Dass sich die aktuellen politischen Verhältnisse in Deutschland auch erheblich auf das Gesundheitswesen auswirken, wurde auf der Delegiertenversammlung der Landesärztekammer Hessen (LÄKH) am 23. November deutlich. So stelle sich nach dem Bruch der Ampelkoalition die Frage, wie es mit den aktuellen Gesetzgebungsverfahren weitergehe, sagte Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident der LÄKH, in seinem – bundesweite und auf Hessen bezogene Themen umspannenden – Bericht zur Lage.
Im Bundestag gilt der sog. Grundsatz der Diskontinuität, wonach alle Vorlagen am Ende der Wahlperiode als erledigt betrachtet werden. Dies bedeutet, dass im Bundestag noch nicht abschließend behandelte Gesetzesvorlagen nicht in Kraft treten könnten. Betroffen wären davon u. a. das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz und damit die Entbudgetierung der Hausärzte, die Notfallreform, das Digitalagenturgesetz sowie das Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit. Tatsächlich werde vor allem eine Reform der Notfallversorgung dringend benötigt, ebenso die Entbudgetierung der Hausärzte und der fachärztlichen Praxen, hob Pinkowski hervor. „Wir brauchen eine funktionierende Patientensteuerung und eine deutliche spürbare Entlastung von überflüssiger Bürokratie.“
Krankenhausreform
Ein Gesetz hat dagegen rechtzeitig alle Hürden genommen: So wurde das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) trotz vielfacher Widerstände nicht vom Bundesrat in den Vermittlungsausschuss geschickt. Die hessische Landesregierung habe sich am 22. November im Bundesrat schlichtweg enthalten, kritisierte Pinkowski am darauffolgenden Tag. Nun könne das Gesetz am 1. Januar 2025 in Kraft treten. Nach derzeitigem Stand werde die Umsetzung aber über mehrere Jahre hinweg bis 2029 dauern. „Je nach Ausgang der Wahlen könnte eine neue Regierung Änderungen vornehmen und muss dies aus meiner Sicht auch tun und zwar möglichst schnell“, betonte der hessische Ärztekammerpräsident.
„Verstationierung statt Ambulantisierung“
Als Beispiel nannte Pinkowski die Regelung, nach der künftig in Gebieten, in denen Facharztsitze unbesetzt sind, sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen und Sicherstellungskrankenhäuser fachärztliche Leistungen anbieten können sollen und dort, wo Hausärztinnen und Hausärzte fehlen, auch allgemeinmedizinische Behandlungen. Die Klinik werde dafür innerhalb des KV-Systems wie eine Praxis bezahlt. „Statt Ambulantisierung erfolgt hier quasi eine Verstationisierung“, so Pinkowski. „Sinnvoll wäre dagegen eine Förderung der Niederlassung.“ Es gebe keine Entökonomisierung, es bleibe bei der Deckelung der Budgets und Bürokratie werde auf- statt abgebaut. Pinkowski fasste zusammen: „Die Auswirkungen des Gesetzes sind noch völlig unklar.“
Vorbereitungen für den Ernstfall
Kriege, Krisen und Konflikte: Zwar habe Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im März angekündigt, das Gesundheitssystem im Zuge eines gesonderten Gesetzes besser auf Katastrophen und eventuelle militärische Konflikte vorbereiten zu wollen. Allerdings sei es bei diesen Ankündigungen geblieben, so Pinkowski. Die Frage, ob das Gesundheitswesen auf einen längeren Ernstfall vorbereitet sei, werde von Experten mit Nein beantwortet. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr benötige das zivile Gesundheitssystem zur Unterstützung, die Strukturen müssten verzahnt und Vorbereitungen für den Ernstfall getroffen werden.
Blick auf Hessen
Wiederbelebungsunterricht: Ausdrücklich begrüßte Pinkowski, dass das Land Hessen nach einer Pilotphase den Wiederbelebungsunterricht an allen weiterführenden Schulen ausrolle. Binnen der nächsten drei Jahre sollen die Schulen für die siebte Jahrgangsstufe den – auf einer Initiative der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Uniklinik Marburg unter Federführung von Prof. Dr. med. Hinnerk Wulf basierenden – Wiederbelebungsunterricht anbieten. „Hier gilt endlich einmal wieder: Hessen vorn!“
Heilberufsgesetz: Pinkowski informierte über die Verlängerung der Geltungsdauer des hessischen Heilberufsgesetzes bis zum 31.12.2025. Die Rechtsaufsicht für die LÄKH liege beim Hessischen Gesundheitsministerium und die Rechtsaufsicht für das Versorgungswerk beim Hessischen Arbeits- und Sozialministerium.
Fortbildungskongresse: Nachdem der Deutsche Ärztetag 2024 in Mainz eine neue (Muster-)Fortbildungsordnung (MFBO) beschlossen hat, die nun in den Ärztekammern in das Satzungsrecht überführt werden muss, hätten zahlreiche große Fachgesellschaften die Sorge um die Zukunft ihrer großen Kongresse zum Ausdruck gebracht, sagte Pinkowski. Tatsächlich habe sich die grundlegende Rechtslage jedoch nicht verändert, so dass die bisherigen Offenlegungen der Kongressunterlagen im Rahmen der Anerkennung von Fortbildungspunkten auch unter den neuen Kriterien in den meisten Fällen in Hessen unverändert zu einer Anerkennung führen würden.
Evaluationsprojekte Weiterbildung: Aufgrund eines Delegiertenbeschlusses fasst die Stabsstelle Qualitätssicherung (QS)
der LÄKH bisherige und zukünftige zentrale Ergebnisse zu den Evaluationsprojekten der Weiterbildung zusammen. Ab Dezember 2024 werden die Ergebnisse der Jahre 2023 und 2024 auf der Website der LÄKH online abrufbar sein.
Weiterbildungsregister: Der Vorstand der Bundesärztekammer habe mit großer Mehrheit die Einrichtung eines Weiterbildungsregisters nach hessischem Vorbild empfohlen, informierte Pinkowski weiter. Ziel sei es, im Kontext u. a. der Krankenhausreform und des Ärztemangels belastbare, umfängliche, vollständige und aktuelle Zahlen zur ärztlichen Weiterbildung in allen Kammern verfügbar zu machen.
eLogbuch: Die von der LÄKH angebotenen Online-Schulungen für das eLogbuch würden sehr gut angenommen und stießen auf „ein tolles Feedback“.
Cannabispräventionsprojekt: Mit Erfolg sei im Juni 2024 das Cannabispräventionsprojekt „Kiffen bis der Arzt kommt?“ der LÄKH in Anwesenheit des hessischen Kultusministers Armin Schwarz (CDU) gestartet und auf ein großes Interesse von Schulen aus vielen Teilen Hessens gestoßen.
Hitzeaktionstag: Positive Reaktionen habe es auch auf die beiden öffentlichkeitswirksamen Aktionen gegeben, mit denen sich die LÄKH in Zusammenarbeit mit der Malteser-Migranten-Medizin Frankfurt an dem bundesweiten Hitzeaktionstag am 5. Juni 2024 beteiligt hatte.
Hessisches Krebsregister: Zum Abschluss seines Berichts informierte Pinkowski über die Jubiläumsfeier anlässlich des zehnjährigen Bestehens der klinischen Krebsregistrierung im Hessischen Krebsregister – unter anderem mit einem Grußwort von Ministerin Diana Stolz – am 25. Oktober in den Räumen der LÄKH (siehe Artikel auf S. 38).
Jahresabschluss 2023 festgestellt
„Alles hat sich erstaunlich gut entwickelt“: Mit diesen Worten leitete Dr. med. Sabine Dominik, Vorsitzende des Finanzausschusses, die Vorstellung des Jahresabschlusses 2023 der LÄKH ein. So habe das Beitragsaufkommen des Veranlagungsjahres 2023 u. a. aufgrund von Einkommenssteigerungen der Mitglieder sowie eines leichten Anstiegs der Mitgliederzahlen mit TEUR 1.982 über dem Vergleichswert des Vorjahres (TEUR 21.498) gelegen. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der Kammerbeiträge der Vorjahre ergebe sich eine Verbesserung um TEUR 782. Die Anzahl der beitragspflichtigen Mitglieder war im Berichtsjahr von 32.985 auf 33.652 gestiegen. Daneben verzeichnete die LÄKH 5.882 beitragsfreie Mitglieder.
Im Berichtsjahr 2023 ergibt sich ein Jahresüberschuss in Höhe von TEUR 4.493. Dieser ungeplant hohe Überschuss ergab sich nicht nur aus den oben erwähnten höheren Beitragseinnahmen, sondern gleichfalls im Wesentlichen aus weit niedrigeren Ausgaben als geplant, so z. B. auch wegen nicht oder später umgesetzter Einstellungen und gleichfalls wegen weniger Aufwendungen für die Altersversorgungs-Rückstellungen aufgrund der veränderten Zinssituation. Damit wurde der von der Delegiertenversammlung (DV) am 26. November 2022 beschlossene Haushaltsplan in Summe übertroffen. Im Haushalt 2023 wurden gemäß Jahresabschlussbericht die geplanten Erträge inklusive der Entnahme aus zweckgebundenen Rücklagen um TEUR 1.345 überschritten und die geplanten Aufwendungen um TEUR 3.474 unterschritten.
Dr. Karsten Hövermann von der W+ST Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Frankfurt bestätigte, dass sich im Ergebnis der Prüfung keine Beanstandungen ergeben hätten, so dass ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerkt erteilt werden könne. Die Delegiertenversammlung stellte den geprüften Jahresabschluss 2023 auf Empfehlung des Finanzausschusses einstimmig fest und erteilte den Präsidien für das Geschäftsjahr 2023 Entlastung.
Haushaltsplan 2025 verabschiedet
Nachdem der Haushaltsplan aus dem Vorjahr ein relativ geringes negatives Ergebnis in Höhe von T€ – 307 („nahe einer roten Null“) zur Folge hatte, weist der ebenfalls von Dominik vorgestellte Verwaltungshaushalt 2025 unter Annahme der geplanten Ertrags- und Kostenarten ein positives Ergebnis in Höhe von T€ 72 aus.
Das positive Ergebnis resultiert u. a. daraus, dass sich die Erträge im Kammerbeitrag voraussichtlich positiv entwickeln, während die übrigen Erträge leicht sinken. Der Personalaufwand steigt im Vergleich zum Haushaltsplan 2024 nicht, bzw. sinkt sogar um TEUR € 11. Mehraufwendungen im Gehaltskostenbereich werden durch Minderkosten bei den Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung ausgeglichen. Grund ist eine im Betrachtungszeitraum wirksam werdende leichte Steigerung der Durchschnittsverzinsung.
Die Planergebnisse führen zum Erhalt des notwendigen Eigenkapitals und der für das operative Geschäft notwendigen Liquidität. Die Betriebsmittelrücklage bewegt sich innerhalb des Sollkorridors. Damit sind alle Anforderungen der Haushalts- und Kassenordnung erfüllt.
Einstimmig wurde der Haushaltsplan für das Jahr 2025 von der Delegiertenversammlung angenommen.
Aktueller Bericht über den Standort Bad Nauheim
Christoph Berger, Kaufmännischer Geschäftsführer der LÄKH, informierte die Delegierten über die Ergebnisse des von einem Ingenieurbüro erstellten und von dem beratenden Architekten der LÄKH bewerteten Energiegesamtkonzeptes am Standort Bad Nauheim. Gemäß DV-Beschluss strebt die LÄKH eine klimaneutrale Kammer bis 2030 an. Das Energiegesamtkonzept beinhalte verschiedene Maßnahmen, so Berger, unter anderem mit dem Ziel, den Energieverbrauch zu senken, die Energieeffizienz zu steigern, den Anteil der erneuerbaren Energien zu erhöhen, aber auch, um den CO2-Ausstoß für die Bestandsgebäude zu optimieren. Zu den von dem beratenden Architekten befürworteten Maßnahmen zählten Akademieumbau inklusive Photovoltaikanlage, Instandhaltungsmaßnahmen für das Seminargebäude/COS und das Gästehaus sowie ein Blockheizkraftwerk.
Nach eingehender Diskussion beauftragten die Delegierten die Geschäftsführung mit einem detaillierten Planungskonzept hinsichtlich Realisierung, einer konkreten Kostenplanung und einer Bewertung bezüglich Einspar- und Klimaschutzeffekten. Dies alles soll als Entscheidungsgrundlage für entsprechende Maßnahmen an den Gebäuden in Bad Nauheim auf der Delegiertenversammlung im März 2025 vorgelegt werden, sofern verfügbar.
Auch wurde beschlossen, den Jahresüberschuss 2023 als zweckgebundene „Rücklage zur Weiterentwicklung des Immobilienstandorts Bad Nauheim“ vorzusehen.
Änderungen der Rechtsquellen
Der Tagesordnungspunkt 8 behandelte die Änderungen von Rechtsquellen. Die Berufsordnung wurde in vier Punkten geändert. So wurde die Fortbildungspflicht in § 4 an die Fassung der vom 128. DÄT 2024 in Mainz beschlossenen Regelung in der (Muster-)Berufsordnung angepasst.
In der Vorschrift zur Herausgabe von Kopien der Patientenunterlagen in § 10 Abs. 2 S. 2 wurde in Umsetzung des EUGH-Urteils (C-307/22) vom 26.10.2023 die Passage „gegen Erstattung von Kosten“ gestrichen.
Die Regelungen zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst in § 26 haben in Umsetzung der drei Bundessozialgerichtsurteile vom 25.10.2023 zur Teilnahme- und Kostenbeteiligungspflicht von Privatärzten im Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen eine Klarstellung und Verweis auf die aktuelle Bereitschaftsdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen erfahren.
Zudem wurde die vom Weltärztebund im Oktober 2024 beschlossene neue Deklaration von Helsinki in „§ 15 Forschung“ fortgeschrieben und durch Änderung des Absatzes 2 die Voraussetzungen zur Umsetzung des von Bundesärztekammer und des Arbeitskreises medizinischer Ethik-Kommissionen konsentierten neuen Verfahrens für berufsrechtliche Studien „Eine Studie, ein Votum“ bei der Ethik-Kommission der LÄKH geschaffen.
Weiterbildungsordnung
Über die Berufsordnung hinaus standen Änderungen der Weiterbildungsordnung (WBO) zur Abstimmung, die von Daniel Libertus, Leiter der Abteilung für Ärztliche Weiterbildung der LÄKH vorgebracht wurden. Eine Änderung in der Facharztbezeichnung Kinder- und Jugendmedizin sorgte für eine rege Diskussion. Künftig ist der 80-Stunden-Kurs Psychosomatische Grundversorgung Pflichtbestandteil in der Weiterbildung zum Facharzt Kinder- und Jugendmedizin, wie er bereits in anderen Gebieten Pflichtbestandteil ist.
Zusatzweiterbildungen entschlacken
Kritisch gesehen wurde dies von der Delegierten Svenja Krück (Liste Jung.Nachhaltig.Fair). Erst auf dem Deutschen Ärztetag habe man sich darauf geeinigt, Zusatzweiterbildungen zu entschlacken. Damit einhergehend war das allgemeine Ziel, die Weiterbildung insgesamt zu entschlacken. Eine Erweiterung der Anforderungen an den Facharzt der Kinder- und Jugendmedizin stünde diesem Ziel jedoch entgegen.
An einer Entschlackung habe man bereits gearbeitet, so Dr. med. H. Christian Piper (Marburger Bund), Vorsitzender des Ausschusses Ärztliche Weiterbildung. In drei Sitzungen wurden alle Zusatzweiterbildungen durchsortiert. Der Prozess sei angerollt. Doch sei dies unabhängig von dem Wunsch nach einem psychosomatischen Modul in der Weiterbildung Kinder- und Jugendmedizin zu betrachten, sagte Piper.
Mehr sprechende Medizin
Die Psychosomatik sei schon im Medizin-Studium unterrepräsentiert, so Dr. med. Barbara Jaeger (LDÄÄ), Mitglied des Präsidiums der LÄKH. Sie sprach sich für die Aufnahme des Moduls aus. Es gebe Inhalte, die Ärztinnen und Ärzte nur in entsprechendem Rahmen bewältigen können, so Jaeger. Auch Dr. med. Thomas Sitte, Delegierter der Liste Netzärzte, stimmte mit den Worten zu: „Wir brauchen dringend Kurse, die Gesprächsführung vermitteln.“
In der Tat müsse man die Kosten- und Freistellungsproblematik im Auge behalten, stimmte Dr. med. Wolf Andreas Fach (Liste Fachärztinnen und Fachärzte) kritischen Stimmen aus dem Ärzteparlament zu. Einige der Delegierten äußerten Bedenken darüber, wie sich eine entsprechende Kurs-Weiterbildung in die Arbeitszeit einfügen könne. Laut dem LÄKH-Vizepräsidenten Dr. med. Christian Schwark (Marburger Bund) würde im Studium immer wieder mehr „sprechende Medizin“ gefordert. Kurs-Weiterbildungen wie diese könnten theoretische Grundlagen vermitteln, die in der Praxis hilfreich sind. Natürlich dürfe diese neue Pflichtvoraussetzung nicht zulasten der Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung gehen, betonte Schwark.
Weiterbildung im Fokus halten
Die Vize-Präsidentin der Bundesärztekammer und Delegierte der Liste Marburger Bund Dr. med. Susanne Johna warnte vor einer zunehmenden Auslagerung der Weiterbildung: „Wir bewegen uns immer mehr hin zur Entwicklung von Kursen neben der Weiterbildung.“ Sie sehe es mit Sorge, dass man sich in eine Richtung begebe, in der Inhalte nicht im Rahmen der Weiterbildung, sondern nur noch on top gelernt werden könnten. Bringe man damit nicht Kolleginnen und Kollegen dazu, entsprechende Kurse in ihrer Freizeit zu belegen, fragte Johna kritisch.
In der Praxis, erinnerte Dr. med. Sabine Olischläger (Die Hausärzte) ihre Kolleginnen und Kollegen im Plenum, gebe es kaum Weiterbilder im Bereich der psychosomatischen Grundversorgung. Man könne sich diese Skills also nur über Kurse aneignen. Die Aufnahme der Kurs-Weiterbildung hielt Olischläger deshalb für „perspektivisch absolut sinnvoll“.
Nach umfassender Debatte wurde dieser neben weiteren Änderungen zugestimmt. Kolleginnen und Kollegen, die sich aktuell in Weiterbildung unter Befugnis Kinder- und Jugendmedizin befinden, müssen jedoch nicht aufschrecken – wer vor dem 1.1.2025 mit der Weiterbildung begonnen hat, ist bis zum 31.12.2028 von der Pflicht des Nachweises des Kurses befreit.
Verbundweiterbildung
Im Auftrag der DV beschäftigte sich der Ausschuss Ärztliche Weiterbildung darüber hinaus seit März 2024 intensiv mit dem Thema Verbundweiterbildung. Piper stellte den Arbeitsstand vor.
Von der sich anbahnenden Krankenhausreform bleibe auch der Bereich der Ärztlichen Weiterbildung nicht unberührt. Die angedachte Leistungsgruppensystematik werde dazu führen, dass Ärztinnen und Ärzte zur Erlangung aller notwendigen Weiterbildungsinhalte künftig häufiger als zuvor ihre Weiterbildungsstätten wechseln müssen. Der Zusammenschluss von mehreren Weiterbildungsstätten zu Verbünden bzw. Netzwerken könnte für reibungslosere Weiterbildungsabläufe sorgen – mit weniger Bürokratie, dafür aber mit mehr Transparenz und Überblick für die Weiterzubildenden. Im Ausschuss habe man beraten, inwieweit es der LÄKH im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben möglich ist, für den Aufbau entsprechender Verbundstrukturen zu sorgen, um zur Sicherstellung der Qualität der Ärztlichen Weiterbildung beizutragen.
Verständnislage heterogen
Ein Blick auf die Verständnislage beim Thema Verbundweiterbildung ergebe nach Austausch mit den übrigen Landesärztekammern ein eher heterogenes Bild. Auch innerhalb einzelner Fachgebiete bestehe häufig kaum Klarheit, was mögliche Verbundausgestaltungen und Kooperationsstrukturen angehe. Dazu komme die ohnehin unzureichende Finanzierung der Weiterbildung über die meisten Facharztgebiete hinweg.
Flexible Weiterbildungswege
Derzeit stelle insbesondere das bundesgesetzliche Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ein formales und wirtschaftliches Hindernis dar, Weiterbildung unter einem gemeinsamen Arbeitsvertrag an mehreren Weiterbildungsstätten zu verbinden. Solche Weiterbildungswege könnten derzeit allenfalls unter mehreren Verträgen in freiwilliger Kooperation von mehreren Weiterbildungsträgern umgesetzt werden, so Piper. Das heiße aktuell, dass mit jedem beteiligten Arbeitgeber ein neuer Arbeitsvertrag in seinen tariflichen und sonstigen Vertragsregelungen wie z. B. Kündigungsrechte, Gehaltsstrukturen und Arbeitszeiten und Versorgungsregelungen geschlossen werden muss. Was diesen Prozess angehe, habe die Kammer keine Handhabe. Sie könne hier nur orientierend begleiten, anregen, aber nicht mitverantwortlich strukturieren und Einfluss nehmen.
Erst wenn sich zukünftig Einrichtungen in verbindlichem Rechtsrahmen zusammenschließen könnten, könne man für Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung einen Weiterbildungsdurchlauf vorab zertifizieren. Dann könne und müsse die LÄKH z. B. die individuellen Weiterbildungspläne prüfen und dazu auch eine geeignete Rotation vorgeben und nachhalten.
Richtlinien für Weiterbildungsnetzwerke
Inzwischen seien jedoch Regelungen für einzelne, umschriebene Verbundoptionen in Hessen erarbeitet und im Rahmen die kammerinternen Richtlinien zur Weiterbildungsordnung 2020 bereits im Präsidium beschlossen worden (siehe S. 75ff). Diese in Hessen gültigen Richtlinien benennen Rahmenbedingungen für freiwillige Weiterbildungsnetzwerke, eröffnen den formalen Weg zu gemeinsamen Befugnissen für verbundene fachgleiche Einrichtungen und aus Kliniken ausgegliederte MVZ oder Tageskliniken sowie zu sogenannten „Delegationen“. Delegationen ermöglichen Weiterbildungszeiten von wenigen Wochen an einer kooperierenden Einrichtung, um einzelne selten angebotene und an der (Haupt-)Weiterbildungsstätte nicht zu erlernende Handlungskompetenzen zu erwerben. Sonst liegt die Anerkennungsschwelle bei drei Monaten Weiterbildungszeit.
In der so ergänzten Richtlinie sei auch neu geregelt, dass alle vermittelbaren Kompetenzen unter einer Befugnis wie auch die der Kammer angezeigten freiwillige Netzwerke ab 2025 auf der Homepage der Kammer veröffentlicht werden. Damit sollten sich alle Weiterzubildenden niederschwellig informieren können, welche Skills an welcher Stelle angeboten werden. Für jegliche Befugnisse sei beschlossen worden, das Weiterbildungsangebot der Weiterbildungsstätten alle fünf Jahre auf Aktualität zu überprüfen.
Fazit
Die notwendigen Rahmenbedingungen für einen Gesamtvertrag über ganze Weiterbildungsstrecken lägen rechtlich außerhalb der heutigen Zuständigkeiten einer Ärztekammer, so Piper. Sowohl beim Landesministerium wie auch auf Bundesebene setze man sich bereits seit Längerem dafür ein, Verbünde von Weiterbildungsstätten durch gesetzliche Änderungen zu ermöglichen. „Bekannte Grenzen müssen zeitnah bewusst eingerissen werden, um die Weiterbildung hindernisärmer und flexibler zu machen“, schloss Piper die Überlegung, mit Hinweis auf die noch unabsehbaren, weiterbildungsrelevanten Folgen der anstehenden Krankenhausreformen.
Beschlüsse zu gesundheitspolitischen Themen
Veränderungen bei Krankenhausreform: Ausdrücklich forderten die Delegierten des hessischen Ärzteparlaments (Antrag Dr. Wolf Andreas Fach, Fachärztinnen und Fachärzte Hessen, et al.) die Landesregierung Hessen dazu auf, auch unter Mitwirkung der LÄKH die nach Verabschiedung des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) erforderlichen Veränderungen der klinischen Versorgung im Interesse von Patientinnen und Patienten ganzheitlich und mit einer qualifizierten Folgeabschätzung umzusetzen. Unter anderem müsse dabei vorrangig eine qualitativ und quantitativ gute Patientenversorgung in allen Leistungsgruppen sowohl im städtischen als auch im ländlichen Bereich berücksichtigt werden.
Resilienzstrategie:Auch forderte das hessische Ärzteparlament das Hessische Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege auf, bei der Umsetzung der Krankenhausreform Vorbereitungen für Krisenfälle zu berücksichtigen (Antrag Dr. Susanne Johna, MB, et al.). Eine dringend notwendige Resilienzstrategie müsse für das Gesundheitswesen unter Berücksichtigung der Kapazitäten im ambulanten Bereich entwickelt und umgesetzt werden. Dies beinhalte neben ausreichender Vorhaltung auch klare Pläne für Krisenszenarien.
Weiterbildung im Fokus halten: Trotz der vorgesehenen Leistungsgruppensystematik in der anstehenden Krankenhausreform sei es unabdingbar, dass die ärztliche Weiterbildung in Hessen gemäß der Weiterbildungsordnung der LÄKH flächendeckend angeboten werden könne, appellierten die hessischen Ärztevertreter an das hessische Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege (Antrag: Dr. Susanne Johna, MB, et al.) .
Finanzierung von Sprachmittlung: Gelungene Kommunikation sei die Grundlage wirksamer medizinischer Behandlung und ärztlicher Tätigkeit, betonten die Delegierten. Dagegen verstärken mangelnde Kommunikation und Sprachbarrieren soziale Schieflagen und bewirken gesundheitliche Schädigung sowie Ausgrenzung der davon betroffenen Menschen.
Dr. med. Peter Zürner (Liste Fachärztinnen und Fachärzte Hessen), Präsidiumsmitglied und Initiator eines Runden Tisches der LÄKH zur Kommunikation in der Kinder- und Jugendmedizin (siehe S. 14), nannte die Kommunikationsprobleme bei Kinderärzten teilweise dramatisch. Patienten und Angehörige hätten das Recht, sich verständlich zu machen. Mit großer Mehrheit forderte das hessische Ärzteparlament die Politik in Land und Bund in einer Resolution (Antrag: Dr. med. Christof Stork, LDÄÄ, et al.) dazu auf, eine ausreichende Finanzierung von Sprachmittlung gesetzlich zu verankern und den Zugang niederschwellig zu ermöglichen.
Recht auf Teilhabe:Es gebe keine „gute“ und „schlechte“ Migration, betonte das hessische Ärzteparlament. Ärztliche Aufgabe sei es, für die Gesundheit aller Menschen ohne Ansehen ihrer Herkunft oder anderer Merkmale zu sorgen. Daher wurden Kommunen, Länder und Bund aufgefordert (Antrag: Christof Stork, LDÄÄ, et al.), bei jeder Entscheidung die Gesundheit, das Recht auf Teilhabe am sozialen Leben sowie auf Selbstwirksamkeit durch Arbeit für Betroffene des deutschen Aufenthaltsrechts vorrangig zu berücksichtigen.
Anpassung Leistungsbewertungen an Inflationsentwicklung: Im Rahmen der Delegiertenversammlung stimmte das hessische Ärzteparlament darüber ab (Antrag: Dirk Paulukat, Fachärztinnen und Fachärzte Hessen, et al.), den Vorstand der Bundesärztekammer aufzufordern, die Leistungsbewertungen im GOÄ-Entwurf von 2024 an die Inflationsentwicklungen anzupassen. Die Version der novellierten GOÄ weise in einigen Bereichen nicht nachvollziehbare Abwertungen im Vergleich zur BÄK-Version von 2022 auf, heißt es in der Begründung des Antrags. Ein zu niedriger Inflationsausgleich bedeute im Ergebnis eine Honorarkürzung für die Ärztinnen und Ärzte. Der Antrag wurde nach reger Diskussion abgelehnt.
Anerkennung Arztausweis: Der aktuelle Arztausweis sei schon im benachbarten Ausland quasi wertlos, schreiben Dirk Paulukat (Fachärztinnen und Fachärzte Hessen) et al. in einem an den Vorstand der Bundesärztekammer gerichteten Antrag auf Verbesserung der internationalen Anerkennung und Nutzbarkeit des deutschen Arztausweises. Die Delegiertenversammlung stimmte dem Antrag von Paulukat und seinen Mitantragstellern Dr. med. Detlef Oldenburg (Fachärztinnen und Fachärzte Hessen) und Dr. med. Michael Weidenfeld (Fachärztinnen und Fachärzte Hessen) zu.
Fortführung Weiterbildung in Schwangerschaft: Vom Hessischen Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege forderten die hessischen Delegierten auf Antrag von Dr. med. Dr. med. univ. (UBFM/Belgrad) Eva See (Fachärztinnen und Fachärzte Hessen) et al. die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine strukturelle Förderung von Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung in Hessen zu schaffen und zu finanzieren. Berücksichtigt werden müssten in besonderem Maße die Arbeits- und Lebensbedingungen derjenigen, die aufgrund von Schwangerschaft, Stillzeit, Elternschaft und anderer Sorgearbeit in der Familie Unterstützung benötigen. Aufgrund des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels sei es notwendig, die Fortführung ärztlicher Tätigkeiten insbesondere im Rahmen der Ärztlichen Weiterbildung zu unterstützen.
Rahmenbedingungen ärztliche Erwerbstätigkeit Sorgearbeit: Darüber hinaus forderten die Delegierten vom Ministerium, die rechtliche Rahmenbedingungen für einen strukturellen Wandel zur Vereinbarkeit von ärztlicher Erwerbstätigkeit und Sorgearbeit in der Familie zu implementieren. Dabei bedürfe es der Schaffung von Unterstützungsangeboten, welche zur Fortführung der ärztlichen Berufsausübung notwendig und somit in der Finanzierung zu bedenken seien, schreiben See (Fachärztinnen und Fachärzte Hessen) et al. in ihrem Antrag.
Zulassungsverfahren Facharztprüfung: An das Präsidium überwiesen wurde ein Antrag von Michael Andor (Die Hausärzte) et al., das Verfahren zur Zulassung zur Facharztprüfung in der Landesärztekammern analog zum Verfahren in Rheinland-Pfalz zu ändern, um die Abläufe zu beschleunigen und für mehr Planungssicherheit zu sorgen.
Einsatz von Ethanol: Im letzten Beschluss dieser DV fordern die Delegierten die Europäische Chemikalienagentur und die Regierung des Landes Hessen auf, bei einer zukünftigen Einstufung von Ethanol in der Biozidprodukteverordnung die Verfügbarkeit der Substanz – aufgrund seiner Unverzichtbarkeit als wesentlicher Bestandteil wirksamer Desinfektionsmittel – im medizinischen Bereich zu erhalten. (Antrag: Dr. med. Wolf Andreas Fach, Fachärztinnen und Fachärzte Hessen, et al.)
Katja Möhrle, Marissa Leister