Mit rund 130 Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Medizin, Krebsregistrierung und Tumordokumentation feierte das Team des Hessischen Krebsregisters am 25. Oktober 2024 das Jubiläum zehnjähriger klinischer Krebsregistrierung in Hessen. In den Räumen der Landesärztekammer Hessen in Frankfurt wurden am Vormittag Workshops zu den Themen Tumordokumentation sowie Datennutzung und -beantragung angeboten – die Teilnahme war sowohl virtuell als auch vor Ort möglich. Am Nachmittag fand das Jubiläumssymposium als Präsenzveranstaltung statt.
Moderator Tim Schreder verknüpfte mit guter Laune die einzelnen Redebeiträge des Symposiums, das musikalisch vom Ensemble Trio Colori eröffnet und umrahmt wurde. Das Trio unter Leitung von Matthias Jakob (Gitarre) war viele Jahre im Rahmen des ehemaligen Vereins „Künstler gegen Krebs“ aktiv und trug durch seine Musik zur besonderen Atmosphäre der Veranstaltung bei.
Vier Grußworte
Hessens Gesundheitsministerin Diana Stolz (CDU) eröffnete den Reigen der Grußworte, sie hob die Bedeutung des Krebsregisters für die Krebsfrüherkennung, -behandlung und -forschung hervor.
Monika Buchalik, Erste Beisitzerin des Präsidiums der Landesärztekammer Hessen, bedankte sich bei den meldenden Ärztinnen und Ärzten für ihre aktive Meldetätigkeit, denn ohne sie stünde heute kein so großer Datenschatz zur Verfügung. „Das Hessische Krebsregister hat sich inzwischen als wichtiger Baustein in der Versorgungsforschung etabliert, jetzt heißt es zunehmend, die Daten bestmöglich zu nutzen und Einrichtungen mit Rückmeldungen besser zu unterstützen, um vor allem Patientinnen und Patienten besser behandeln zu können“, so Buchalik.
Regine Bresler, Präsidentin des Hessischen Landesamtes für Gesundheit und Pflege, betonte die Wichtigkeit der Daten für die Wissensgenerierung. Claudia Ackermann, Leiterin der Landesvertretung des Verbandes der Ersatzkassen (vdek e. V.), lobte die gute Zusammenarbeit zwischen den gesetzlichen Krankenkassen in Hessen und dem Krebsregister und hob seine Relevanz für eine höhere Versorgungsqualität hervor: „Wir brauchen Register, die nicht nur funktionsfähig, sondern auch aussagekräftig sind. Hierzu haben wir in Hessen bereits Vieles erreicht.“
Meilensteine des Krebsregisters
Martin Rapp, Organisatorischer Leiter der Vertrauensstelle, leitete die Vortragsreihe des Symposiums ein. „Zehn Jahre klinische Krebsregistrierung in Hessen“ war seine Präsentation überschrieben. Rapp ging auf die Meilensteine ein, die das Krebsregister in den vergangenen zehn Jahren erreicht hat. Anschaulich stellte er dar, wie das Krebsregister mit hessischen Praxen, Krankenhäusern und Organkrebszentren zusammenarbeitet und welche Daten und Auswertungen bereits zur Verfügung gestellt werden.
Zudem zeigte Rapp auf, wie das Krebsregister in die hessische Gesundheitsinfrastruktur eingebettet ist und welche Chancen sich aus den vernetzten Strukturen ergeben. Beispielsweise wurden in den vergangenen Jahren mit der Landesärztekammer Hessen einige Kooperationsprojekte umgesetzt, um die flächendeckende Krebsregistrierung in Hessen nachhaltig sicherzustellen.
„Das Krebsregister ist in die hessische Gesundheitsinfrastruktur fest eingebettet. Diese Chance hat es in der Vergangenheit aktiv genutzt.“ Martin Rapp
Fortbildung zur Tumordokumentation
Anschließend erklärte Dr. med. Gunther Rexroth, Ärztlicher Leiter der Vertrauensstelle, den Teilnehmenden, wie das Krebsregister bei der Meldetätigkeit unterstützt. Unter dem Vortragstitel „Datenqualität von Anfang an“ stellte er die Services vor, die Ärztinnen und Ärzte ab dem ersten Kontakt mit dem Krebsregister erwarten dürfen. Ganz neu ist die eintägige Fortbildung zur Einführung in die Tumordokumentation für Medizinische Fachangestellte. Diese Fortbildung wird mit der Carl-Oelemann-Schule in Bad Nauheim umgesetzt und es gibt sie in dieser Form nur in Hessen.
„Mit unserer neuen Fortbildung ermöglichen wir allen Medizinischen Fachangestellten in Hessen, sich praxisnah in die Tumordokumentation und Krebsmeldung einzuarbeiten.“ Dr. med. Gunther Rexroth
Silvia Happel, Leiterin der Carl-Oelemann-Schule, übernahm das Wort und ergänzte, dass die ersten Fortbildungstermine mit dem Krebsregister nahezu ausgebucht seien und verwies auf den neuen Programmflyer für das Jahr 2025. In ihrem weiteren Vortrag präsentierte sie, wie stark sich die Landesärztekammer Hessen seit jeher für Fort- und Weiterbildungen im Bereich der Onkologie engagiert.
Förderung strukturierter Daten
Carolin Kuhl, Teamleitung Medizinische Dokumentation der Vertrauensstelle, beleuchtete in ihrem Vortrag die Rolle der strukturierten Datenerhebung in der Molekularpathologie. Pathologien seien für das Krebsregister essenzielle Datenlieferanten. Jedoch sind die Informationen schwer aus den Berichten zu extrahieren, da der Befund darin nur freitextlich vorläge. Die Information von genetischen Veränderungen im Tumorgewebe können entscheidend für die Therapieentscheidung sein, erläuterten Dr. Jochen Zohner und Dr. Daniel Amsel, beide von der Justus-Liebig-Universität Gießen. Die Vertrauensstelle startete daher im Jahr 2022 ein Projekt mit dem Ziel, strukturierte Daten aus molekularpathologischen Befunden zu erzeugen. Eine Win-win-Situation, da für Pathologien die Krebsmeldungen und auch die Weiternutzung der Daten für andere Zwecke einfacher werden.
Qualitätssicherung von Screeningverfahren
Danach folgte der Vortrag „Die Bedeutung von Krebsregisterdaten für das Mammographie-Screening und die onkologischen Früherkennungsprogramme (oKFE)“. Insbesondere gingen Eyleen Mund, Teamleitung Informatik der Vertrauensstelle und Dr. med. Karin Bock, Leiterin des Referenzzentrums Mammographie Süd West am Universitätsklinikum Gießen und Marburg, auf das Mammographie-Screening-Programm ein, an dem Frauen zwischen 50 und 75 Jahren teilnehmen können. Wird im Rahmen des Screenings eine Mammographie als unauffällig eingestuft, erfolgen die nächsten Untersuchungen in einem Intervall von 24 Monaten. Tritt in diesem Intervall ein Brusttumor auf, wird von einem Intervallkarzinom gesprochen. Mund erläuterte, dass das Krebsregister mit regelmäßigen Abgleichen zur Ermittlung von Verdachtsfällen auf ein Intervallkarzinom beiträgt. Bock erklärte, welche Konsequenz der Nachweis eines Intervallkarzinoms hat. Es wird anhand der Mammographie-Aufnahmen überprüft, ob das Karzinom auf den zuletzt als unauffällig beurteilten Befunden hätte nachgewiesen werden können und ob eventuell Mängel in der radiologischen Bildqualität oder in der Beurteilung vorlagen. Dies ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie das Krebsregister Anteil an der Verbesserung der Qualität von Früherkennungsuntersuchungen hat.
Zukünftiges Krebsgeschehen in Hessen
Dr. Alexander Sieber, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Landesauswertungsstelle, wagte eine Prognose zum zukünftigen Krebsgeschehen in Hessen, basierend auf der Grundlage registrierter hessischer Erkrankungszahlen des Krebsregisters und Bevölkerungsvorausberechnungen der statistischen Ämter. Modellschätzungen zufolge, die von einem mittleren Bevölkerungswachstum ausgehen, nehme die ältere hessische Bevölkerung mit einem Alter über 60 Jahren bis 2040 um 20 % zu. Mit der modellierten demografischen Entwicklung steigen die erwarteten jährlichen Krebsneuerkrankungsfälle bis 2040 um 16 %. Dabei werde bis 2040 mit einer deutlich größeren Zunahme von 25 % an Neuerkrankungen im Wetteraukreis als in ländlichen Regionen, zum Beispiel dem Werra-Meißner-Kreis, ausgegangen. Die Annahmen würden je nach Region auch zu einer Steigerung der Behandlungserfordernisse im stationären Bereich von 10–19 % führen.
Nutzung von Krebsregisterdaten
Dr. med. Soo-Zin Kim-Wanner, Leiterin der Landesauswertungs- und Abrechnungsstelle, setzte sich mit der Frage auseinander „Was können uns Krebsregisterdaten sagen? Von der Datensammlung zur Datennutzung“. Sie stellte dar, welche Auswertungen und Daten das Krebsregister aufbereitet und für die Betroffenen, Ärzteschaft, Öffentlichkeit und Politik auf der Website und in Berichten zur Verfügung stellt. Anhand von anschaulichen Beispielen wurde aufgeführt, dass Krebsregisterdaten neben der Informationsweitergabe und Aufklärung für die Qualitätssicherung, für die Planung der Gesundheitsversorgung sowie für die Wissensgenerierung weit über Hessen hinaus in der bundesweiten, aber auch internationalen Gesundheitsdateninfrastruktur genutzt werden.
„Zur Verbesserung der onkologischen Versorgung kann an vielen Schrauben gedreht werden. Krebsregisterdaten können dabei einen Beitrag leisten.“ Dr. med. Soo-Zin Kim-Wanner
Wissensgenerierung aus Gesundheitsdaten
Anschließend folgten drei Vorträge von externen Referierenden. Dr. Dennis Rausch, Chief Medical Officer bei der Dedalus HealthCare GmbH, erläuterte, welche Herausforderungen für die Nutzung von mit sekundären digitalen Gesundheitsdaten bestehen. Diese können mit Beobachtungsfehlern beginnen, die unvollständig oder verfälscht dokumentiert werden und auf diese Weise zu nicht objektiven Ergebnissen führen. Hierbei wurden Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt mit dem Fokus auf die Verwendung von Künstlicher Intelligenz und international einheitlichen Terminologien zur Erzeugung von strukturierten Daten. Aus seiner Perspektive als Softwarehersteller eines Krankenhausinformationssystems sei er der Auffassung, dass gute Datenqualität schon bei der Erfassung von Daten beginnen müsse.
Prof. Dr. med. Janne Vehreschild, Direktor des Instituts für Digitale Medizin und Klinische Datenwissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, befasste sich in seinem Vortrag mit der Frage „Wissen generieren mit Routinedaten, hilft uns künstliche Intelligenz?“ Dabei stellte er vor, wie mit Einsatz von künstlicher Intelligenz sekundäre klinische Routinedaten für die Wissenschaft genutzt werden können, um zu zusätzlichen Erkenntnissen zu gelangen. Darüber hinaus thematisierte er auch die Limitationen der künstlichen Intelligenz. So wurde beispielsweise erläutert, dass künstliche Intelligenz inhaltliche Zusammenhänge von Ergebnissen zunächst nicht erfassen kann. Daher sollte bei der Interpretation der Ergebnisse Vorsicht walten.
Prof. Dr. med. Wolfgang Hoffmann, Universitätsmedizin Greifswald, ging in seinem Vortrag auf das Thema „Krebsregister als Forschungsressource“ ein. Durch die breite Verwendung von Krebsregisterdaten über Landesgrenzen hinaus entstünden weitere Möglichkeiten, um die Krebsversorgung zu verbessern und regionale Unterschiede auszugleichen. Der Vortrag gab einen Überblick, welche aktuellen Planungen für die breite Nutzung von Krebsregisterdaten auch im Hinblick auf den European Health Data Space (EHDS) vorliegen und welche Herausforderungen auch hinsichtlich der Einhaltung des Datenschutzes für die Umsetzungen noch bestehen.
Austausch und Vernetzung
Über den Tag hinweg hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, sich auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Darüber hinaus bot sich am Informationsstand des Krebsregisters die Gelegenheit, Gespräche mit den Mitarbeitenden der Vertrauens-, Landesauswertungs- und Abrechnungsstelle zu führen und individuelle Fragen zu klären.
Jede Meldung zählt
Aussagekräftige Auswertungen setzen verlässliche Krebsmeldungen voraus. Das Krebsregister dankt an dieser Stelle allen Ärztinnen, Ärzten, Dokumentierenden und Praxisteams sowie den Gesundheits- und Einwohnermeldeämtern, die zur flächendeckenden Krebsregistrierung in Hessen beitragen. Auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit in den nächsten zehn Jahren und auf viele weitere Meldungen – für die Verbesserung der onkologischen Versorgung in Hessen!
Dr. med. Soo-Zin Kim-Wanner, Martin Rapp, Vera Reinhard, Dr. med. Gunther Rexroth
Hessisches Krebsregister, E-Mail: info@hessisches-krebsregister.de