werden von öffentlichen Betreuungsangeboten in der Regel nicht abgedeckt. Die Arbeitgeber lassen ihre Mitarbeiter dabei weitgehend im Stich: Nach einer Befragung des Deutschen Ärztinnenbundes im Jahr 2006 boten von rund 180 hessischen Kliniken lediglich 6 Häuser ausreichende Betreuungsmöglichkeiten an. Ein Tropfen auf den heißen Stein, wie eine Befragung der Landesärztekammer Hessen ebenfalls aus dem Jahr 2006 zeigt: Über 90 Prozent der befragten hessischen Ärztinnen fordern ein Betreuungsangebot für Säuglinge, über 95 Prozent für Kindergartenkinder und über die Hälfte auch eine Betreuung über das Grundschulalter hinaus.
Dabei handelt es sich keineswegs um ein reines "Frauenproblem", auch Väter wollen Familie und Beruf miteinander verbinden. Solange allerdings die Versorgung ihres Nachwuchses nicht gewährleistet ist, sind Ärztinnen und Ärzte oft nur mit großen Schwierigkeiten dazu in der Lage, ihre Weiterbildung erfolgreich abzuschließen und ihren Beruf in der Klinik langfristig auszuüben. Nach Überzeugung der Landesärztekammer führt deshalb kein Weg an bedarfsgerechten und familienfreundlichen Arbeitsbedingungen vorbei. Nur so könnten Kliniken auch weiterhin qualifizierte Ärztinnen und Ärzte gewinnen. "Wir benötigen ein durchgängiges Kinderbetreuungsangebot, damit die betroffenen Eltern ihrer Berufstätigkeit
unbelastet nachgehen können," erklärt Dr. med. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach, Präsident der Landesärztekammer Hessen.
In ihrem Schreiben an die Kliniken weist die Landesärztekammer auch auf einen Beschluss des Deutschen Ärztetages 2009 in Mainz hin. Danach sollen Krankenhäuser mit Weiterbildungsermächtigung familienfreundlich gestaltet werden. Ein Verharren auf alten Strukturen komme - vor allem auch angesichts der zunehmenden Zahl von Ärztinnen - einer Geringschätzung des heute bereits vorhandenen Potentials ärztlicher Arbeitskraft gleich, heißt es in dem Beschluss. Von Knoblauch warnt: "Wenn sich die Situation an den Kliniken nicht verbessert, werden Ärztemangel und Ärzteflucht weiter zunehmen."