Ärzte müssen Patienten über Risiken, Nutzen und fehlende Wirksamkeitsnachweise alternativer Heilmethoden umfassender als sonst aufklären, hat das OLG Dresden [1] aktuell entschieden. Dem Senat reicht bei einer alternativen Heilmethode die durch die Rechtsprechung formulierte übliche Aufklärung im „Großen und Ganzen“ nicht aus.

Was ist passiert?

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Patient begibt sich in ärztliche Behandlung, um sich ganzheitlich wegen einer Erschöpfungssymptomatik mit Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen sowie allgemeiner Unruhe behandeln zu lassen. Er wird konservativ mit Eisenpräparaten behandelt. Ein sog. Provokationstest diagnostiziert eine Schwermetallbelastung, die mit einer „Ausleitungstherapie“ [2] mittels Infusion behandelt wird. Dem Patienten geht es in der Folge immer schlechter, was zur stationären Aufnahme in einem Klinikum führt, wo er wegen einer schweren Thrombozytopenie mit mittelgradiger Leberschädigung behandelt werden muss. Das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten begründet die Ursache seiner Beschwerden mit der Gabe einer unzulässig weit überhöhten Menge von Alpha-Liponsäure bei der „Ausleitungstherapie“. Über diese Therapie und deren Risiken hat der Arzt nicht ordnungsgemäß aufgeklärt. 

Das Urteil und seine Begründung

Der Senat sieht bereits die nach § 630e BGB [3] erforderliche Grundaufklärung hinsichtlich der Ausleitungstherapie für nicht erfolgt an und führt wörtlich aus: „Bei der Ausleitungstherapie … handelt es sich … um alternativmedizinische Verfahren, deren Kosten nicht nur nicht von den Krankenkassen übernommen werden, sondern die auch in der Schulmedizin nicht anerkannt und kritisch beurteilt werden. Dabei handelt es sich hierbei um eine Außenseitermethode. Unter einer solchen ist ein Abweichen von den allgemeinen und weitaus überwiegend anerkannten Regeln der Schulmedizin zu verstehen. [4] Die Außenseitermethode weicht insofern noch weiter als Heilversuche mit Neulandmethoden vom fachlich anerkannten ärztlichen Standard ab, als bei jener noch der Zugang zum wissenschaftlichen Diskurs mangels abstrakter Diskussionsbasis fehlt, bei der Außenseitermethode dagegen aufgrund bestehender wissenschaftlicher Erkenntnis der ärztlichen Erfahrung die professionelle Akzeptanz fehlt. [5] Vor diesem Hintergrund stellt die Rechtsprechung besonders strenge Anforderungen an die Aufklärung. Zu fordern ist zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten dessen Aufklärung über das Für und Wider dieser Methode. Dem Patienten müssen nicht nur die Risiken und die Gefahr eines Misserfolges des Eingriffs erläutert werden, sondern er ist darüber aufzuklären, dass der geplante Eingriff nicht medizinischer Standard ist und seine Wirksamkeit statistisch nicht abgesichert ist. Der Patient muss wissen, worauf er sich einlässt, um abwägen zu können, ob er die Risiken einer Behandlung und deren Erfolgsaussichten im Hinblick auf seine Befindlichkeit vor dem Eingriff eingehen will. [6] Der Behandler muss darüber aufklären, inwieweit vom schulmedizinischen Standard abgewichen wird, warum dies getan wird und welche Vor- und Nachteile hieraus erwachsen ... Der Behandelnde muss unter anderem darauf hinweisen, dass der empfohlenen Therapie ein wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis fehlt. [7] All dies hätte erfolgen müssen, um dem Patienten ein zutreffendes Bild über die Stoßrichtung und Tragweite der Behandlung mittels Ausleitungstherapie zu vermitteln.“

Fazit

Die Behandlerseite, die eine alternative Heilmethode anbietet, muss den Patienten unmissverständlich darüber informieren, dass sie von einer Standardbehandlung der Schulmedizin abweicht. Darüber hinaus muss sie erläutern, warum sie dies tut und welche Vor- und Nachteile der Patient hieraus zu erwarten hat. Dem Patienten müssen daher nicht nur die Risiken und die Gefahr eines Misserfolgs des Eingriffs erläutert werden, sondern er ist darüber aufzuklären, dass die geplante Therapie kein medizinischer Standard ist und die Wirksamkeit der Therapie statistisch nicht abgesichert ist.

Dr. jur. Thomas K. Heinz, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, E-Mail: dr.tkheinz@freenet.de

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