Genehmigter Nachdruck aus dem Deutschen Ärzteblatt, online erschienen am 20. Dezember 2024

Hessen wird sich im Januar auf den Weg machen, die gesundheitliche Versorgung in den Regionen des Landes neu zu denken. Im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt erklärt die hessische Gesundheitsministerin Diana Stolz (CDU), welche Ziele das Gesundheitsministerium dabei hat und wie es die Krankenhäuser bei dem anstehenden Strukturwandel unterstützen will.

Frau Ministerin Stolz, die Krankenhausreform des Bundes wird im kommenden Jahr in Kraft treten. Wie bereitet sich das Land Hessen auf die Veränderungen vor, die dadurch auf die Krankenhäuser zukommen?

Wir haben die Zeit genutzt seit meinem Amtsantritt im Januar und einen Plan entwickelt, damit wir – egal wann und in welcher Form die Reform kommt – vorbereitet sind.

Um die ersten Schritte gehen zu können, haben wir das Hessische Landeskrankenhausgesetz frühzeitig angepackt und bereits die rechtlichen Voraussetzungen für die Reform des Bundes geschaffen, damit wir direkt loslegen können.

Wir wollen das in Hessen gemeinsam angehen mit unseren starken Partnern wie beispielsweise der Hessischen Krankenhausgesellschaft, der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, den Krankenkassen, der Landesärztekammer Hessen und den kommunalen Spitzenverbänden. Hier vernetzen wir uns.

Wir haben zusätzlich in Hessen den Pakt für Gesundheit geschlossen, das geht noch einmal weit über die Krankenhausreform hinaus. Es ist mir ganz wichtig, dass man die Krankenhäuser nicht solitär betrachtet.

Die Reform wirkt auf ganz viele andere Bereiche. Sie können keine Krankenhausreform angehen, ohne zu bedenken, was das zum Beispiel für den Rettungsdienst bedeutet oder auch für den ambulanten Bereich. Parallel dazu haben wir mit der Hessenagentur deshalb Daten erhoben, die die Grundlage für den neuen Krankenhausplan des Landes bilden.

Um welche Daten handelt es sich dabei?

Die Daten beinhalten vor allem eine Prognose der zukünftigen Bedarfe an stationären Leistungen unter Berücksichtigung des demografischen Wandels und der zu erwartenden Ambulantisierung. Wir haben erhoben, welche Leistungsgruppen die Krankenhäuser des Landes heute schon erbringen, welche sie in der Zukunft erbringen wollen und welche Voraussetzungen vor Ort gegeben sind. Dabei denken wir den stationären und den ambulanten Bereich zusammen und beziehen auch den Rettungsdienst mit ein.

Wie gehen Sie dabei genau vor?

Wir gehen in die Regionen. Wir klären, was der medizinische Bedarf ist und werden dann planerisch tätig. Wir haben Hessen in sechs Versorgungsgebiete eingeteilt: Kassel im Norden, Fulda/Bad Hersfeld und Gießen-Marburg im mittleren Teil des Landes und Frankfurt-Offenbach, Wiesbaden-Limburg und Darmstadt im Süden.

In jeder dieser Regionen gibt es ein koordinierendes Krankenhaus. Dabei handelt es sich um ein Universitätsklinikum oder einen Maximalversorger. Zu Beginn des neuen Jahres werden wir uns in den sechs Regionen in Versorgungskonferenzen mit beispielsweise der kommunalen Ebene, den Krankenhausträgern, dem ambulanten Bereich und den Trägern des Rettungsdienstes zusammensetzen und besprechen, wie sich die Gesundheitsversorgung vor Ort weiterentwickeln soll.

Unser Zielbild ist dabei, dass sich die Hessinnen und Hessen im Notfall darauf verlassen können, in ihrer Nähe versorgt zu werden. Bei planbaren Eingriffen kann die Wegstrecke bis zu den Spezialisten dann auch etwas länger sein – das ist ja etwas, was die Patientinnen und Patienten heute schon nutzen. Weil uns die Regionen sehr am Herzen liegen, werden wir jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt einen Gesundheitskoordinator für den Prozess der Krankenhausreform finanzieren.

So haben Bürgermeister oder Ärztenetze einen gezielten Ansprechpartner und natürlich werden wir eine Vernetzung mit unserem Ministerium herstellen. Die Koordinatoren wissen, was in den Regionen geplant ist, was es braucht usw.

Ein weiterer Teil der Versorgung sollen künftig Medizinische Versorgungskliniken werden, die die Schnittstelle zwischen klinischer, ambulanter und auch pflegerischer Versorgung darstellen. Das sind neue Lösungen der sektorenübergreifenden Versorgungszentren – gerade für den ländlichen Raum. Sie können ein gutes, wohnortnahes Angebot darstellen.

Ein ganz großes Thema ist die Finanzierung der Krankenhäuser. Der Bund hat seine Aufgaben nicht gemacht, was die Betriebskosten angeht. Wir haben in Hessen die Investitionsmittel seit 2016 um 170 Prozent auf 390 Millionen Euro erhöht. Wir starten nun zudem ein Darlehenstilgungsprogramm in Höhe von 140 Millionen Euro. Und wir unterstützen Investitionsmaßnahmen von Krankenhäusern, die einen Verbund bilden, mit 80 Millionen Euro.

Sie sagten, dass sich die neuen Strukturen dem medizinischen Bedarf anpassen sollen. Was geschieht, wenn sich herausstellt, dass der medizinische Bedarf einen Abbau von Krankenhausstrukturen erforderlich macht?

Mein Grundsatz ist: Was ist der jeweilige Bedarf in der Region? Da gibt es viele Modelle, die entstehen können. Und Versorgungseinrichtungen können sich ja auch wandeln. Es gibt Verbünde, Konzentrationen. Klar ist, dass sich die Gesundheitsversorgung und damit unser Gesundheitswesen weiterentwickelt.

Bei der Umsetzung klingen Sie voller Tatendrang. Bei der Abstimmung der Krankenhausreform im Bundesrat Ende November hat sich Hessen allerdings enthalten.

Ich bin der festen Überzeugung, dass es eine Krankenhausreform braucht. Ich habe aber auch den Nachsteuerungsbedarf immer sehr frühzeitig kommuniziert und mich als Fachministerin deutlich positioniert. Ich werde mich mit aller Vehemenz, gerade auch in Berlin, dafür stark machen, dass Änderungen dort kommen, wo es Nachsteuerungsbedarf gibt.

Weiterhin fehlen viele grundlegende Informationen vonseiten des Bundes zum Inhalt der Reform. Weder die Rechtsverordnungen liegen vor, mit denen unter anderem die Leistungsgruppen ausgestaltet werden sollen, noch steht uns der Grouper zur Verfügung, mit dem die einzelnen Krankenhausleistungen den neuen Leistungsgruppen zugeordnet werden sollen. Das, was der Bund uns gegeben hat, ist keine Auswirkungsanalyse. Er hat ein Tool zur Verfügung gestellt. Dadurch, dass wir so fundierte Daten haben, hat uns das nicht wirklich weitergebracht.

Interview: Rebecca Beerheide und Falk Osterloh, Deutsches Ärzteblatt