Der Anteil der Ärztinnen im ambulanten Versorgungsbereich hat die 50-Prozent-Marke überschritten [1]. Dieser steigende Frauenanteil bei den Ärzten hat weitreichende Auswirkungen auf verschiedene Aspekte des Gesundheitswesens, von der Arbeitskultur bis hin zur Patientenversorgung. Heute sind zwei Drittel aller Medizinstudierenden in Deutschland Frauen. 2023 waren erstmals mehr Ärztinnen als Ärzte in der ambulanten Patientenversorgung tätig, mit einer Frauenquote von 50,3 %, gegenüber 46 % im Jahr 2018. Die höchsten Frauenquoten gibt es im psychotherapeutischen Bereich mit 79,4 % bei Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen, 75 % bei psychologischen Psychotherapeutinnen und 73,2 % bei Fachärztinnen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Die niedrigsten Frauenanteile finden sich in der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (13,8 %), Orthopädie und Unfallchirurgie (14,1 %) sowie Neurochirurgie (14,5 %). Das führt zu Veränderungen in der Arbeitskultur [2].

„Teams unter Leiterinnen erzielen bessere Ergebnisse“

Frauen in Führungspositionen unterstützen

Frauen legen oft großen Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, was zu einem erhöhten Bedarf an Teilzeit- und flexiblen Arbeitsmöglichkeiten führt, um den Anforderungen von Ärztinnen gerecht zu werden, ihren familiären Verpflichtungen nachzukommen.

Studien zeigen, dass Frauen tendenziell kooperativere und kommunikativere Arbeitsstile bevorzugen, was zu einer stärkeren Teamarbeit und besseren interprofessionellen Zusammenarbeit führt. Arbeitsgruppen unter weiblicher Leitung erzielen bessere Ergebnisse als jene unter männlicher Leitung. Insbesondere Frauen profitieren unter weiblicher Führung und zeigen optimierte Arbeitsergebnisse [3]. Metaanalysen haben gezeigt, dass Vorbehalte gegenüber weiblichen Führungskräften leider verbreitet sind [4]. Bei voller Vertraulichkeit gaben 28 % der Frauen und 45 % der Männer an, Frauen im Vergleich zu Männern weniger Führungsqualitäten zuzuschreiben. Flexible Arbeitszeitmodelle, Job-Sharing und zeitgemäße Karriereangebote wie „Top-Sharing“ können Ärztinnen dabei helfen, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Initiativen und Programme, die Frauen in Führungspositionen unterstützen, sind eine Zukunftsaufgabe [5]. Diskussionen über gleiche Bezahlung und gerechte Vergütung werden intensiver geführt, da es immer noch geschlechtsspezifische Gehaltsunterschiede gibt. Der Medscape Gehaltreport 2021 zeigte, dass der Gender Pay Gap in der Ärzteschaft 2020 (30 %) weiterhin deutlich höher ist als im Bundesdurchschnitt (18 %) [6]. Ärztinnen arbeiten häufiger in Teilzeit als Männer, was zu geringeren Karrieremöglichkeiten und einem niedrigeren durchschnittlichen Stundenlohn führt. Das wirkt sich auch in der Altersvorsorge aus. Ergonomische Anpassungen und familienfreundliche Maßnahmen, wie betriebliche Kinderbetreuungseinrichtungen, müssen umgesetzt werden, um den Bedürfnissen einer vielfältigeren Ärzteschaft gerecht zu werden. Die Einbindung von schwangeren Ärztinnen und Ärztinnen in Elternzeit sollte ebenso gefördert werden. Einige Studien deuten darauf hin, dass Patienten bei Ärztinnen oft von einer höheren Patientenzufriedenheit aufgrund besserer Kommunikation und Empathie berichten [7].

Eine kanadische Cross-Sectional-Analyse zeigte, dass Patienten, die von Ärztinnen behandelt wurden, weniger häufig in der Notaufnahme oder im Krankenhaus waren. Es gab Unterschiede im Behandlungsergebnis bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder chronischer Herzinsuffizienz, wo ein besseres Outcome nach Behandlung durch eine Ärztin festzustellen war [8, 9]. Die Sterblichkeitsrate ist geringer, wenn eine Ärztin ältere Patientinnen behandelt hat. In der Ausbildung schafft ein höherer Frauenanteil bei Mentoren mehr weibliche Vorbilder.

In Mentorinnen-Netzwerken profitieren Mentees von den Erfahrungen ihrer älteren Kolleginnen, die ihnen den Weg durch Ausbildung und Berufsleben aufzeigen. Ausbildungsprogramme müssen möglicherweise angepasst werden, um den spezifischen Bedürfnissen und Herausforderungen von Frauen in der Medizin gerecht zu werden.

Fazit: Bessere Arbeitskultur

Ein zunehmender Frauenanteil bei den Ärzten bringt vielfältige Veränderungen mit sich, die das Gesundheitswesen in vielerlei Hinsicht positiv beeinflussen können. Es erfordert jedoch Anpassungen in den Arbeitsstrukturen, der Ausbildung, den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und der Bezahlung, um den Bedürfnissen und Potenzialen einer diversifizierten Ärzteschaft gerecht zu werden. Diese Veränderungen können zu einer besseren Arbeitskultur, einer verbesserten Patientenversorgung und einer gerechteren und inklusiveren Arbeitswelt führen.

Jutta Willert-Jacob, Präsidiumsmitglied der Landesärztekammer Hessen

Die Literaturhinweise finden Sie hier.