Es ist so weit. Nach mehr als 20 Jahren Planungs- und Vorbereitungszeit hat nun die Testphase für die elektronische Patientenakte begonnen. Sie gilt zu Recht als wichtiger Baustein, wenn nicht sogar als das Herzstück der Telematikinfrastruktur. Diese wurde mit dem 2004 in Kraft getretenen GKV-Modernisierungsgesetz auf den Weg gebracht und sah die Erweiterung der Krankenversichertenkarte zu einer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) vor. Schon 2006 sollte die elektronische Gesundheitskarte nicht nur administrative Zwecke, sondern auch medizinische Anwendungen wie den elektronischen Arztbrief oder den Notfalldatensatz unterstützen.
Nun ja, wir wissen, dass es nicht so gekommen ist. Immerhin funktionieren das E-Rezept und die E-AU auf der eGK inzwischen weitgehend reibungslos. Jetzt können wir nur hoffen, dass die elektronische Patientenakte nach Abschluss der Testphase und dem anschließenden bundesweiten Roll-out und hoffentlich vorheriger Bereinigung von Fehlern und Datensicherheitslücken wirklich reibungslos läuft und die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen wird. Immerhin heißt es ja im Volksmund: Was lange währt, wird endlich gut.
Andere Themen und Aufgaben müssen allerdings deutlich schneller und mit hoher Priorität gelöst werden. Ich will gar nicht vom Ärzte- und Fachkräftemangel im Gesundheitswesen sprechen oder der auch durch den demographischen Wandel bedingten steigenden Inanspruchnahme des Gesundheitswesens. Der demographische Wandel ist nicht mehr umkehrbar. Wir müssen also andere Wege finden, um die drohende, wenn nicht schon teilweise bereits eingetretene Überlastung des Gesundheitswesens und vor allem der darin Tätigen zu verhindern bzw. zu verringern. Natürlich brauchen wir qualifizierte Kräfte aus dem Ausland und mehr Medizinstudienplätze im Inland. Laut der OECD hat Deutschland übrigens mit 12,4 neuen Medizinabsolventen pro 100.000 Einwohner im Jahr 2022 die drittniedrigste Absolventenzahl in der EU.
Wir brauchen aber auch eine geringere Inanspruchnahme durch die Versicherten. Deutsche nehmen im Vergleich zu den anderen EU-Staaten Gesundheitsleistungen überdurchschnittlich häufig in Anspruch. Das liegt unter anderem an dem überdurchschnittlichen Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch chronischen Atemwegserkrankungen und Diabetes. Rauchen, Übergewicht und mangelnde Bewegung sind dafür mitverantwortlich. Damit geht auch die in Deutschland mit 81,2 Jahren inzwischen unter dem EU-Durchschnitt liegende Lebenserwartung einher. Spanier, Italiener und Schweizer können auf 2,6 bis 3 Jahre mehr hoffen. Wir brauchen endlich nationale Programme, um die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu erhöhen. Das beginnt mit kindgerechter Gesundheitserziehung in Kindergarten und Schule, flankiert von gesundem Schulessen und möglichst täglichem Sportunterricht. Das wäre sicherlich eine lohnende Aufgabe für die Agenda der neuen Vorsitzenden der Kulturministerkonferenz Barbara Klepsch (Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus), die ja auch schon Erfahrung als Sozialministerin hat.
Warum erscheint z. B. die in anderen Ländern bereits mit messbarem Ergebnis, nämlich in verlorenen Pfunden bei Kindern, eingeführte Zuckersteuer bei uns nicht möglich? Wollen wir kommerziell getriggerten Influencern, die für Fast Food und Softdrinks werben, das Feld überlassen? Aber womöglich sind die Maus, der Elefant und die Ente auf ihrem Instagramkanal ja schon erfolgreicher als ich es vermute. Und vielleicht kann man gesunde Ernährung auch Erwachsenen im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft machen.
Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident