Mit der Dauerausstellung „Wir sind jetzt. Jüdisches Frankfurt von der Aufklärung bis zur Gegenwart“ bietet das Jüdische Museum Frankfurt einen tiefgehenden Einblick in die facettenreiche Geschichte der jüdischen Gemeinschaft der Stadt. Auf rund 1.500 Quadratmetern im historischen Rothschild-Palais veranschaulichen interaktive Stationen, Multimedia-Installationen und wertvolle Exponate eindrucksvoll, wie jüdische Bürgerinnen und Bürger Frankfurt kulturell und wirtschaftlich geprägt haben.

Drei Etagen jüdischer Geschichte und Kultur

Zu den herausragenden Werken gehören Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim, Henri Matisse und Ludwig Meidner sowie zeremonielle Objekte aus der Werkstatt von Felix Horovitz. Die Ausstellung erstreckt sich über drei Etagen und beleuchtet zentrale Aspekte jüdischen Lebens in Frankfurt. Der Rundgang beginnt im lichtdurchfluteten Neubau, wo durch das Fenster das Kunstwerk „untitled“ von Ariel Schlesinger sofort ins Auge fällt: Zwei Bäume, von denen einer auf dem anderen ruht – ein Symbol für Verwurzelung und die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Nachkriegsgeschichte und jüdisches Leben heute

Ein grün glasierter Aschenbecher mit der hebräischen Inschrift „Trotz allem – Israel lebt“, der den Neuanfang der jüdischen Gemeinschaft nach dem Holocaust symbolisiert. Das dritte Obergeschoss widmet sich der Nachkriegsgeschichte und dem jüdischen Leben in Frankfurt heute. Fotografien von Peter Loewy zeigen die Vielfalt jüdischer Identitäten in der Gegenwart.

Darüber hinaus thematisiert die Ausstellung die unvollständige Aufarbeitung der NS-Verbrechen sowie die Restitution geraubter Kunstwerke. Ein eindrucksvolles Beispiel ist das Werk „Paysage – Le mur rose“ von Henri Matisse, das erst nach 60 Jahren an eine Wohltätigkeitsorganisation zurückgegeben wurde – die Erbin des ursprünglichen Besitzers, des Frankfurter Unternehmers Harry Fuld.

Antisemitismus im historischen Wandel

Die Ausstellung macht deutlich, dass Antisemitismus eine lange Geschichte hat. Über Jahrhunderte wandelten sich die Vorurteile und Mythen über Juden, doch die Feindseligkeit blieb bestehen. Im späten 19. Jahrhundert entstand eine neue Form der Judenfeindlichkeit, die das Judentum als „fremde Rasse“ diffamierte. Antisemitische Ideologien fanden zunehmend Eingang in Politik und Gesellschaft.

Ein bemerkenswertes Exponat ist die Publikation „Anti-Anti“, die erstmals 1924 erschien. Die in der Ausstellung gezeigte 7. Auflage von 1932 enthielt Karten mit Zahlen, Fakten und Quellenangaben als Argumentationshilfe gegen antisemitische Verleumdungen. Herausgegeben wurde sie vom Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, der als größte jüdische Vereinigung Deutschlands durch Gerichtsprozesse und Aufklärungsarbeit gegen den Judenhass kämpfte.

Familie und Alltag: Jüdisches Leben in Frankfurt

Jüdische Kultur wird seit jeher innerhalb der Familie weitergegeben. Im ersten Stock stehen drei bedeutende Frankfurter Familien im Fokus: die Bankiersfamilie Rothschild, die Kaufmannsfamilie Frank und die Familie des Autors Valentin Senger. Ihre Geschichten werden anhand persönlicher Erinnerungsstücke und Alltagsobjekte lebendig.

Ein eigener Raum ist der Familie Rothschild gewidmet, deren wirtschaftlicher Einfluss weit über Frankfurt hinausreichte. Ein unscheinbarer Brief markiert die Geburtsstunde des Bankhauses „M. A. Rothschild & Söhne“.

Ebenso eindrucksvoll ist die Präsentation zur Familie Frank: In einer Vitrine liegen Anne Franks Tagebuch, eine Schreibmaschine ihres Vaters Otto Frank und Dokumente, die zeigen, wie ihr Vermächtnis weltweit fortlebt. Das ursprünglich auf Niederländisch verfasste Tagebuch wurde mittlerweile in mehr als 70 Sprachen übersetzt.

Die Familie Senger floh als Kommunisten aus Russland und engagierte sich in Frankfurt für soziale Gerechtigkeit. Angesichts des wachsenden Antisemitismus hielten sie ihre jüdische Herkunft geheim. Als 1933 die Verfolgung begann, blieben sie unentdeckt – sie lebten unauffällig in einer kleinen Hinterhauswohnung in der Kaiserhofstraße 12 und überlebten. Später schilderte Valentin Senger diese außergewöhnliche Geschichte in seinem Roman „Kaiserhofstraße 12“.

Ein Ort der Erinnerung und des Dialogs

Die Dauerausstellung des Jüdischen Museums Frankfurt erzählt von 200 Jahren jüdischen Lebens, von Schicksalen und Erfolgen, von Verlust und Neubeginn. Sie macht das reiche kulturelle Erbe sowie die Wunden der Verfolgung sichtbar – aber auch die Lebendigkeit der heutigen jüdischen Gemeinschaft.

Die Kombination aus historischen Exponaten, moderner Kunst und interaktiven Elementen macht das Jüdische Museum Frankfurt zu einem bedeutenden Ort der Erinnerung und des interkulturellen Austauschs.

Aktuelle Informationen zu Ausstellungen, Veranstaltungen und Führungen finden Sie auf der Website https://www.juedischesmuseum.de/

Maren Siepmann