Hintergrund

Eine GmbH betreibt ein „Vermittlungsportal“, auf dem sich Kunden, die an einer ärztlichen Behandlung mit medizinischem Cannabis interessiert sind, anmelden können. Diesen Kunden werden dann unter bestimmten Bedingungen Ärztinnen und Ärzte präsentiert, mit denen ein Behandlungstermin vereinbart werden kann. Auf ihrer Website wirbt die GmbH unter anderem mit der Aussage „Deutschlands führende Plattform für die Therapie mit medizinischem Cannabis“.

Mit den Ärztinnen und Ärzten schließt die GmbH Verträge ab, mit denen sie sich zur Präsentation ihrer Tätigkeit sowie zu einem Terminservice, der Verwaltung der Patientendaten, administrativen Aufgaben einschließlich ggf. der stundenweise Vermietung von Praxisräumen sowie der Liquidation ärztlicher Leistungen verpflichten. Die GmbH erhält hierfür einen prozentualen Anteil in Höhe von 60 % bis 79 % der ärztlichen Liquidation.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat (mit Urteil vom 23. Januar 2024, Az. 3–08 O 540/23) der GmbH untersagt, mit Ärztinnen und Ärzten derartige Verträge abzuschließen. Es hat festgestellt, dass dieses Geschäftsmodell gegen § 2 Abs. 4, §§ 17, 31 der Muster-Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte, die der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen (BO) entspricht, verstößt. Da die GmbH mit der vertraglichen Zusammenarbeit das berufsrechtliche Fehlverhalten der Ärztinnen und Ärzte wissentlich fördert, haftet sie wettbewerbsrechtlich mittelbar als Teilnehmerin.

Schutz der ärztlichen Unabhängigkeit

Ärztinnen und Ärzte dürfen hinsichtlich ihrer ärztlichen Entscheidungen keine Weisungen von Nichtärzten entgegennehmen (§ 2 Abs. 4 BO). Diese Vorschrift soll die ärztliche Unabhängigkeit sicherstellen und ist insofern weit auszulegen, sodass bereits subtile Erwartungshaltungen Dritter einen Verstoß gegen das Weisungsverbot darstellen.

Eine derartige Erwartungshaltung hat die GmbH mit ihrem Internetauftritt hervorgerufen. Bei Besuchern der Website wird der Eindruck erweckt, dass der Kontakt mit den Ärztinnen und Ärzten genau zur Verschreibung von Cannabis vermittelt wird und das gewünschte Rezept ausgestellt wird. Mit dieser Erwartungshaltung sowohl der Patientinnen und Patienten als auch der GmbH sehen sich die Ärztinnen und Ärzte bei diesem Vertragswerk konfrontiert.

Verstoß gegen die Niederlassungspflicht

Die Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit ist an eine Niederlassung an einem Praxissitz gebunden (§ 17 Abs. 1 BO). Dies soll sicherstellen, dass die Ärztinnen und Ärzte für ihre Patientinnen und Patienten, die Kostenträger, aber auch die Aufsichtsbehörden erreichbar sind. Da Ärztinnen und Ärzte die Praxisräume nur nach Absprache nutzen können, sind diese für ihre Patientinnen und Patienten nicht unmittelbar selbst erreichbar, sondern nur über die von der GmbH zur Verfügung gestellten Kommunikationsmittel. Dies erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Niederlassung und die Ärztinnen und Ärzte sind daher nicht in einer solchen tätig.

Verstoß gegen das Verbot Zuweisung gegen Entgelt

Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, für die Zuweisung von Patientinnen und Patienten u. a. ein Entgelt zu fordern oder zu gewähren (§ 31 Abs. 1 BO). Die GmbH behielt nach der von ihr durchgeführten Abrechnung einen Honoraranteil von 60 –79 % ein. Hiermit sollten die Leistungen der GmbH vergütet werden. Nach richtiger Ansicht des Landgericht Frankfurt stellt der einbehaltene Honoraranteil jedoch kein Äquivalent für die Leistungen der GmbH dar. Vielmehr ist ein Teil des einbehaltenen Honorars als Vermittlungsprovision anzusehen und stellt daher eine berufsrechtswidrige Patientenzuweisung dar.

Das Urteil des Landgericht Frankfurt ist nicht rechtskräftig.

Fazit

Das Geschäftsmodell, das Grundlage dieses Urteils ist, spiegelt einen Trend wider, der in jüngerer Zeit vermehrt zu beobachten ist. Sowohl in der analogen, vor allem aber seit der Lockerung des Verbots der ausschließlichen Fernbehandlung auch in der digitalen Welt drängen kommerzielle Anbieter in das Gesundheitswesen. Diese neuen Geschäftsgebaren gefährden die durch die Berufsordnung geschützte ärztliche Unabhängigkeit. Das Urteil des Landgerichts Frankfurt zieht daher wertvolle Grenzen bei der Zusammenarbeit von Ärztinnen und Ärzten mit Dritten und stärkt dadurch das Vertrauen der Patientinnen und Patienten, der Kostenträger und auch der Ärztinnen und Ärzten in die hessische Ärzteschaft.

Andreas Wolf, Stellv. Justitiar der Landesärztekammer Hessen, Syndikusrechtsanwalt