Die Redaktion hat die hessische AOK und den Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) gebeten, je einen Beitrag zum Thema Prävention zu schreiben. Hier lesen Sie den Beitrag des vdek. Der Beitrag der AOK findet sich zuvor.
Das 2015 verabschiedete Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention markiert einen Meilenstein: Erstmals wurde in Deutschland ein rechtlicher Rahmen geschaffen, der Prävention verbindlich regelt. Zuvor waren drei Gesetzesvorhaben gescheitert, vor allem am Widerstand des Bundesrates. Um die Umsetzung 2015 zu sichern, wurde das Präventionsgesetz als nicht zustimmungspflichtiges Gesetz formuliert.
Das Leitbild des Gesetzes ist die Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung. Diese betont, dass Prävention dort ansetzen muss, wo Menschen leben, lernen, arbeiten und spielen. Ziel ist eine bessere Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen, Ländern und Kommunen. Allerdings führte die fehlende Zustimmungspflicht zu Schwächen: Die Kommunen, wichtige Akteure der Prävention, konnten nicht zur Mitwirkung oder Mitfinanzierung verpflichtet werden. Daher bleibt die Umsetzung vieler Maßnahmen stark von den Prioritäten der Kommunalpolitik abhängig, und eine flächendeckende Verankerung ist bis heute nicht erreicht.
Rolle und Maßnahmen der GKV in Hessen
Die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) tragen die Hauptverantwortung für die Finanzierung und Umsetzung des Präventionsgesetzes. Seit 2015 wurden zahlreiche Projekte und Strukturen entwickelt, sowohl auf lokaler als auch auf Bundesebene. Neben der Umsetzung von Projekten gehört auch die Etablierung von Strukturen für die Antragsberatung und Mittelvergabe dazu. Zum 1. Januar 2024 wurde in jedem Bundesland eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) aller gesetzlichen Krankenkassen und deren Verbänden gegründet, um die Präventionsstrategie gemeinsam auf Landesebene umzusetzen. Unter der Dachmarke „GKV-Bündnis für Gesundheit“ entwickeln diese ARGEn Maßnahmen, die an regionale Bedingungen angepasst sind. Der Schwerpunkt in Hessen liegt insbesondere auf der Unterstützung des Aufbaus und der Stärkung gesundheitsförderlicher kommunaler Strukturen und auch auf der Realisierung zielgruppenspezifischer Projekte vor Ort.
Bundesweite und regionale Programme
Die laufenden sowie bereits abgeschlossenen geförderten Projekte verteilen sich dabei über ganz Hessen (siehe Karte). In 23 der insgesamt 26 Landkreise und kreisfreien Städte in Hessen werden Bundesprogramme oder landesspezifische Projekte des GKV-Bündnisses für Gesundheit umgesetzt. Zu den Bundesprogrammen zählen:
- teamw()rk für Gesundheit und Arbeit: Dieses Programm unterstützt Erwerbslose mit niedrigschwelligen und bedarfsorientierten Angeboten für ein gesünderes Leben.
- HaLT – Hart am Limit: Ein Alkoholpräventionsprogramm für Kinder und Jugendliche.
Die landesspezifischen Programme der ARGE richten sich vor allem an vulnerable Zielgruppen, wie beispielsweise Menschen mit Migrationshintergrund und/oder einem niedrigen sozialen Status, Alleinerziehende, Kinder und Jugendliche sowie ältere Menschen. Beispielhaft für die Umsetzung eines solchen Projektes ist das von der GKV in Hessen im Jahr 2021 initiierte Landesprogramm „WIR fördern Gesundheit“. Das Präventionsprojekt wird federführend durch das Hessische Ministerium für Soziales und Integration realisiert und anteilig aus Mitteln der ARGE gefördert. Ziel des Projektes ist die Stärkung der Gesundheitskompetenzen von Menschen mit Migrationshintergrund. Die Umsetzung erfolgt gemeinsam mit der Stadt Kassel, der Universitätsstadt Marburg sowie dem Landkreis Darmstadt-Dieburg als regional verantwortliche Projektstandorte für Nord-, Mittel- und Südhessen.
Aktuell werden durch finanzielle Mittel der ARGE neun zielgruppenspezifische Projekte in hessischen Landkreisen gefördert. Beispielhaft zu nennen sind dabei die Projekte „Fit wie Herkules“ in der Stadt Kassel, „Dezentrale Präventionsberatung bedarfsorientiert ausgewählter Kommunen“ im Landkreis Marburg-Biedenkopf oder „kidstime“ in der Stadt Frankfurt. Für die Konzeption solcher Projekte steht die ARGE als antragsannehmende Stelle auch beratend zur Verfügung. Mit der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit bei der HAGE – Hessische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V. beteiligt sich die ARGE zusätzlich an der Finanzierung einer unabhängigen Beratungsinstitution.
Grundlage für eine finanzielle Projektförderung in Hessen sind die Maßgaben des Leitfadens Prävention gemäß § 20a SGB V sowie die „Kriterien für gute Praxis“ des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit, die als Orientierung bei der Antragstellung dienen.
Voraussetzung ist, dass Projekte in einer Lebenswelt wie z. B. in einer Kommune, einem Stadtteil oder einem Quartier angesiedelt sind und im Rahmen ihrer Umsetzung verhaltens- und verhältnisorientierte Maßnahmenelemente miteinander verbinden.
Individuelle Projekte
Neben den GKV-übergreifenden Aktivitäten der ARGE setzen auch die einzelnen Krankenkassen und deren Verbände individuelle Maßnahmen um. Für die bundesweit organisierten Ersatzkassen setzt z. B. der Verband der Ersatzkassen unter der Dachmarke „Gesunde Lebenswelten“ Präventionsprojekte in nichtbetrieblichen Lebenswelten um.
Im Bereich Pflege wurde kürzlich das Projekt „Aktiv im Alter“ erfolgreich im Alltag verstetigt. Das Projekt unterstützte während der pandemiegeprägten Zeit die Bewohnerinnen und Bewohner einer stationären Pflegeeinrichtung bei der Prävention von körperlichem und kognitivem Leistungsabbau sowie Stress und Vereinsamung. In einer ländlichen Region startete 2023 erstmals ein sozialversicherungsübergreifendes Präventionsprojekt. Gemeinsam mit der Unfallkasse Hessen werden im Projekt „Entspannung erlernen und vermitteln “ Erzieherinnen und Erzieher an (Fach-)Schulen im Landkreis Waldeck-Frankenberg und dem Lahn-Dill-Kreis zu Gesundheitsthemen geschult. Ziel ist es, angehenden Erzieher:innen Gesundheitsthemen so zu vermitteln, dass sie diese im Anschluss an ihre Ausbildung in Kitas umsetzen können. Über die Projektlaufzeit bis 2025 hinaus sollen gesundheitsfördernde Strukturen in den Schulen fest verankert sein und langfristig im Curriculum implementiert werden.
Ein weiterer beispielhafter Ansatz für nichtbetriebliche Lebenswelten wird im Projekt „Gesundheitschamps – wir wissen um unsere Gesundheit Bescheid “ entwickelt. Das Ziel hierbei ist die Stärkung der allgemeinen und digitalen Gesundheitskompetenz von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Bedarfen und wird kassenartenübergreifend durch den vdek im Namen der Ersatzkassen, des BKK Dachverbands, der IKK classic, der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau sowie der Knappschaft gefördert.
Fazit: Fortschritt trotz Hürden
Trotz der insbesondere für die GKV unbefriedigenden Ausgangslage kann für Hessen festgehalten werden, dass seit dem Jahr 2015 viele neue Projekte initiiert wurden und in vielen Kommunen das Thema Prävention eine stärkere Dynamik bekommen hat. Neben anderen zentralen Akteuren wird durch die gemeinsamen und individuellen Projekte die wichtige Rolle der GKV-Gemeinschaft in Hessen sowohl als Mittelgeber, aber vor allem auch als treibende Kraft dokumentiert.
Luisa Wieczoreck, Geschäftsstelle der ARGE GKV-Bündnis für Gesundheit in Hessen, Kontakt per E-Mail via: haebl@laekh.de
Dr. Axel Kortevoß, Stv. Leiter der Landesvertretung/Referatsleiter Ambulante Versorgung, Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek), Landesvertretung Hessen