Weiterbildung ist ein mühsames Unterfangen und dauert lange. Warum ist das so? Medizinisches Wissen explodiert förmlich und medizinisches Handeln wird immer spezieller. Beide Faktoren führen zu einer komplexeren Weiterbildung. Weiterbildung durch „Abgucken“ im Rahmen der klinischen Tätigkeit wird immer schwieriger oder unmöglich.
Auch das berufspolitische und gesellschaftliche Umfeld verändert sich. Krankenhäuser werden geschlossen, Leistungsgruppen fallen weg. Die Inhalte der Weiterbildung verlagern sich teilweise in den ambulanten Bereich. Wo gibt es noch stationäre Koloskopien oder Herzkatheter oder Chemotherapien?
Ärztliche Weiterbildung hat aktuell mit fünf großen und neuen Themen zu tun.
- Was ist die optimale Dauer einer Weiterbildung?
- Welche Kompetenzen müssen in der Weiterbildung vermittelt werden?
- Welche „klinischen“ Erfahrungen müssen wirklich in Krankenhäusern erworben werden?
- Welchen Inhalte kann die ambulante Weiterbildung übernehmen und wie werden sie finanziert?
- Welche neuen didaktischen Methoden können wir für eine straffere und inhaltsreiche Weiterbildung einsetzen?
Kompetenzgewinn pro Zeiteinheit
Aktuell liegt die Dauer der Weiterbildung meist bei fünf Jahren, in Europa für die Allgemeinmedizin bei drei Jahren und der Kardiologie bei lediglich vier Jahren. Für die Innere Medizin mögen die auch für Europa geltenden fünf Jahre realistisch sein, wenn man Intensivmedizin, Akut- und Notfallmedizin sowie ambulante und stationäre Zeiten addiert. Es ist ja auch ein komplexes Fach. Für umschriebene Gebiete wie HNO und Dermatologie und andere könnten vielleicht auch vier Jahre reichen. Voraussetzung ist immer die Erlangung aller wichtigen Kompetenzen. Der Kompetenzgewinn pro Zeiteinheit ist die kritische Determinante, daran hapert es oft.
„Kompakter Kompetenzerwerb statt Warten auf bessere Zeiten“
Berufsverbände und Fachgesellschaften müssen die Big Points für ihre Weiterbildung definieren und fortentwickeln. Die wesentlichen Inhalte des Fachgebietes müssen enthalten sein und sie müssen auch vermittelbar sein. In der Inneren Medizin wären das zum Beispiel die sichere Beherrschung der Sonographie des Abdomens, der Gefäße und die Echokardiographie.
Eine gute klinische Weiterbildung ist in den meisten Gebieten unerlässlich. Schwer kranke Patientinnen und Patienten, Austausch über Diagnostik und Therapie, klinische Verläufe und Zeiten in der Intensivmedizin geben eine Sicherheit des ärztlichen Handelns, diese kann meist nach zwei bis drei Jahren erreicht werden.
Angemessene Vergütung
Viele Standardprozeduren werden zwischenzeitlich in der ambulanten fachärztlichen Medizin abgebildet. Sonographien, Endoskopien, Herzkatheter und andere Prozeduren erfolgen meist ambulant und können dort auch gut und in hoher Frequenz vermittelt werden. Eine nennenswerte Finanzierung der ambulanten Weiterbildung: Fehlanzeige. Die angemessene Vergütung der in der Weiterbildung erbrachten ärztlichen Leistung ist eine dringende Aufgabe für die Organe der Ärzteschaft gegenüber Politik und Krankenkassen.
Curriculäre Elemente
Die Straffung der ärztlichen Weiterbildung erfordert curriculäre Elemente in der Weiterbildung. Im Studium erworbene Kenntnisse könnten durch gezielte Kurse fachspezifisch vertieft werden. Beispielsweise ein einwöchiger Intensivkurs als Einstieg in die Sonographie mit Blended Learning und Zertifikat, damit wird neben der klinischen Kompetenz auch die Anerkennung der Leistung durch die Ärztekammer erlangt. Ähnliches könnte man sich für Blutbilder, endoskopische Befunde und Rhythmusstörungen und andere kompakt und zielgerichtete Kompetenzerwerbe vorstellen. Insgesamt sollte der modulare, gezielte Kompetenzerwerb im Vordergrund stehen statt ein Warten auf das Ende der Weiterbildungszeit.
Erneuerung der Weiterbildungsordnung steht auf der Agenda
Warten wir nicht auf bessere Zeiten. Die Neuordnung der Weiterbildungsordnung steht in den nächsten ein bis zwei Jahren auf der berufspolitischen Agenda. Legen wir jetzt essenzielle Inhalte der Weiterbildung und deren zügige Vermittlung, auch mit neuen Lernmethoden, fest. Unsere Kolleginnen und Kollegen in Weiterbildung und unsere Patienten werden davon profitieren.
Dr. med. Wolf Andreas Fach, Präsidiumsmitglied der Landesärztekammer Hessen