Das Wetter meinte es gut mit den hessischen Heilberufen. Während in der Wiesbadener Innenstadt noch kurz vorher ein beeindruckendes Gewitter niederging, blieb es oben auf dem Neroberg beim Sommerempfang am 10. Juli trocken. Und nicht nur das. Ein Regenbogen zeigte sich über dem Opelbad-Restaurant, als Dr. Sabine Tacke, Präsidentin der Landestierärztekammer Hessen, den Abend eröffnete. Ein Naturphänomen, das Künstliche Intelligenz (KI) gewiss nicht bemerkt hätte, wie Gastredner Prof. med. Volker Busch später anführte. „Mensch versus Maschine – Warum starke Köpfe die KI nicht fürchten brauchen“ war sein Impulsvortrag überschrieben. Ein brandaktuelles Thema, wie Hessens neue CDU-Ministerin für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege, Diana Stolz, in ihrem Grußwort anerkennend bemerkte.

„Im Moment sind die Herausforderungen sehr groß“, betonte Ministerin Stolz. „Keiner von uns wird sie allein schaffen.“ Zusammenarbeit sei wichtiger denn je. „Wir müssen alle über den Tellerrand gucken.“ Dazu zähle auch Offenheit für neue Technologien. „KI ist einer der vielen Schlüssel in unserer Hand.“ Schon jetzt diene sie der Optimierung von Diagnostik und Therapie. Und das sei nur der Anfang: „Die Zunahme von Rechenleistung und Datenmengen eröffnet dem Gesundheitswesen ganz neue Möglichkeiten für die Gesundheitsversorgung.“ KI habe etwa das Potenzial, Gesundheitspersonal bei Routinearbeiten oder Verwaltungsangelegenheiten zu entlasten und unterstützen. Der Einsatz des technologischen Fortschritte endet für die Ministerin dort, wo er nicht mehr dem Wohlergehen der Menschen nutzt. Die menschliche Dimension und der Respekt vor dem individuellen Leben dürfe keinesfalls aus dem Blick geraten.

Rund 150 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien sowie den Heilberufen waren der Einladung des Bündnisses Heilen & Helfen gefolgt – dem langjährigen Zusammenschluss der Landesärztekammer, Landeszahnärztekammer, der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Hessen, der Landesapothekenkammer, der Psychotherapeutenkammer Hessen und der Landestierärztekammer.

Dr. Sabine Tacke, Präsidentin der Landestierärztekammer Hessen, gab in ihrer Eröffnungsrede den Ton vor. Es stehe längst nicht mehr zur Debatte, ob man KI wolle oder nicht. Sie sei bereits allgegenwärtig. Die Frage sei vielmehr, wie man sich jetzt und künftig dazu verhalte. Von Gastredner Busch erwarte sie neue und wissenschaftlich fundierte Impulse dazu.

Das entscheidende sei ein gesundes Selbstbewusstsein. „Wenn wir stark sind, müssen wir KI nicht fürchten“, so die These von Volker Busch – 53 Jahre alt, Neurowissenschaftler, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Regensburg. Der Buchautor und Podcaster nahm die Gäste mit in eine Welt, in der der Mensch der Technologie überlegen ist. Nicht, weil er mehr Wissen besitzt. Bei Rechenleistung und Verarbeitungskapazitäten sei die KI dem menschlichen Gehirn hoffnungslos überlegen. Doch um Schlüsse zu ziehen, greife sie ausschließlich auf Datenmengen zurück. Das führe mitunter zu abwegigen Ergebnissen. „Google ist nicht denken. Korrelieren heißt nicht verstehen“, stellte Busch klar. Der Trumpf des Menschen sei dessen Weltwissen, Erfahrung, Intuition. Das befähige ihn, Sachverhalte einzuordnen. Mache ihn überlegen. Wichtig dabei: Das Bauchgefühl zu trainieren und darauf hören. Nicht dem Navi hinterherfahren, obwohl die Erfahrung sagt, dass dies die falsche Himmelsrichtung ist.

Eine Gedanke, den Dr. Doris Seiz, Präsidentin der Landeszahnärztekammer Hessen, in ihrem Schlusswort aufnahm. Obwohl sie schon oft auf dem Neroberg gewesen war, habe sie sich vom Navi führen lassen. Als grundsätzliche Verfechterin einer natürlichen Intelligenz fühle sie sich von dem Vortrag bestätigt. Gleichzeitig erkenne sie den Nutzen der KI an, auch im medizinischen Bereich. Seiz betonte die große Relevanz des Dialogs von Politik und Heilberufen, mit seinem Sommerempfang biete das hessische Bündnis dazu die Gelegenheit. Sie bekräftige den Appell der Ministerin, die den sektorenübergreifenden Schulterschluss propagiert hatte: „Wir müssen auch mal unsere Eigeninteressen in den Hintergrund stellen.“

Jutta Rippegather