Die Aufgaben des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes (KJGD) beruhen, wie die meisten anderen Aufgaben der Gesundheitsämter auch, auf dem Hessischen Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst.

Die Einschuluntersuchung (ESU) als eine der Hauptaufgaben ist vor Aufnahme eines Kindes in der Schule als verbindlicher Bestandteil des Schulaufnahmeverfahrens vorgeschrieben. Es handelt sich nach den Vorsorgeuntersuchungen U8 und U9 um eine Vorsorgeuntersuchung, die auf die spezifischen Anforderungen in der Schule ausgerichtet ist. Sie hat den Zweck, Einschränkungen, die die Teilnahme am Unterricht betreffen, festzustellen, über notwendige Folgemaßnahmen zu beraten und den Impfstatus des Kindes zu überprüfen.

Alle Kinder, die im folgenden Schuljahr schulpflichtig werden, werden durch den KJGD eingeladen. Das sind in Hessen alle Kinder, die bis zum 30. Juni des entsprechenden Einschulungsjahres das sechste Lebensjahr vollendet haben. Kinder, die nach dem 30. Juni desselben Jahres das sechste Lebensjahr vollenden, können auf Antrag der Eltern als sogenannte „Kann-Kinder“ eingeschult werden.

Die ESU umfasst unter anderem die Feststellung des Hör- und Sehvermögens, die Beurteilung der geistigen Entwicklung, der Motorik und der Sprachfähigkeit.

Anhand eines standardisierten Screenings werden die Bereiche selektive Aufmerksamkeit, Zahlen- und Mengenvorwissen, Visuomotorik, visuelle Wahrnehmung und Schlussfolgern, Sprache und Sprechen und Körperkoordination getestet. Wichtig ist auch die Verhaltensbeobachtung der Kinder während der Untersuchung.

Die Untersuchung ist in zwei Teile, einen nichtärztlichen Teil, der durch hierfür geschulte Medizinische Fachangestellte (MFA) durchgeführt wird, und einen ärztlichen Teil aufgeteilt. Die MFA erheben schulrelevante Informationen aus den mitgebrachten Unterlagen, Kinder sollen Malvorlagen nachzeichnen, die selektive Aufmerksamkeit wird geprüft und mathematische Vorläuferfähigkeiten erfasst. Weiterhin geprüft werden die Sehstärke, die Farbsehtüchtigkeit und das räumliche Sehvermögen, ein Hörtest erfolgt ebenfalls. Größe und Gewicht sowie Blutdruck und Puls werden erfasst.

Im ärztlichen Teil werden zunächst anamnestische Angaben sowie Beschwerden oder Erkrankungen des Kindes erfragt. Es folgen dann Aufgaben aus den Bereichen Sprache, Fein- und Grobmotorik, visuelle und auditive Informationsverarbeitung. Anschließend folgt die körperliche Untersuchung des Kindes. Am Ende der Untersuchung bespricht die Ärztin/der Arzt alle Ergebnisse mit den Eltern und beantwortet Fragen. Es werden individuelle Tipps zur Förderung des Kindes gegeben und auf ausstehende Impfungen hingewiesen.

Ist ein Kind für die Schule bereit?

Der KJGD prüft somit, ob ein Kind für die Schule bereit ist, ob es in einem bestimmten Bereich besondere Bedarfe hat oder Förderung für seinen Schulbesuch benötigt. Gegebenenfalls werden durch die Untersuchungen vorhandene Entwicklungsauffälligkeiten aufgedeckt und eine Weiterbehandlung bei den niedergelassenen Kinderärzten empfohlen. Bei auffälligem Hör- oder Sehtest wird eine Abklärung in die Wege geleitet. Die Ergebnisse der Untersuchung dienen als Basis für eine Schulempfehlung.

In einem Infobrief werden der Schule schulrelevante Aspekte mitgeteilt, beispielsweise Hinweise zur Förderung des Kindes und ob eine besondere Maßnahme, Entwicklungsbeobachtung oder eine Vorstellung beim Beratungs- und Förderzentrum für notwendig erachtet wird. Vorrangiges Ziel der Untersuchung ist es, rechtzeitig vor Schulbeginn Behandlungen oder Fördermaßnahmen einleiten zu können.

Ärzte haben beratende Funktion

Die Ärztinnen oder Ärzte haben ausschließlich beratende Funktion für die Eltern und die Schule. Die Entscheidung über die Einschulung trifft die Schulleitung. Eine Zurückstellung in den Kindergarten erfolgt in der Regel nur sehr selten, wenn dies aus gesundheitlichen Gründen oder bei sozialemotionalen Auffälligkeiten erforderlich ist.

In einem Abschlussgespräch mit der Schule werden die Ergebnisse besprochen und Fragen geklärt. Die bei der ESU erhobenen Daten werden in anonymisierter Form an das Land übermittelt und für Zwecke der Gesundheitsberichterstattung verwendet.

Seiteneinsteiger: Ältere Schüler auch im Fokus

Auch bei älteren Kindern, die erstmalig an einer Schule in Hessen aufgenommen werden, und bei denen keine ESU in einem anderen (Bundes-)Land erfolgt ist, ist eine schulärztliche Untersuchung Pflicht. Ziele der sogenannten Seiteneinsteigendenuntersuchung sind analog zur ESU die Entwicklungsbeurteilung, Krankheitsfrüherkennung und Beratung zu notwendigen Folgemaßnahmen und die Impfberatung.

Nach einem Seh- und Hörtest wird neben einer Anamnese auch die bisherige Schulbildung erfragt. Es wird versucht, anhand von einfachen Aufgaben den Entwicklungsstand zu ermitteln. Die Deutschkenntnisse, andere Sprachkenntnisse, die Körperkoordination, Grob- und Feinmotorik sowie Visuomotorik werden beurteilt.

Die Eltern werden zu den erhobenen Befunden und eventuell notwendigen Maßnahmen oder weiterführenden Untersuchungen beraten. Es wird ein Schulinfobrief erstellt, bei größeren Auffälligkeiten erfolgt eine mündliche Beratung der Schulen.

Minderjährige Asylsuchende

Eine andere gesetzliche Grundlage hat die Untersuchung von unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbenden (UmA). Da sie in Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbenden untergebracht werden, erfolgt im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst eine Untersuchung nach dem Infektionsschutzgesetz zum Ausschluss von übertragbaren Erkrankungen. Diese Untersuchung sollte möglichst vor oder unverzüglich nach der Aufnahme in eine Einrichtung durchgeführt werden.

In fast allen Fällen ist es aufgrund fehlender Sprachkenntnisse erforderlich, dass eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher hinzugezogen wird. Aufgrund des Alters der Jugendlichen ist eine Anamnese zu Vorerkrankungen oder zur Entwicklung oft schwierig. Impfdokumente sowie medizinische Befundberichte sind meist unvollständig bzw. überwiegend fehlend.

Neben der Erhebung des allgemeinen Gesundheitszustandes ist die Beurteilung von Anzeichen einer Traumatisierung oder von psychischen Erkrankungen wichtig. Nach IfSG erfolgt eine Röntgen-Thorax-Untersuchung bei Jugendlichen ab 15 Jahren, bei jüngeren Kindern ein Interferon-Gamma-Test zum Ausschluss einer ansteckungsfähigen Lungentuberkulose. In den vergangenen Monaten wurden immer wieder auffällige Hautbefunde mit Verdacht auf Hautdiphtherie oder Skabies festgestellt. Bei klärungsbedürftigen Befunden werden die Jugendlichen an niedergelassene Arztpraxen vermittelt.

Bei Anzeichen von psychischen Belastungen wird gemeinsam mit dem Jugendamt versucht, die Jugendlichen an Facharztpraxen, Kliniken oder psychosoziale Zentren weiterzuvermitteln.

Menschen mit Behinderungen

Menschen mit Behinderungen haben einen Anspruch auf Teilhabeleistungen, um die Folgen der Behinderung zu mindern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

Nach dem neunten Sozialgesetzbuch § 2 sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.

Wenn Eltern einen Antrag auf eine Teilhabeleistung stellen, werden die Kinder nach Beauftragung durch das Jugend- oder Sozialamt vom KJGD begutachtet. Beantragte Maßnahmen sind z. B. Integrationsplätze für Kindertagesstätten, Teilhabeassistenzen in Schulen, Autismus spezifische Therapien, Lerntherapien und eine Unterbringung in besonderen Wohnformen.

Das Ziel der Begutachtung ist es, festzustellen, ob die Entwicklung oder der Zustand der Kinder für mehr als sechs Monate von dem alterstypischen Stand abweicht. Neben einer ausführlichen Anamnese wird die Entwicklung anhand der Grenzsteine beurteilt. In Einzelfällen kann auch ein Entwicklungstest (ET 6–6 in Teilen) durchgeführt werden. Die Eltern werden bezüglich möglicher weiterführender Diagnostik und auch Therapiemaßnahmen beraten. Der Austausch mit den behandelnden Kinderärzten oder auch dem Sozialpädiatrischem Zentrum wird häufig angestrebt. Aufgrund der unterschiedlichen Zuständigkeiten (Jugendamt oder Sozialamt) muss die beobachtete drohende oder bereits bestehende Behinderung in den Bereich seelische, geistige, körperliche oder Mehrfachbehinderung eingeordnet werden.

Besondere Anlässe für schul- ärztliche Untersuchungen

Die Schulen können aus besonderem Anlass schulärztliche Untersuchungen beauftragen, wenn Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, dass eine Krankheit der Schülerin oder des Schülers den Schulbesuch oder die Gesundheit der Mitschülerinnen und Mitschüler gefährdet. Hier sind vor allem Schulabsentismus, aber auch zunehmend Verhaltensauffälligkeiten zu vermerken. Die Schulen beauftragen den KJGD in diesen Fällen mit einer differenzierten Fragestellung, ein schulärztliches Gutachten zu erstellen.

Die gemeldeten Schülerinnen und Schüler werden mit ihren Eltern zu einem Termin eingeladen. Er erfolgt eine ausführliche Anamnese und je nach Problematik eine körperliche Untersuchung. Es werden vorhandene ärztliche, aber auch schulische Unterlagen wie Zeugnisse oder Berichte gesichtet. Fast immer ist ein Austausch mit externen Stellen wie der Kinder- und Jugendpsychiatrie oder den niedergelassenen Pädiatern erforderlich. Die Schülerinnen und Schüler und die Eltern werden ausführlich beraten. An die Schule erfolgt eine Rückmeldung zur Fragestellung, in schwierigen Fällen kann auch ein gemeinsamer Austausch mit Schule, Eltern und anderen beteiligten Stellen erforderlich werden.

Fazit

Zusammenfassend hat der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst vielfältige Aufgaben und begleitet die Kinder und Jugendlichen bis zum Ende der Schulzeit. Unser Ziel ist es, dass vor allem Kindern und Jugendlichen mit Einschränkungen und speziellen Bedarfen durch optimale Unterstützungsangebote eine gute Entwicklung ermöglicht wird.

Dr. med. Birgit Bornheim, Fachärztin für Öffentliches Gesundheitswesen, Leiterin des Gesundheits-amtes Main- Taunus-Kreis, Hofheim am Taunus, Kontakt: birgit.bornheim@mtk.org

Anastasie L. Sendio Nganko Epse Nguekeng

Christian Stock

Dr. med. Sibel Weinbach