Die Kritik an den zum Teil kostenpflichtigen Untersuchungen in den Praxen der Vertragsaugenärzte kann ich als niedergelassener Augenarzt und Vertreter des Berufverbandes der Augenärzte nicht unkommentiert lassen:

  • Die Sichtweise des Internisten/Diabetologen und Leiters eines großen Zentrums sowie die Perspektive der augenärztlichen Kollegen der Universitätsaugenklinik Frankfurt berücksichtigen die Situation in den Praxen der vertragsärztlichen Versorgung nicht;
  • eine leitliniengerechte „state-of-the-art“-Untersuchung von Diabetikern mit entsprechender Dokumentation ist im vertragsärztlichen GKV-Leistungskatalog „EBM“ nicht oder nur unzureichend abgebildet;
  • eine wünschenswerte fotografische Dokumentation zur Verlaufskontrolle gibt es dort gar nicht;
  • die bildgebende Diagnostik (OCT) darf bei einem (beschwerdefreien) Diabetiker nicht routinemäßig „auf Verdacht“ erbracht werden, denn das wäre eine unwirtschaftliche Leistungserbringung, die Dank der „Prüfstelle der Ärzte und Krankenkassen in Hessen“ zu Regressen führen kann.

Ein optimales und leitliniengerechtes „Screening“ der Diabetes-Patienten mit Bildgebung und zeitgemäßer Dokumentation ist also nicht Bestandteil des EBM. Zudem wäre die Erbringung der oben genannten Leistungen zulasten der GKV ein Verstoß gegen den § 12 SGB V. Dieser ist für den Vertragsarzt leider das Maß der Dinge, da die vertragsärztliche Leistungserbringung ja einer Wirtschaftlichkeitsüberprüfung unterzogen wird.

Leider sind diese Leistungen der Augenärzte auch nicht bei den sogenannten Disease-Management-Programmen (DMP) berücksichtigt worden, die derzeit kein brauchbares Angebot für eine Teilnahme der Augenärzte beinhalten. Im Falle der DMP ist nebenbei erwähnenswert, dass besonders viele „gesunde Diabetiker“ ohne Medikation besonders streng „DMP-geführt“ werden und zum Teil schon seit vielen Jahren ohne den Hauch einer diabetischen Retinopathie in hoher Frequenz zu den augenärztlichen Kontrollen überwiesen werden, damit der DMP-Vertrag „erfüllt“ wird, indem immer wieder derselbe blande Befund dokumentiert wird.

Die schwer von einer behandlungsbedürftigen diabetischen Retinopathie betroffenen Patienten waren und sind hingegen so gut wie nie in den DMP eingeschrieben und bekommen ggf. schlechter Termine. Will man die augenärztliche Versorgung der gesetzlich versicherten, an Diabetes erkrankten Patienten verbessern, muss man also den Leistungskatalog anpassen oder entsprechende Verträge abschließen. Im Falle der Hausärzte, Internisten und Diabetologen wurde das gemacht, beim Screening auf diabetische Retinopathie durch Augenärzte nicht – diese sollen nur zusätzlich noch die DMP-Bögen ausfüllen, damit der DMP-Vertrag Dritter erfüllt ist, an dem die Augenärzte selber aber gar nicht beteiligt sind.

Den Augenärzten ist also nicht vorzuwerfen, dass der GKV-Leistungskatalog auf dem Niveau des vergangenen Jahrhunderts stehen geblieben ist und sie den gesetzlich versicherten Patienten gemäß unserem ärztlichen Selbstverständnis eine optimale Untersuchung und Behandlung als Wahlleistung anbieten (müssen).

Völlig unverständlich ist in diesem Zusammenhang auch, dass dieser vermeintliche Mangel jetzt auch noch durch Betrieb von non-mydriatischen Funduskameras bei Diabetologen (oder sogar Optikern) kompensiert werden soll, anstatt den augenärztlichen Leistungskatalog im Sinne der Patienten und mit Blick auf eine der großen Volkskrankheiten zu modernisieren. Diesen gordischen Knoten aus optimaler, leitliniengerechter Versorgung versus GVK-/EBM-/SGB-Vorgaben gilt es zu lösen, und das geht nicht mit gegenseitigen Schuldzuweisungen.

Dirk Paulukat, Bad Camberg