Ärztliche Weiterbildung muss schneller, effizienter und kalkulierbarer werden
Landesärztekammer Hessen hat Runden Tisch Weiterbildung "Pro Nachwuchs" ins Leben gerufen
Die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung ist in Gefahr.
In Klinik und Praxis fehlen Ärztinnen und Ärzte, das Interesse am Arztberuf schwindet. Wie können wir junge Menschen mit neuen Weichenstellungen in Studium und Weiterbildung wieder für den Arztberuf begeistern? Um Lösungen für die brennenden Fragen der ärztlichen Versorgung in Hessen zu erarbeiten, hat die Landesärztekammer Hessen am 1. September 2010 in ihrem Fortbildungszentrum in Bad Nauheim den Runden Tisch Weiterbildung "Pro Nachwuchs" mit Vertretern des Ministeriums für Arbeit, Familie und Gesundheit, der Kassenärztlichen Vereinigung, der Hessischen Krankenhausgesellschaft, ärztlichen Berufsverbänden gesetzlichen Krankenkassen, sowie Ordinarien, Weiterbildern und Ärzten in Weiterbildung ins Leben gerufen.
Anliegen der Landesärztekammer ist es, Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung zu unterstützen und deutlich zu machen, wie gute Strukturen in der Weiterbildung auszusehen haben. "Wir fordern verbesserte Bedingungen und ein konsequentes Engagement aller für die ambulante und stationäre Weiterbildung Verantwortlichen. Dazu ist eine Einbindung der Kostenträger zwingend erforderlich", unterstrich Dr. med Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach, Präsident der Landesärztekammer Hessen: "Weiterbildung muss schneller, effizienter und kalkulierbarer werden. In Weiterbildung Befindliche müssen sich darin ebenso wieder finden wie Weiterbilder." Dies gelte gleichermaßen für die Weiterbildung von Hausärzten und Fachärzten.
Wie kann Weiterbildung zukunftsfähig gemacht werden? Diese Frage beantwortete Prof. Dr. med. Reiner Moosdorf, Ärztlicher Direktor Universität Marburg, mit drei Kernforderungen: "Realistische Weiterbildungsinhalte, flexiblere Weiterbildungsordnungen und belastbare Weiterbildungsangebote." Dr. med. Klaus König, niedergelassener Frauenarzt und Vorsitzender der Weiterbildungskommission der Landesärztekammer Hessen betonte, dass die Weiterbildungsordnung an die heutige Situation angepasst werden müsse. Die Schaffung von Weiterbildungsstellen in qualifizierten Praxen könne zur Lösung aktueller Weiterbildungsprobleme im fachärztlichen Bereich beitragen. Voraussetzung sei, dass der Aufwand für die Zulassung einer Praxis reduziert und der Weiterbildungsplatz honoriert werde. Den Arbeitsplatz Krankenhaus für Abiturienten und Medizinstudenten frühzeitig schmackhaft machen: diesen Anspruch verfolgt Dr. med. Gerd Balser, Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie am Kreiskarankenhaus Weilburg, mit einer vielfältigen Angebotspalette: Aushilfsjob im OP, Assistenztätigkeit, Famulatur sowie Patenschaftsübernahme während des Studiums in Kooperation mit der Universität durch den Weiterbildungsbefugten sowie Projektebetreuung.
Dass eine spätere Hausarzttätigkeit bei Medizinstudenten und Absolventen des Medizinstudiums nicht hoch im Kurs steht, machte Martin Leimbeck, Vizepräsident der Landesärztekammer, deutlich. Er wies auf die Ergebnisse einer Umfrage hin, in deren Rahmen die Landesärztekammer im Herbst 2009 und Frühjahr 2010 mit Unterstützung des Landesprüfungsamtes für Heilberufe alle Absolventen der Ärztlichen Prüfung an hessischen Universitäten zu ihren Berufs- und Weiterbildungsplänen befragte hatte. Danach planten von den Absolventen 2009 bei Beginn ihres Studiums nur 9 Prozent, sich später als Hausarzt niederzulassen, vomJahrgang 2010 wollten dies nur noch weniger als 7 Prozent. "Die Weiterbildungsbedingungen in Klinik und Praxis müssen dringend verbessert werden", erklärte Leimbeck. "Ein vielversprechender Ansatz ist Weiterbildung im Verbund."
"Mit der neuen Initiative der LAEKH ergeben sich Synergien vor allem in den Bereichen Qualitätsmanagement und Service, wenn es gilt, die besonderen Herausforderungen für den ärztlichen Nachwuchs in der Weiterbildung zu berücksichtigen: individualisierte Ausbildungsverläufe, flexible Zeiteinteilungen, ganzheitliche Beratungskonzepte, nachhaltige Begleitung, familienfreundliche Strukturen, Teilzeitangebote", sagte Dr. Winand Dittrich, Fachbereich Medizin, Individuelle Studienbegleitung der Goethe-Universität, Frankfurt
Jörg Osmers, Leiter der Abteilung Gesundheit im Hessischen Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit sprach sich dafür aus, mehr allgemeinmedizinische Lehrstühle an den hessischen Universitäten einzurichten und die Approbationsordnung anzupassen. Die "Aufarbeitung der Hindernisse für die Niederlassung von Ärzten auf dem Lande" bezeichnete er als gemeinsame Aufgabe von Kassenärztlicher Vereinigung, Landesärztekammer Hessen, Land Hessen und den Landkreisen.
Die Kassennärztliche Vereinigung Hessen sei bereits aktiv geworden, stellte Dr. med. Harald Herholz, Vorstandsreferat der KVH, fest. So habe die KVH eine Kooperationsvereinbarung mit dem hessischen Städte- & Landkreistag geschlossen. "Kernpunkt der Strategie der KV Hessen ist jedoch ein umfangreiches "Zukunftskonzept der allgemeinmedizinischen Versorgung in Hessen", so Herholz weiter.
Prof. Dr. med. Ferdinand Gerlach, Institut für Allgemeinmedizin, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt, stellte das gemeinsam mit Kollegen der Universität Marburg, Vertretern der jungen Allgemeinmediziner/innen (JADE/HESA) sowie der Arbeitsgemeinschaft Weiterbildung Allgemeinmedizin in Hessen (AWAH) entwickelte "Zukunftskonzept Allgemeinmedizin in Hessen" mit "Maßnahmen zur nachhaltigen Förderung der hausärztlichen Grundversorgung" zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung vor. Von Knoblauch und Leimbeck forderten eine bessere Verzahnung der Weiterbildung im stationären und ambulanten Bereich sowie familienfreundliche Arbeitsbedingungen. Zur Beratung und besseren Information ihrer Mitglieder in Weiterbildung werde die Landesärztekammer "Weiterbildungsbeauftragte" einrichten, kündigten die Kammervertreter an.