Während auf Bundesebene noch intensiv über den Entwurf eines Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes gerungen wird, setzt Nordrhein-Westfalen eine lange vorbereitete neue Krankenhausplanung in Gang. NRW will einerseits eine wohnortnahe Grundversorgung und andererseits eine medizinisch sinnvolle Spezialisierung und Konzentration sowie eine bessere Kooperation der Krankenhäuser anstatt eines ruinösen Wettbewerbs. In einem mehrjährigen Prozess erstellte die Landesregierung gemeinsam mit den Partnern aus dem Gesundheitswesen eine Planungssystematik mit 60 Leistungsgruppen, die auch Bestandteil des Bundesentwurfs für die neue Leistungsplanung sind. Den aktuellen Diskussionsprozess in NRW stellt der nachfolgende Artikel aus dem Rheinischen Ärzteblatt dar. Schlaglichter auf mögliche Veränderungen und Risiken durch die ähnliche, bundesweite KH-Reform lassen sich von daher auch auf Hessen projizieren.
In Nordrhein-Westfalen ist die Reform der Krankenhausplanung in die heiße Phase eingetreten. Das Gesundheitsministerium hat seine Vorstellungen veröffentlicht, welches Leistungsportfolio die einzelnen Krankenhäuser im Land künftig in welchem Umfang erbringen dürfen. Noch sind diese Entscheidungen nicht verbindlich und die Betroffenen zur Stellungnahme aufgerufen, darunter auch die beiden Ärztekammern. Sicher ist aber, dass es in einzelnen Leistungsbereichen „zu erheblichen Standortreduzierungen“ kommen wird, wie es aus dem Ministerium heißt.
Erhebliche Standortreduzierungen
Ein Krankenhaus der Grund- und Notfallversorgung soll für 90 % der Menschen in Nordrhein-Westfalen (NRW) innerhalb von 20 Autominuten erreichbar sein. Komplexe Behandlungen wie Krebsoperationen oder elektive Eingriffe wie Knie- und Hüftoperationen sollen dagegen künftig an spezialisierten Zentren gebündelt werden. Das ist das Ziel der Krankenhausplanungsreform in NRW, die gerade in ihre heiße Phase eintritt. Nachdem zunächst Krankenhäuser und Krankenkassen über das künftige Leistungsportfolio verhandelt haben und dabei in vielen Fällen im Dissens auseinandergegangen sind, hat das Gesundheitsministerium inzwischen auf dieser Basis seine Vorstellungen veröffentlicht, welche Leistungen in welchem Umfang die Kliniken in Zukunft noch erbringen dürfen. Noch seien diese Entscheidungen nicht verbindlich, teilt das Ministerium mit. Die Betroffenen hätten nun Zeit, zu den Vorschlägen Stellung zu nehmen. Bis Ende des Jahres sollen dann alle Krankenhäuser ihre Feststellungsbescheide erhalten. Für die notwendigen Strukturveränderungen und Investitionen stellt die Landesregierung bis 2027 rund 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Denn im Rahmen der Schwerpunktbildung werden einige Kliniken ihr Leistungsangebot ausbauen, andere werden Abteilungen oder ganze Standorte schließen müssen.
Zu „erheblichen Standortreduzierungen“ soll es insbesondere in den Leistungsbereichen und -gruppen Endoprothetik, Viszeralchirurgie (Leber-, Ösophagus-, Pankreas- und tiefe Rektumeingriffe), beim Ovarialkarzinom und bei Perinatalzentren der höchsten Versorgungsstufe (Level 1) kommen, erklärte die Leiterin der Gruppe Krankenhaus im NRW-Gesundheitsministerium, Cornelia Sennewald, beim Dialogforum für Leitende Ärztinnen und Ärzte kürzlich im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf. Damit wolle man gewährleisten, dass die Krankenhäuser, die derart hoch komplexe Behandlungen vornehmen wollen, über die notwendige Kompetenz und Routine verfügen. Eine solche Leistungsbündelung könne die Qualität der Patientenversorgung verbessern und zudem den Fachkräftemangel in den Krankenhäusern entschärfen, sagte Sennwald. Sie kündigte zugleich an, dass in einigen Leistungsgruppen eine Ausweitung der Kapazitäten ermöglicht werde, unter anderem in der Geriatrie, der Palliativmedizin sowie in Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatischer Medizin.
Sollte die Krankenhausplanungsreform nicht wie angestrebt umgesetzt werden, rechnet man im Ministerium mit einer Welle von Krankenhausinsolvenzen. Denn unter der alten Planungssystematik werde sich der ruinöse Wettbewerb um Patienten, Fallzahlen und Personal fortsetzen. Als Beispiel dient dem Ministerium die Insolvenz der Kplus-Gruppe in katholischer Trägerschaft, die eine Schließung der St. Lukas Klinik in Solingen, des St. Josefs Krankenhauses in Hilden und des St. Josef Krankenhauses in Haan zur Folge hatte. Eine heikle Situation, weil sie unter anderem die Schlaganfallversorgung in der Region betraf, räumte die Leitende Ministerialrätin Sennewald beim Dialogforum ein. Nach intensiven Gesprächen unter Beteiligung des Ministeriums sei es aber inzwischen gelungen, die Versorgungsstruktur in der Region so anzupassen, dass die stationäre Versorgung in Solingen und dem Kreis Mettmann gesichert sei – und zwar erstmals auf der Grundlage der neuen Planungssystematik. Im Ergebnis bleibt das St. Josefs Krankenhaus in Hilden in neuer Trägerschaft erhalten, das Leistungsspektrum soll aber auf das der Klinik im benachbarten Langenfeld abgestimmt werden, um Doppelstrukturen zu vermeiden. Das Städtische Klinikum Solingen sichert künftig die Schlaganfallversorgung in der Stadt, die neurologische Klinik der St. Lukas Klinik wurde dorthin verlagert. In Kooperation mit dem Städtischen Klinikum Solingen wird außerdem am Evangelischen Krankenhaus in Mettmann eine neurologische Klinik mit Stroke Unit aufgebaut. Zusätzlich erhält das Evangelische Krankenhaus eine Geriatrie, während die Klinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie aus der St. Lukas Klinik nach Hilden verlagert wurde.
Größere Umbauten erforderlich
Mit diesen Maßnahmen habe man die dramatischsten Folgen der Kplus-Insolvenz auffangen können, erklärt eine Sprecherin des Kreises Mettmann auf Anfrage. Grundsätzlich begrüße man auch, dass Leistungen in den Kreis Mettmann verlagert wurden. Allerdings müssten die Krankenhäuser für das zusätzliche Leistungsangebot erst einmal ertüchtigt, umgebaut oder in den nächsten Jahren baulich vergrößert werden. Darüber hinaus habe eine weitere Insolvenz, die des Sankt Marien Krankenhauses in Ratingen, im Januar 2024 zu einer weiteren, erheblichen Schwächung der stationären Versorgung geführt. Die verbliebenen Krankenhäuser im Kreis Mettmann könnten mit den derzeit verfügbaren räumlichen und personellen Ressourcen den Mehrbedarf, der durch die Schließung der drei Krankenhäuser in Solingen, Haan und Ratingen entstanden sei, nicht vollständig auffangen. Die fehlenden Kapazitäten würden zum Teil Krankenhäusern in Düsseldorf und Duisburg zugewiesen. Das bedeute aber nicht nur für die Bevölkerung in Mettmann, sondern auch für den Rettungsdienst längere Wege.
Am Beispiel der jüngsten Insolvenzen wies auch Dr. med. Sven Dreyer beim Dialogforum auf die Herausforderungen hin, die Krankenhausschließungen und Leistungsverlagerungen für die umliegenden Kliniken bedeuten. Allein die Schließung des Krankenhauses in Ratingen habe dazu geführt, dass eine Klinik im Düsseldorfer Norden wöchentlich 250 Patienten zusätzlich versorgen müsse, sagte das Vorstandsmitglied der Ärztekammer Nordrhein: „Damit müssen wir erst einmal lernen umzugehen.“ Ob sich die Hoffnung erfülle, dass freigesetztes ärztliches Personal und Pflegepersonal an die Krankenhäuser wechseln wird, die dringend Personal suchen, müsse sich ebenfalls erst erweisen. Dreyer, der zugleich Vorsitzender der Weiterbildungskommission der Kammer ist, rückte zudem mit Blick auf die Krankenhausplanungsreform die ärztliche Weiterbildung in den Fokus. Die beabsichtigte Spezialisierung der Krankenhäuser werde unweigerlich dazu führen, dass Ärztinnen und Ärzte nicht mehr ihre gesamte Weiterbildung an einem Haus absolvieren könnten. Hier gelte es, Weiterbildungsverbünde nach dem Vorbild der Allgemeinmedizin zu schaffen, die eine sektorenübergreifende Weiterbildung aus einer Hand, ohne häufige Stellen- und Wohnortwechsel ermöglichen.
Während in NRW die Krankenhausreform auf die Zielgerade einbiegt, wurde die geplante Reform auf Bundesebene (siehe Kasten) am 27. Juni in einer kontroversen Debatte erstmals im Deutschen Bundestag beraten. Grundlegende Nachbesserungen am Gesetzentwurf aus dem Hause von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. med. Karl Lauterbach hatten im Vorfeld die 16 Gesundheitsminister der Länder angemahnt. Zu ihren zentralen Forderungen zählt, dass der Bund vor Verabschiedung der Reform eine „nachvollziehbare Auswirkungsanalyse“ des neuen Finanzierungssystems aus Vorhalte- und Fallpauschalen vorlegt und den Ländern mit Blick auf Qualitätsvorgaben und Mindestvorhaltezahlen mehr Gestaltungsspielraum einräumt. Denn die Krankenhausplanung sei verfassungsrechtlich verbrieft Ländersache, heißt es dort.
Das betonte beim Dialogforum in Düsseldorf auch Dr. med. Anja Mitrenga-Theusinger, Vorstandsmitglied und Vorsitzende der Krankenhauskommission der Ärztekammer Nordrhein. „Nur wir hier vor Ort in der Kommune, im Kreis können die Folgen beurteilen, wenn ein Krankenhaus vom Netz geht“, sagte die Chefärztin und Gesundheitsökonomin. Für ebenso wichtig hält Mitrenga-Theusinger die Forderung der Länder nach einer Folgenabschätzung der geplanten Finanzierungsreform im Vorfeld und nicht erst ab 2029, wie im Gesetzentwurf vorgesehen. Es müsse verhindert werden, dass versorgungsrelevante Häuser im Zuge der Reform in wirtschaftliche Schieflage gerieten.
Heike Korzilius, stellv. Leiterin, Pressestelle/Stabsstelle Kommunikation Ärztekammer Nordrhein, E-Mail: heike.korzilius@aekno.de
Nachdruck aus dem Rheinischen Ärzteblatt (RÄ) 08/2024, S. 12
Das plant der Bund
Künftig sollen 60 % der Betriebskosten der Krankenhäuser über eine Vorhaltepauschale finanziert werden und 40 % über Fallpauschalen. Die neue Finanzierungssystematik soll den ökonomischen Druck auf die Häuser verringern. Diese erhalten die Vorhaltevergütung für Leistungsgruppen, die ihnen von den Ländern zugewiesen werden. Der Bund hat – auf Basis der Vorarbeiten aus NRW – 65 Leistungsgruppen definiert, die mit bundeseinheitlichen Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen verknüpft sind. Sie legen für die Leistungsgruppen eine bestimmte technische Ausstattung, qualifiziertes Personal und erforderliche Fachdisziplinen fest. Ausnahmeregelungen für bedarfsnotwendige Krankenhäuser sollen eine flächendeckende Versorgung sicherstellen. Über einen Zeitraum von zehn Jahren von 2026 bis 2035 soll ein Transformationsfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Finanziert werden soll er zur Hälfte von den Ländern und zur anderen Hälfte von den gesetzlichen Krankenkassen.
Ob die Ziele des Gesetzgebers damit erreicht werden können, ist unter Fachleuten umstritten. (RÄ)