Die Marburger Medizinhistorikerin Ulrike Enke beleuchtet in ihrer Biografie über Emil von Behring nicht nur seine bahnbrechenden wissenschaftlichen Errungenschaften, wie die Entwicklung des Diphtherie- und Tetanusserums, sondern auch die persönlichen und unternehmerischen Facetten seines Lebens. Enke stützt sich auf umfangreiche, bisher wenig genutzte Quellen (rund 170 Seiten der knapp 600 Seiten umfassen allein Verzeichnisse und Quellen), darunter private Briefe und Dokumente, und zeichnet ein vielschichtiges Porträt des Nobelpreisträgers von 1901 – mit viel Licht, aber auch Schatten.
Enke zeigt Behring nicht nur als umjubelten Wissenschaftler, sondern auch als Unternehmer und Privatmann, der mit persönlichen Krisen und gesundheitlichen Herausforderungen wie jahrelangen Depressionen kämpfte. Einblicke in seine oft als schwierig beschriebene Persönlichkeit und die Beziehung zu seiner deutlich jüngeren Frau Else, die selbst eine eher lebensfrohe Person und im Gegensatz zu Behring aus wohlhabenden Verhältnissen stammte, runden die Biografie ab.
Die Biografie ist kapitelweise sehr zugänglich und flüssig zu lesen, auch wenn die ausführlichen Kapitel zu den wissenschaftlichen Details vor allem Fachleser interessieren dürften. Der Autorin gelingt es, Behrings Bedeutung in Wissenschaft und Gesellschaft differenziert darzustellen, ohne in übermäßige Verehrung zu verfallen. Damit ist ihr eine moderne und wissenschaftlich fundierte Darstellung gelungen – eine erkenntnisreiche und detailverliebte Lektüre für alle, die sich besonders für die Persönlichkeit Behrings, des „Retters der Kinder“ und „Retters der Soldaten“, interessieren.
Lukas Reus