Die telefonische Krankmeldung zu legalisieren, war eine kluge Entscheidung. Denn gerüchteweise war sie schon immer in vielen Praxen Usus. Dass ein Kollege wie Dr. Ulrich Groh auf die Kassenlyrik hereinfällt und vom Land der Phantasie schreibt, verwundert sehr. Verkennt er doch zahlreiche Tatsachen und zudem hat er offenbar keine Ahnung, was in hausärztlichen Praxen passiert:

  • Wir haben so viele Ärztinnen und Ärzte im System wie noch nie – und dennoch einen Ärztemangel (genauer: einen Mangel an Arbeitsstunden ärztlichen Personals). Da ist eine Entlastung hausärztlicher Praxen, die den weit überwiegenden Teil der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen, dringend geboten. Allein in Hessen sind 1.000 hausärztliche Vertragsarztsitze unbesetzt. Sieben Karenztage ohne Widerspruchsrecht der Arbeitgeber – das wäre mal eine innovative Lösung für den „Ärztemangel“. Denn:
  • Patienten mit banalen Infekten brauchen unsinnigerweise in Deutschland eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Aber in den wenigsten Fällen ärztliche Versorgung. Kommen sie in die Praxis, gefährden sie die Gesundheit der Mitpatienten und des Personals.
  • Hausärztinnen und Hausärzte sind zwar die Hauptleidtragenden der zwei schlimmsten Seuchen Deutschlands: der Attestitis germanica und der Praeventitis teutonica (demnächst mit unsinniger Cholesterin-Phobie), sie sind aber eines nicht: die Blockwarte des deutschen Gesundheitswesens. Mal ganz abgesehen davon, dass wir u. a. infolge dysfunktionaler Digitalisierung keine Zeit dafür haben, das Vertrauen unserer Patientinnen und Patienten zu gefährden.
  • Die meisten von uns arbeitsunfähig geschriebenen Patientinnen und Patienten befürchten bei der Krankschreibung negative Folgen für ihr Arbeitsverhältnis und Spannung mit Kolleginnen und/oder Betriebsleitung. Zum Teil werden sie unter Druck gesetzt, trotz Krankmeldung zu arbeiten.

Dr. med. Christoph Claus, Grebenstein