Am Vorabend noch von Windböen gekräuselt, breitete sich das Meer an diesem Tag wie ein glatter Spiegel im Golf von Salerno aus. Eine Ahnung von Sommer lag über den Häusern der süditalienischen Hafenstadt Salerno, deren berühmte Ärzteschule – Scuola Medica Salernitana – als erste medizinisch ausgerichtete Hochschule des europäischen Mittelalters ihre Blütezeit im 12. Jahrhundert erlebte. Eine Tradition, auf die sich die Fakultät für Medizin und Chirurgie der 1968 gegründeten Universität Salerno noch heute bezieht. Die Universitätsstadt ist auch Sitz der Ärzte- und Zahnärztekammer der Provinz Salerno (Ordine dei Medici e degli Odontoiatri della provincia di Salerno), auf deren Einladung eine Delegation der Landesärztekammer Hessen (LÄKH) am 24. Mai 2024 an einem wissenschaftlichen Symposium teilnahm.
Unweit der Küstenstraße an der den heiligen Märtyrern Salernos gewidmeten Via Santi Martiri Salernitani gelegen, bot der große Saal des Ordine dei Medici (OMCeSA) Platz für die simultan gedolmetschte, organisatorisch von Prof.ssa Caterina Pepe vorbereitete Fortbildungsveranstaltung unter der wissenschaftlichen Leitung von Dott. Giovanni D’Angelo, Dott. Attilio Maurano und Dott.ssa Concetta D’Ambrosio. In Vorträgen und Diskussionen verglichen italienische und deutsche Expertinnen und Experten die ärztlichen Weiterbildungssysteme in Italien und Deutschland mit Fokus auf Hessen und der Provinz Salerno.
Freundschaft seit 2017
Seitdem beide Ärztekammern 2017 eine Vereinbarung über berufliche, wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit verbunden mit der gegenseitigen Anerkennung ärztlicher Fortbildungspunkte getroffen haben, finden regelmäßig deutsch-italienische Begegnungen statt – zuletzt 2022 im Rahmen eines Symposium in Frankfurt am Main: Ausdruck einer lebendigen Partnerschaft, die auch in den Jahren der Corona-Pandemie durch digitalen Austausch aufrechterhalten wurde und sich immer weiter verfestigt.
Gemeinsame Werte in Europa
In den Grußworten zum Auftakt des diesjährigen Symposiums spiegelte sich die aktuelle weltpolitische Lage: „In unsicheren Zeiten wie diesen müssen wir uns als Gesellschaft für das Richtige einsetzen. Jeder Einzelne muss für unsere Werteordnung und für eine humane, tolerante und pluralistische Gesellschaft einstehen. Diese Werte sind grundlegend für die ärztliche Berufsausübung“, machte Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident der Landesärztekammer Hessen, deutlich. „Jetzt ist es umso wichtiger, dass wir als Ärzteschaft in Europa zusammenstehen und uns für gemeinsame Werte einsetzen – in der Medizin, der Berufspolitik und im Miteinander.“ In einem zusammenwachsenden Europa werde ein Austausch über nationale Grenzen hinweg immer bedeutender. Vincenzo Napoli, Bürgermeister von Salerno, hob den sozialen Charakter des italienischen Gesundheitssystems hervor. Es gebe ein Recht auf Gesundheit.
Auch Dott. Giovanni D’Angelo, Präsident der Ärzte- und Zahnärztekammer der Provinz von Salerno, betonte die Notwendigkeit von Gemeinsamkeiten und Zusammenarbeit in Europa. Man müsse über den Tellerrand blicken und die Zukunft vor Augen haben. Entscheidend seien gemeinsame Werte und Grundsätze, die auch die Schwächsten in der Gesellschaft berücksichtigten. „Wir brauchen dringend eine starke europäische Union von Staaten, die eng zusammenarbeiten“, forderte D’Angelo. In diesem Rahmen sei der Meinungsaustausch der beiden Ärztekammern von besonderer Bedeutung. Da die ärztliche Weiterbildung zur Fachärztin und zum Facharzt eine große Rolle für die Versorgung von Patientinnen und Patienten spiele, habe man sich gemeinsam mit der hessischen Landesärztekammer dafür entschieden, die Weiterbildung zum Thema des Symposiums zu machen.
Gesetze gegen Facharztmangel in Italien
Für einen Vergleich der Systeme wurden die deutschen und italienischen Vorträge einander thematisch gegenübergestellt. Dem ersten von Prof. Dr. med. Volkmar Jacobi und Dott. Giovanni Ricco moderierten Teil der Veranstaltung stellte Ricco, Ärztlicher Direktor des Pflegeheims Villa del Sole, Salerno, und Sekretär des OMCeSA, einleitend einen historischen Filmausschnitt voran, der einen fundamentalen Einschnitt für die ärztliche Aus- und Weiterbildung in Italien dokumentierte: So wurde in der Mussolini-Ära verfügt, dass Ärzte nicht mehr an Krankenhäusern, sondern an Universitäten weitergebildet werden sollten. Damit seien die gesamten ärztlichen Bildungsstufen in die Universitäten verlagert worden, fasste Ricco zusammen. „Allerdings ist seit damals viel passiert.“ Aufgrund des großen Mangels an Fachärzten in Italien seien in den vergangenen Jahren, vor allem zwischen 2017 und 2019, eine Reihe von Gesetzen zur neuen Regelung der Facharztweiterbildung erlassen worden. Seit 2017 hätten angehende Ärztinnen und Ärzte die Möglichkeit, für ihre Spezialisierung in einem Krankenhaus zu arbeiten. „Dennoch ist der Facharztmangel nach wie vor groß – besonders betroffen sind die Fächer Pädiatrie und Chirurgie“, stellte Ricco fest. Der zur Lösung des Problems vorliegende Gesetzesvorschlag sehe eine Zusammenarbeit von Universitäten und Krankenhäusern bei der Facharztweiterbildung vor.
Weiterbildung im berufspolitischen Umfeld
Gute Medizin sei nur auf der Grundlage einer guten ärztlichen Weiterbildung möglich, hob Dr. med. Wolf Andreas Fach, Senior Partner Cardioangiologisches Centrum Bethanien, Frankfurt, Delegierter und Mitglied des Präsidiums der LÄKH, stv. Vorsitzender des Ausschusses Weiterbildung der LÄKH sowie Mitglied Ständige Kommission Weiterbildung der Bundesärztekammer, zu Beginn seines Vortrages „Weiterbildung im berufspolitischen Umfeld“ über die Situation in Deutschland, respektive Hessen hervor. Der Deutsche Ärztetag, das Parlament der deutschen Ärzteschaft, führe alle Diskussionen über die Weiterbildung zusammen und gebe auf dieser Grundlage die (Muster-)Weiterbildungsordnung heraus. Da Deutschland ein föderaler Staat sei, verabschiede anschließend jedes Bundesland, bzw. das Parlament der jeweiligen Landesärztekammer eine eigene Weiterbildungsordnung.
Dem Entstehen der Weiterbildungsordnung (WBO) gehe, so Fach, ein komplizierter Prozess voraus, an dem die oft weitreichende Forderungen für das eigene Fachgebiet stellenden wissenschaftlichen Fachgesellschaften und die Landesärztekammern beteiligt seien. Die Kammern prüften, ob die Inhalte richtig in dem Regelwerk abgebildet seien. Im Mittelpunkt der WBO stünden jedoch die Weiterzubildenden und die Weiterbildungsbefugten. Auf dieses Team komme es an; sie müssten zusammenarbeiten und sich gut verstehen, damit das Regelwerk funktioniere. Jede Landesärztekammer, so auch die Landesärztekammer Hessen, begleite die Weiterbildungszeit, an deren Ende nach bestandener Prüfung die Facharzturkunde stehe.
Zuständig bei der LÄKH ist die Weiterbildungsabteilung, informierte Fach. Sie sei die Ansprechpartnerin für Weiterzubildende und Weiterbildungsbefugte und koordiniere den gesamten Weiterbildungsprozess. Die LÄKH habe dabei eine ordnende Funktion. Hierzu gehöre die Zuordnung der Weiterbildung zu einem Gebiet und die Respektierung der Gebietsgrenzen. So werde Weiterbildung für alle im Wesentlichen gleich gemacht, aber eben doch ein bisschen anders, so Fach.
Weiterbildung effektiver gestalten
„Ein Problem, bundesweit und damit auch in Hessen, ist, dass junge Weiterzubildende zu wenig betreut werden,“ sagte Fach. Grund seien der Personalmangel in den Kliniken und die hohe Arbeitsbelastung der Befugten. Auch sei die Aus- und Weiterbildungszeit mit insgesamt durchschnittlich 13,5 Jahren (sechs Jahre Studium plus 7,7 Jahre Weiterbildung) zu lang und lasse sich kaum mit dem Familienleben verbinden. „Unsere Aufgabe ist es daher, die Weiterbildung effektiver und schneller zu gestalten“, unter anderem durch intensive Betreuung und blended learning, sagte Fach. Auch müsse die Verbund-Weiterbildung ausgebaut werden. Das heiße, dass Weiterbildung nicht nur in den großen Kliniken, sondern auch in den Praxen stattfinden könne.
Praxisorientierte Weiterbildung in Deutschland
Die Weiterbildung zum Facharzt unterliege in Deutschland Regeln, die in der Weiterbildungsordnung festgelegt wurden, erklärte Daniel Libertus, M.A., Leiter der Weiterbildungsabteilung der LÄKH: Anders als in einigen anderen Ländern sei die Facharztweiterbildung nicht akademisch, sondern praxisorientiert. Während einer Weiterbildungszeit werden Kompetenzen vermittelt. In seinem Vortrag informierte Libertus darüber, dass sich das System der Facharztweiterbildung in drei Teile gliedere: Studium, Weiterbildung und Fortbildung, das heißt lebenslanges Lernen. Insgesamt gibt es, so Libertus, in Deutschland 34 medizinische Fachgebiete; einige Facharztrichtungen wie Innere Medizin oder Chirurgie sind in weitere medizinische Fachgebiete unterteilt. Außerdem existieren in Hessen derzeit 57 Zusatzweiterbildungen. „Der Facharzttitel ist Voraussetzung für bestimmte berufliche Positionen, für die kassenärztliche Niederlassung und für die Abrechnung nach Facharztstandard“, so Libertus.
Zuständig für die Erteilung der Weiterbildungsbefugnis für Ärztinnen und Ärzte sowie für die Weiterbildungsstätte, also die Standorte der Weiterbildung, ist die Landesärztekammer. Befugte müssen die jeweilige Facharztbezeichnung – zum Beispiel „Internist“ – selbst führen, um weiterbilden zu dürfen. Die Landesärztekammer überprüfe, ob an der Stätte die erforderlichen Kenntnisse und Kompetenzen vermittelt werden könnten, berichtete Libertus. Dann werde die Befugnis mit einer zeitlichen Begrenzung erteilt. Eine Facharzt-Weiterbildung dauere zwischen 60 und 72 Monaten, erfolge an der Stätte der Weiterbildungsbefugnis und unter Vermittlung der in der WBO aufgelisteten Kompetenzen. Zeitliche Verkürzungen seien möglich, z. B. eine Reduzierung auf 24 Monate beim Facharzt für Allgemeinmedizin, wenn vorher schon eine andere Facharztbezeichnung erworben worden sei.
Paradigmenwechsel: Kompetenzen statt Zahlen
Die 2020 in Kraft getretene neue Weiterbildungsordnung bedeute einen Paradigmenwechsel, da man weg von reinen Zahlen und Daten hin zu einer kompetenzbasierten Weiterbildung gekommen sei, sagte Libertus. Unterschieden werde zwischen kognitiven Kompetenzen, das heißt theoretischem Wissen, und praktischen Handlungskompetenzen. Wie zuvor Fach wies auch Libertus auf den Föderalismus in Deutschland hin. Alle 17 Landesärztekammern machten ihre Weiterbildungsordnung selbst, so auch die Landesärztekammer Hessen. Allerdings stünden alle Bundesländer untereinander im Austausch, so dass im Prinzip überall ähnliche Regelungen herrschten.
Reform der Studiengänge Medizin und Chirurgie
In puncto Weiterbildung bestehe ganz offensichtlich ein großer Unterschied zwischen Deutschland und Italien, urteilte Ricco und leitete zu Prof. Dott. Gennero Galasso, Abteilung für Medizin, Chirurgie und Zahnmedizin an der Universität von Salerno „Scuola Medica Salernitana“ über, der über die Spezialisierung/Facharztweiterbildung italienischer Studienabsolventen referierte. 2020 seien die Studiengänge Medizin und Chirurgie reformiert und auf sechs Jahre festgesetzt worden; sie bestünden aus einem vorklinischen und einem klinischen Teil, berichtete Galasso. Im letzten Studienjahr sei ein dreimonatiges Praktikum zu absolvieren, in dessen Rahmen die angehenden Ärztinnen und Ärzte für Ausbilder und Hausärzte arbeiteten. Am Ende stehe der akademische Abschluss: Doktor der Medizin.
Ziel des erst vor wenigen Jahren eingerichteten Studiengangs sei es, den Eintritt der Absolventen in die Arbeitswelt zu beschleunigen, denn der Studiengang verbinde Theorie und praktische Erfahrungen. Die frischgebackenen Ärztinnen und Ärzte könnten mit einem Arbeitsvertrag direkt in den Beruf einsteigen. Nach dem Studium eröffne sich ihnen die Wahl zwischen einer Tätigkeit als Fachärzte für Allgemeinmedizin, als Fachärzte in medizinischen oder chirurgischen Fächern oder als Wissenschaftler.
Zulassung neu geregelt
Derzeit werde viel über die Reform diskutiert, die die Zulassung zu den Studiengängen neu regele, berichtete Galasso. So könne sich ein Interessent an dem Studiengang einer Prüfung unterziehen und habe nach erfolgreichem Bestehen die Möglichkeit eines direkten Zugangs. Bei dieser Prüfung würden medizinisches und chirurgisches Fachwissen abgefragt, aber auch Fragen zu aktuellen Themen gestellt, für die Lösungen gefunden werden müssten. Die Verfügbarkeit der Stipendien variiere von Region zu Region und unterliege bestimmten Voraussetzungen: So müsse der Arbeitsvertrag auf das Erlernen bestimmter Fähigkeiten ausgerichtet sein. Die angehende Fachärztin, der angehende Facharzt werde von einem Mentor begleitet, der sie/ihn schrittweise in der Arbeitswelt einführe.
Eine aktuelle Befragung an der Universität von Salerno habe erfreuliche Ergebnisse gezeigt: 80 % der Studierenden seien zufrieden mit ihrer medizinischen Aus- bzw. Weiterbildung. Nach fünf Jahren liege die Beschäftigungsrate der entsprechend aus- und weitergebildeten Ärztinnen und Ärzte bei über 90 %. Ihre spätere Vergütung sei höher als die der Absolventinnen und Absolventen anderer Fakultäten, wie etwa Pharmazeuten oder Juristen. Der Kompetenzerwerb werde positiv eingeschätzt. Ein wichtiges Ergebnis für die Reform der Facharztweiterbildung, denn es zeige, so Galasso, „dass man unseren Studierenden eine hohe Qualität anbieten muss.“
Anforderungen der universitären Weiterbildung
In Deutschland sei die ärztliche Weiterbildung nicht die primäre Aufgabe einer Uniklinik, sollte diese aber sein, erklärte Prof. Dr. med. Hinnerk Wulf, Direktor der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum der Philipps-Universität Marburg, in seinem Vortrag „Spezifische Anforderungen der universitären Weiterbildung“. Trotzdem finde sie dort statt, denn 80 % der ärztlichen Weiterbildung werde in Krankenhäusern abgebildet, so dass Professoren einen Spagat vollführen müssten. Der große Vorteil für Weiterzubildende sei, dass sie an den Unikliniken direkt mit der Forschung konfrontiert würden.
Da die Finanzierung der Weiterbildung in Deutschland nicht eindeutig geregelt sei, müssten Krankenhäuser (oder Praxen) demnach die Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung aus eigenen Mitteln finanzieren. In Hessen finde ein großer Teil der Weiterbildung in fast allen Fächern (Ausnahme z. B. Allgemeinmedizin) an den drei Universitätsklinika statt (Frankfurt, Gießen, Marburg). Im Fach Anästhesiologie und Intensivmedizin beispielsweise würden in Hessen fast zwei Drittel der Fachärzte an den Universitätskliniken weitergebildet. „Etwa 50 % des ärztlichen Personals einer Universitätsklinik besteht aus Weiterbildungsassistenten/-innen, bzw. Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung. Dabei sind die primären Aufgaben der Universitätskliniken eigentlich Forschung, studentische Lehre und universitäre Krankenversorgung (und nicht etwa Weiterbildung)“, hob Wulf hervor.
Vor- und Nachteile
Einerseits gewährleiste die Weiterbildung an einem Universitätsklinikum eine Aus- und Weiterbildung auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Dies sei ein Vorteil für die Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung, da sie auf diese Weise auch seltene Krankheitsbilder kennenlernten. „Andererseits werden an ein Universitätsklinikum vornehmlich komplexe Fälle überwiesen, so dass das Patienten- und Krankheitsspektrum eines Uniklinikums nicht dem der späteren Praxis entspricht, das ist ein klarer Nachteil.“ Weiterzubildende müssten immer mehr solcher Fälle versorgen, was eine engmaschige Supervision erforderlich mache.
Künftige Herausforderungen für die Weiterbildung an Unikliniken seien der wachsende Ärztemangel und der Kampf um den Nachwuchs, die Krankenhausreform, durch die es eine zunehmende Ambulantisierung – also weg von den Unikliniken – und eine zunehmende Spezialisierung geben werde. Nicht jede Uni werde alles bieten können und Weiterbildung werde nicht mehr nur an einer Klinik möglich sein, sondern im Verbund mit mehreren Kliniken und Praxen mit Rotationsmöglichkeiten.
Weiterbildung zum Allgemein- mediziner in Kampanien
Wie ist die Weiterbildung zum Allgemeinmediziner in der Region Kampanien aufgebaut? Dieser Frage ging Dott. Vinzenzo Verrone, Facharzt für Allgemeinmedizin, ASL Salerno (Azienda Sanitaria Locale Salerno, zu Deutsch: Lokale Gesundheitsbehörde von Salerno) und Regionaler Leiter der Italienischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (Società Italiana Medicina Generale, SIMG), in seinem Vortrag über den Fachstudiengang ihrer Absolventinnen und Absolventen nach.
1997 sei die Lokale Gesundheitsbehörde Salerno (ASL Salerno) als Einrichtung in der Region Kampanien eingeführt worden. In Italien herrsche Freizügigkeit von Ärztinnen und Ärzten mit gegenseitiger Anerkennung ihrer Facharzttitel – und damit auch der Fachärzte für Allgemeinmedizin.
Seit 2023 werde die dreijährige Facharztweiterbildung Allgemeinmedizin nicht mehr nur von Universitäten, sondern direkt von der Region angeboten. Dabei handele es sich um eine theoretisch-praktische Weiterbildung. An diese schließe sich noch eine zusätzliche Qualifizierung in Form von Lehrgängen an, die von den Tutoren vorgeschlagen werden und einmal wöchentlich für die Dauer eines Jahres zu absolvieren sind. Außerdem sei ein Fernstudiengang geplant. „Das neue Studium ist interaktiv und an einen, in der Region tätigen Tutor gebunden“, ergänzte Verrone. Die Gesamtdauer belaufe sich auf 4.800 zwischen Theorie und Praxis aufgeteilte Stunden und richte sich nach den Vorgaben von WONCA Europa, einer wissenschaftlichen Gesellschaft für Allgemeinmediziner in Europa.
Kontakt mit Patienten, personenzentrierte Tätigkeit, Koordination der Versorgung mit anderen Fachgebieten und Kooperation mit anderen Gesundheitseinrichtungen sowie die Fähigkeit, sofort eingreifen zu können, seien grundlegende Inhalte und Kompetenzen, die im Mittelpunkt der allgemeinmedizinischen Arbeit stünden, sagte Verrone. „Angesichts der immer komplexeren Situationen bei unseren Patienten ist es wichtig, Beziehungsfähigkeit zu entwickeln.“ Tutoren unterstützten die Weiterzubildenden bei dem Erwerb der Kompetenzen. Die Bedeutung des Allgemeinmediziners sei gerade auch auf regionaler Ebene von besonderer Bedeutung, fasste Ricco am Ende von Verrones Vortrag zusammen. „Daher haben wir hier ein sehr gutes System entwickelt.“
Rolle regionaler Ärztekammern bei Fort- und Weiterbildung
Die Rolle der Ärztekammer bei der Fort- und Weiterbildung ihrer Mitglieder beleuchte Dott.ssa Concetta D’Ambrosio, Fachärztin für Allgemeinmedizin beim ASL Salerno sowie Vorstandsmitglied und Koordinatorin der ECM-Kommission der Ärzte- und Zahnärztekammer von Salerno in ihrem Vortrag. Standardisierung von Kompetenzen und Wissen, Sicherheit in der Versorgung von Patienten, seit 2017 gesetzlich verpflichtend: standardisierte medizinische Fort- bzw. Weiterbildung, gleiche Standards auf nationaler Ebene – so fasste D’Ambrosio wesentliche Charakteristika ärztlicher Fort- und Weiterbildung zusammen, die an Universitäten und mittlerweile auch an Krankenhäusern sowie weiteren Gesundheitseinrichtungen absolviert werden könne. Aufgabe der Ärztekammer sei es, die Fortbildung zu zertifizieren. Die Punktevergabe erfolge aufgrund des Stellenwerts des Themas, der Dauer der Fortbildung und der Qualifikation der Referenten. Damit solle den Kammermitgliedern die Möglichkeit geboten werden, qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, die sie bei ihrer Arbeit anwenden können.
Planung auf nationaler Ebene
Der Staat habe eine ständige Kommission für Fortbildung eingerichtet, um auf nationaler Ebene eine Planung für mehrere Jahre festzulegen, informierte D’Ambrosio weiter. „Wir haben feste Gremien, in denen Ministerien und Vertreter der Regionen zusammenarbeiten.“ Auf nationaler Ebene würden Leitlinien für die Fortbildung erstellt und von den Regionen und Provinzen umgesetzt. Eine Fachärztin, ein Facharzt müsse verpflichtend insgesamt 150 Credits innerhalb von drei Jahren erwerben. Die Credits/Fortbildungspunkte könnten durch die Teilnahme an Präsenzkursen, Fernstudium und e-Learning, wissenschaftliche Forschungstätigkeit und die Teilnahme an Kongressen erworben werden. „Alles wird sehr streng kontrolliert“, kommentierte D’Ambrosio. „Das CME-System ist in Italien grundlegend Pflicht.“ Bei Nichteinhaltung der Credit Points verhänge die nationale Kommission Sanktionen, dazu zählten disziplinierende Sanktionen, berufliche Beschränkungen, wirtschaftliche Auflagen und rechtliche Konsequenzen. In außergewöhnlichen Fällen könne ein Berufsverbot verhängt werden.
Weiterbildung im Öffentlichen Gesundheitsdienst
Sie empfinde sich fast als Exotin, wenn sie über den Öffentlichen Gesundheitsdienst und die Frage spreche, ob die Weiterbildung die notwendigen Grundlagen dafür biete, sagte Prof. Dr. med. Ursel Heudorf, ehemalige stellvertretende Leiterin der Frankfurter Gesundheitsamtes. In Deutschland bestehe das Gesundheitswesen aus drei Säulen. Neben der ersten und zweiten Säule – der stationären und der ambulanten medizinischen Patienten- Versorgung – habe das öffentliche Gesundheitswesen die Gesundheit und die Gesunderhaltung der Bevölkerung als Aufgabe; in Ergänzung zur Versorgung und Behandlung von individuellen Patienten sei es bevölkerungs- und präventivmedizinisch ausgerichtet. Von allen 376.226 berufstätigen Ärzten in Deutschland (Stand 2020) arbeiten 211.904 (56,3 %) in der stationären, 161.400 (42,9 %) in der ambulanten Versorgung und 2.922 (0,8 %) im öffentlichen Gesundheitswesen, davon 400 Fachärzte für öffentliches Gesundheitswesen.
Der Öffentliche Gesundheitsdienst müsse insbesondere sozialen Herausforderungen gerecht werden, in seiner Arbeitsweise wissenschaftlichen Ansprüchen genügen und evidenzbasiert arbeiten, so Heudorf. Schwerpunkte sind unter anderem Gesundheitsschutz, Beratung und Information, Begutachtung, Gesundheitsförderung und Prävention, niedrigschwellige Angebote und aufsuchende Gesundheitshilfen. In den meisten Bundesländern sei für die Leitung von Gesundheitsämtern ein Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen vorgeschrieben. Von den in der Weiterbildungsordnung festgelegten 60 Monaten Weiterbildung müssten allerdings nur zwölf Monate zwingend in einem Gesundheitsamt absolviert werden.
„Zwölf Monate zu kurz“
Angesichts der vielen, insbesondere hoheitlichen Aufgaben des Öffentlichen Gesundheitswesens halte sie diese zwölfmonatige verpflichtende Kursweiterbildung für zu kurz, um alle Themen zu bearbeiten und die notwendigen Grundlagen zu vermitteln, bekräftigte Heudorf. Bundesweit gebe es 400 Gesundheitsämter und nur 400 Fachärzte für öffentliches Gesundheitswesen, fügte sie hinzu. Tatsächlich seien in vielen Gesundheitsämtern auch Fachärzte für Allgemeinmedizin, Pädiater und andere Gebiete tätig, aber nur eine überschaubare Anzahl von Fachärzten für den ÖGD.
Wie sich die Facharztweiterbildung für den ÖGD in Italien darstelle, wollte Heudorf von Dott. Alfonso Giordano, Vorstandsmitglied und Koordinator der ECM-Kommission der Ärzte- und Zahnärztekammer der Provinz Salerno, wissen. Das hängt von der jeweiligen Region ab, gab dieser zur Antwort. Wir haben in Italien den sogenannten Hygienemediziner, der auch im öffentlichen Gesundheitsdienst tätig ist. In Italien seien die Gesundheitsämter in unterschiedliche Bezirke aufgegliedert. Jeweils ein Gesundheitsamt sei für einen Bezirk zuständig. Die in Deutschland angebotene Zusatzweiterbildung Public Health könne auch in Italien erworben werden.
Anerkennung ärztlicher Weiterbildung
Mit der Frage nach der Anerkennung ärztlicher Weiterbildung in Deutschland und Italien, wandte sich Prof. Dr. Volkmar Jacobi an die Referenten. „Unterschiedliche Weiterbildungen werden in Europa anerkannt, aber wir prüfen, ob die Kompetenzen auch wirklich erworben wurden. Außerhalb Europas gestaltet sich alles noch etwas schwieriger“, gab Dr. Fach zu Antwort. Innerhalb Europas gebe es eine geregelte Anerkennung von Abschlüssen, das gelte auch für die Facharztanerkennung, fügte Libertus hinzu. Darüber hinaus sei der Nachweis der sprachlichen Fähigkeiten notwendig. Bei Ärztinnen und Ärzten, die aus Ländern außerhalb der EU nach Deutschland kommen, werde das C1-Niveau verlangt, das bei der Fachsprachprüfung nachgewiesen werden müsse.
Simulationen in der Lehre
Wie nützlich sind Simulationen in der medizinischen Lehre? Laut Dott. Fernando Chiumiento, Direktor der komplexen operativen Einheit für Anästhesie und Wiederbelebung, Eboli, Roccadaspide – ASL Salerno – und Vorstandsmitglied der Ärzte- und Zahnärztekammer von Salerno, ist die Situation in Italien im Bereich der Simulationen nicht viel anders als in Deutschland. Dass zu dem Einsatz von Simulationen eine gesetzliche Regelung in Italien eingeführt worden sei, begrüßte er ausdrücklich und bedauerte zugleich, dass die Verbreitung dieser Technologie trotzdem immer noch stark eingeschränkt sei.
Tatsächlich hätten Simulationen noch mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen, was ihre Akzeptanz betreffe, da viele nicht an sie glaubten. Sie seien jedoch ausgesprochen hilfreich, zumal Ärztinnen und Ärzte dank der Technologie darin geübt würden, im Team zu arbeiten. Da sich medizinische Fehler häufig aus Kommunikationsproblemen ergäben, trage die Zusammenarbeit im Simulationsszenario dazu bei, künftige Fehler zu vermeiden, zeigte sich Chiumiento überzeugt. Auch wenn man bei fiktiven Patienten eine Notfallsituation simuliere, bringe dies große Vorteile für reale Patienten.
Simulationen hätten vor allem ein Ziel: Skills zu vermitteln, zum Beispiel bei der Intubation, vor der selbst viele erfahrene Anästhesisten Angst hätten, so Chiumiento. Bei der Simulation mit einer Puppe sei man dagegen weniger durch Stress beeinträchtigt und könne länger und gefahrlos üben. Grundsätzlich sei es bei Simulationen möglich, mit echten Patienten, aber auch mit virtuellen Patienten zu üben. „Die Teilnehmer helfen sich untereinander, besprechen die Fehler und das, was verbessert werden kann,“ sagte Chiumiento. Dabei sei es wichtig, zu realisieren, dass es sich bei der Simulation um eine Technik und nicht um eine Technologie handele. „Praktische Verwendung finden Simulationen beispielsweise im Kreißsaal“, erklärte Chiumiento. Durch die Simulation (das zur Welt kommende Kind ist eine Puppe) haben wir die Möglichkeit, die reale Situation und mögliche Krisen (Neugeborenes atmet nicht mehr) ohne Stress durchleben zu können.“
KI in der Radiologie
„Was ist KI überhaupt?“, fragte der Radiologe Prof. Dr. med. Volkmar Jacobi zu Beginn seines Vortrages „Künstliche Intelligenz in der Radiologie“. Künstliche Intelligenz (KI) bezeichne die Fähigkeit von Computern, menschenähnliche Aufgaben auszuführen, komplexe Probleme zu lösen, aus Erfahrungen zu lernen oder Entscheidungen zu treffen. Künstliche Intelligenz könne Vorhersagen treffen, die in den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen – Finanzwesen, Automobilindustrie, Handel, Marketing, Kommunikation – nützlich sein. Kritisch diskutiert werde ihr Einsatz unter anderem wegen des drohenden Verlusts der menschlichen Kontrolle, des unsachgemäßen Umgangs mit personenbezogenen Daten, der Anfälligkeit von Systemen für Cyberangriffe oder Massenüberwachung.
Im Gesundheitswesen könne KI bspw. in der Arzneimittelentwicklung, in der personalisierten Medizin, im Patientenmonitoring und in der medizinischen Forschung eingesetzt werden, insbesondere in Bereichen, in denen viele Daten verarbeitet werden müssten. Da KI Bilddaten auswerten könne, werde die Radiologie für KI-Anwendungen immer interessanter. So gebe es verschiedene Überlegungen, wie Künstliche Intelligenz in der Radiologie zur Verbesserung von Diagnose, Bildgebung und Patientenversorgung eingesetzt werden könne. Etwa bei der automatischen Diagnose, der Bildsegmentierung, der personalisierten Medizin, der Qualitätskontrolle, der Workflow-Optimierung, sowie bei Forschung und Entwicklung. Die Integration von Technologien der künstlichen Intelligenz in die radiologische Praxis habe das Potenzial, die Genauigkeit, Effizienz und Patientenversorgung zu verbessern und gleichzeitig Radiologen dabei zu helfen, ihre Aufgaben effektiver zu erfüllen.
„KI ist wie eine Waffe“, fasste Jacobi zusammen. Mit ihrer Hilfe sei einerseits eine absolute Überwachung möglich, andererseits könnten Krankheiten dank der Bilder entdeckt werden, die früher nicht ohne weiteres aufzuspüren gewesen seien. Da die Zahl der Fehlinterpretationen allerdings hoch sein könnte, müssten Antworten der Künstlichen Intelligenz kritisch hinterfragt und überprüft werden.
KI hilft, Probleme zu lösen
„KI ist die Fähigkeit unserer Computer, uns zu erleuchten. KI versucht, zu lernen, zu erkennen und Probleme zu lösen“, sagte Dott. Attilio Maurano, Direktor der chirurgischen Abteilung für gastroenterologische Endoskopie „Gaetano Fucito“, Medizinische Fakultät des Universitätskrankenhauses Salerno und Vizepräsident der Ärzte- und Zahnärztekammer der Provinz Salerno, in seinem Vortrag mit dem Titel „Künstliche Intelligenz und gastrointestinale Endoskopie“. Mit Hilfe der KI könne man in der Endoskopie Bilder machen, die Veränderungen deutlicher erkennen ließen. So unterstütze KI Ärzte dabei, Läsionen zu erkennen, aus denen später eventuell ein Tumor entstehen könne.
Die Endoskopie sei die grundlegende Methode zur frühzeitigen Erkennung von Magenkrebs. In Studien werde KI auch für Untersuchungen des Pankreas und von Lymphknoten eingesetzt, um zu erkennen, ob diese gut- oder bösartig sind. „Die KI zeigt uns, ob wir einen Feind vor uns haben oder nicht.“ Doch nicht nur in der Endoskopie, auch in anderen Bereichen der Gastroenterologie könne KI helfen. Zusammen mit der John Hopkins Universität in den USA habe seine Abteilung ein Gerät entwickelt, mit dessen Hilfe die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms überwacht werden könne, berichtete Maurano. Die KI liefere dafür die notwendigen Bilder. Auch Veränderungen von Zellen, beispielsweise bei Magenkrebs, ließen sich durch KI gut erkennen, ebenso das Vorliegen einer Heliobakter-Infektion.
„Ziel des Einsatzes von KI ist es, rechtzeitig eingreifen zu können“, erklärte Maurano. „Einige unserer Studien befinden sich noch im Anfangsstadium, aber sie machen deutlich: KI ersetzt nicht den Arzt, sondern ist eine Erweiterung der ärztlichen Fähigkeiten.“
Berufliche Migration
Seinem Erfahrungsbericht „Berufliche Migration (Italien-Deutschland)“ stellte Dr. med. Vinzenzo Mancuso die Antwort auf die Frage voran, warum er einst aus Italien nach Deutschland gekommen sei: „Aus Not, denn ich konnte mich zu Beginn der achtziger Jahre in Italien nicht spezialisieren. Als ich las, dass in Deutschland Ärzte gesucht wurden, fiel meine Entscheidung.“ Er habe damals nur über geringe Deutschkenntnisse verfügt, aber die Zulassung erhalten, als Arzt in einem Krankenhaus in Diez an der Lahn zu arbeiten. Anschließend wechselte Mancuso nach Frankfurt, arbeitete zunächst auf der Intensivstation einer Klinik, bevor er zu seinem Wunschgebiet, der Chirurgie, im Frankfurter Katharinenkrankenhaus wechseln konnte.
1998 spezialisierte er sich in Allgemeinchirurgie, arbeitete in der BG Unfallklinik mit dem „Robodoc“, einem Gerät für die rechnergestützte Implantation von Hüftgelenksprothesen, und kehrte an das Katharinenkrankenhaus zurück. Von 2005 bis 2010 war Mancuso am Sankt-Vinzenz-Krankenhaus in Hanau und bis 2013 am MVZ Hanau tätig, um sich dann in den Ruhestand zu verabschieden: Eine wechselvolle, mit vielen beruflichen Erfahrungen und Möglichkeiten verknüpfte Geschichte, die Mancuso temperamentvoll erzählte. Bis heute engagiert sich der gebürtige Sizilianer intensiv für den italienisch-deutschen Kulturaustausch.
Shift zur Ambulantisierung
In der abschließenden Diskussion über aktuelle Herausforderungen für die Gesundheitswesen beider Länder, wollte Dott. Alfonso Giordano wissen, wie die stationären und die ambulanten Behandlungen in Deutschland zukünftig miteinander in Einklang gebracht werden könnten. „Für die schweren Fälle müssen wir die Kliniken heranziehen. Viele Eingriffe können jedoch ambulant oder in Tageskliniken erfolgen“, antwortete Dr. Fach. Aus diesem Grund werde es einen Shift von ambulant zu stationär geben. Aktuell existierten noch viele finanzielle Fehlanreize, die zu Krankenhausaufenthalten führten, z. B. bei Gastroskopien.“„Ja, wir machen in Deutschland einen Shift zu mehr ambulanten Eingriffen“, bestätigte Prof. Wulf. Aber dies sei auch mit Schwierigkeiten verbunden. Beispiel Handchirurgie. Kleinere Eingriffe seien ambulant behandelbar. Doch bei größeren Handverletzungen werde es schwer werden, an den Wochenenden einen Spezialisten außerhalb der Klinik zu finden. Noch sei nicht klar geregelt, wie man im Gesundheitswesen mit der zunehmenden Ambulantisierung umgehen solle. „Ihr seid Athen, wir sind Sparta“, kommentierte Giordano. „Personal fehlt auch bei uns. Doch auch wir sehen die Notwendigkeit, Kapazitäten von den Krankenhäusern auf andere Einrichtungen zu verlagern.“
Zuständigkeiten deutscher und italienischer Ärztekammern
Dott. D’Angelo sprach Dr. Pinkowski auf das Verhältnis zu anderen Gesundheitsberufen an. Was die Beziehung zur Pflegekammer und Apothekerkammer angehe, so gebe es in Italien Probleme hinsichtlich der Definition der Kompetenzen der Berufsangehörigen der einzelnen Kammern. „Wie sieht es bei Euch aus?“, wollte D’Angelo wissen. „Die Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten“, erwiderte Pinkowski. So sei das italienische Gesundheitssystem viel dirigistischer organisiert als das deutsche. Allerdings versuche der deutsche Bundesgesundheitsminister, auch das deutsche Gesundheitswesen zu einem dirigistischen System umzubauen. Die Ärzteschaft habe daher klar gesagt, dass sie diesen Umbau nicht wolle. Gerade in puncto Weiterbildung und Fortbildung liege die Zuständigkeit bei den Ärztekammern, die mehr Freiheiten und Möglichkeiten als in Italien hätten. „Wir wollen frei von der Einflussnahme und dem Zugriff des Staates bleiben“, erklärte Pinkowski. „Der grundlegende Unterschied ist, dass die Ärztekammern in Italien eine schwächere Position gegenüber dem Staat haben als die deutschen“, bekräftigte D’Angelo. „Wir sind der Form halber Protagonisten im Gesundheitssystem, aber nicht in der Substanz.“ So gebe es in Italien keine große Abgrenzung zwischen Ärzten, Apothekern und so weiter. „Diese Tendenz gibt es auch bei uns“, so Pinkowski. „Unsere Aufgabe als Ärztekammer ist es daher, uns dafür einzusetzen, unsere Zuständigkeiten zu erhalten und uns vom Staat nicht entmachten zu lassen.“ Wichtig sei der Übergang zu einem Gesundheitswesen, das den Patienten an der Hand nehme, sagte D’Angelo.
Katja Möhrle