Es gibt keine generelle Behandlungspflicht für Ärzte. In manchen Fällen können Patienten abgelehnt werden, in bestimmten Situationen aber nicht. Vertragsärzten sind bei der Behandlungspflicht engere Grenzen gesteckt als Ärzten, die eine private Arztpraxis betreiben. Wenn Patienten ohne guten Grund ablehnt werden, kann dies ein Disziplinarverfahren oder Schadenersatzforderungen nach sich ziehen. Welche Ausnahmen von der Behandlungspflicht befreien, soll dieser Beitrag klären.
- Einem Nichtvertragsarzt steht es grundsätzlich frei, eine Behandlung ohne Begründung abzulehnen. [1] Allerdings sollten gewichtige Gründe für eine Ablehnung angeführt werden können, wobei insbesondere diskriminierende Behandlungsverweigerungen im Hinblick auf das grundgesetzliche Gebot der Gleichbehandlung und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz [2] zu unterlassen sind. Wenn durch langjährige Behandlung ein besonderes Vertrauensverhältnis entstanden ist, sollte eine Ablehnung nur in Ausnahmefällen erfolgen.
- Für Privat- und Vertragsärzte gilt bei Vorliegen eines Notfalls selbstverständlich eine Behandlungspflicht, andernfalls der Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung nach § 323c StGB erfüllt sein kann. Allerdings sind auch im Notfall nur unaufschiebbare Maßnahmen zu fordern. Eine über die Notfallversorgung hinausgehende Behandlung kann abgelehnt werden. Auch im Rahmen des Bereitschaftsdienstes ist eine Ablehnung grundsätzlich nicht möglich. Das Erreichen oder Überschreiten von Budget- oder Fallzahlgrenzen in der Praxis stellt keine Rechtsgrundlage für eine Ablehnung dar. Das alleinige Vorliegen einer Infektionskrankheit, wie z.B. HIV, liefert ebenfalls keinen zulässigen Ablehnungsgrund, da das Risiko einer Infektion der behandelnden oder anderer Personen durch Schutzmaßnahmen beherrschbar ist.
- Der Vertragsarzt ist bekanntlich grundsätzlich zur Behandlung gesetzlich Versicherter verpflichtet. Es gibt jedoch Ausnahmen, in denen eine Ablehnung oder ein Abbruch der Behandlung möglich ist. Nach § 13 Abs. 7 Bundesmantelvertrag [3] ist eine Ablehnung von gesetzlich Versicherten nur in einem sogenannten „begründeten Fall“ möglich, nämlich:
- bei Überschreitung der eigenen Fachkompetenz. So kann eine Behandlung abgelehnt werden, wenn sie nicht dem Fachgebiet entspricht und die entsprechenden medizinischen Fähigkeiten oder Kenntnisse nicht vorhanden sind. In diesem Fall ist eine Überweisung in das entsprechende Fachgebiet erforderlich.
- Gleiches gilt, wenn die Praxis nicht über die notwendige medizinische Ausstattung verfügt: Manche Erkrankungen erfordern spezielle Untersuchungen und Behandlungen. Dazu sind entsprechende medizinische Geräte und Apparate erforderlich (z. B. Mammographie, Herzultraschall, Elektrokardiographie). Wenn diese fehlen, entfällt die Behandlungspflicht,
- sofern das Vertrauensverhältnis gestört ist oder die Patientin oder der Patient wiederholt ärztliche Anordnungen nicht befolgt oder ungerechtfertigte Behandlungsmaßnahmen verlangt.
- Die Behandlungspflicht kann auch entfallen, wenn sich der Patient ungebührlich verhält und den Arzt oder das Praxispersonal beschimpft oder gar beleidigt. [4] Der Nachweis eines gestörten Vertrauensverhältnisses kann sich im Einzelfall schwierig gestalten. Am besten wird der Vorgang mit Begründung schriftlich fixiert, denn das Schriftstück besitzt Beweiswert, falls es zu einer rechtlichen Auseinandersetzung kommt. Auch eine laufende Behandlung kann beendet werden. Allerdings dürfen für die Patienten dadurch keine gesundheitlichen Nachteile entstehen.
- Wenn die Praxis kapazitätsmäßig bereits voll ausgelastet ist und das ärztliche Personal und die Angestellten derart überlastet sind, dass eine fachgerechte Behandlung zusätzlicher Patienten nicht mehr gewährleistet werden kann [5].
- Wenn keine medizinische Notwendigkeit für die Behandlung besteht. Bei ästhetisch-kosmetischen Behandlungen liegt häufig keine Indikation vor. Gleiches gilt beispielsweise, wenn die angeforderte bildgebende Diagnostik nicht der Abklärung der Überweisungsdiagnose dient und nur eine unnötige Strahlenbelastung darstellen würde.
- Werden unwirtschaftliche Behandlungsmethoden verlangt oder solche, deren Durchführung nicht zum vertragsärztlichen Leistungsbereich gehört, kann die Behandlung abgelehnt werden. Solche Behandlungen können aber nach entsprechender schriftlicher Vereinbarung mit den Betroffenen als IGeL privat liquidiert werden.
- Wenn die elektronische Gesundheitskarte vor der Behandlung nicht vorliegt. [6]
- Hausbesuche außerhalb seines üblichen Praxisbereiches kann der Vertragsarzt ablehnen, es sei denn, dass es sich um einen dringenden Fall handelt und ein Vertragsarzt, in dessen Praxisbereich die Wohnung des Kranken liegt, nicht zu erreichen ist. [7]
Merke: Im Fall der Ablehnung eines Patienten ist stets darauf zu achten, dass von ärztlicher Seite aus schriftlich dokumentiert wird, warum die Behandlung abgelehnt oder abgebrochen wurde. Im Zweifelsfall sollte juristischer Rat eingeholt werden.
Dr. jur. Thomas K. Heinz, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, E-Mail: dr.tkheinz@freenet.de
Die Literaturhinweise finden Sie hier.