Zum 1. April 2024 ist das Gesetz der Ampelkoalition zur Cannabislegalisierung in Kraft getreten. Wurde jemals ein Gesetz im Bundestag, der Bundesrat war nicht zustimmungspflichtig, gegen die einheitliche Meinung aller Experten verabschiedet? Wohl kaum.

Nicht nur die Suchtmediziner, Psychiater, Fachgesellschaften, einschließlich der Kinderärzte, haben sich mit sehr gut begründeten Bedenken dagegen geäußert. Alle Ärztekammern und die Bundesärztekammer haben ihre Experten zur Anhörung geschickt und sich gegen die Gesetzesmaßnahme ausgesprochen.

Warum also hat die Bundesregierung dieses gemacht? Die einfache Antwort lautet, es stand als Absicht im Koalitionsvertrag. Aber warum wollten die Koalitionspartner dieses? Das vorgebrachte Argument, die Kriminalisierung großer Teile der Bevölkerung zu beenden, ist nach heutiger Auffassung nicht richtig. Die Verminderung von Bürokratie wird so nicht stattfinden. Hunderte oder Tausende von Verfahren müssen neu eingeschätzt und bewertet werden. Gelingt mit dem Gesetz eine Ausschaltung des Schwarzmarktes? Wohl kaum. In keinem Land, das sich zur Legalisierung des Cannabismarktes entschieden hat, ist es zu einem Verschwinden des Schwarzmarktes gekommen. Also warum?

Offensichtlich hat sich in der Gesellschaft eine Meinungsänderung ergeben. Viele Teile betrachten das Konsumieren von Cannabisprodukten als Lifestyle, als ihr Recht und sehen darin eine Benachteiligung, insbesondere gegenüber dem Umgang mit Alkohol in der Gesellschaft. Diese Wählergruppen zu binden und mit der Erfüllung der Förderung auf Legalisierung von sich zu überzeugen, war vielleicht ein wichtiges Argument für diejenigen, die das Legalisieren so stark befürworteten. Ein anderes mag das Interesse an zusätzlichen Steuereinnahmen sein.

Alle Experten bezweifeln, dass die vorgesehene Regelung mit der Begrenzung des Eigenanbaus und der Vertrieb über soziale, organisierte Vereine, insbesondere gefährdete Jugendliche und junge Erwachsene vom Konsum abhält. Der Schwarzmarkthändler vertreibt nicht nur Cannabis, der Schwarzmarkt ist in der Preisgestaltung flexibel und die „Dealer“ sind sehr gut organisiert und vertreiben viele Produkte. Warum sollen sie ausgerechnet auf den Vertrieb des Cannabisproduktes verzichten, wo doch gerade die besonders gefährdenden Gruppen vermutlich weiterhin als Kunden gebunden werden können, um sich dort nicht namentlich registrieren lassen müssen.

In jüngerer Zeit kam es, entgegen den Aussagen des Bundesgesundheitsministers, systematisch zumindest zu einem Abbau, wenn nicht sogar zur Streichung von Geldern für die Präventionsarbeit, für die Drogen- und Suchtarbeit in den Städten, Gemeinden und Ländern. Die Zusammenhänge zwischen Cannabiskonsum und Auftreten von Psychosen, von bleibenden Schäden am noch nicht ausgereiften Gehirn, dass mindestens bis zum 27. Lebensjahr von Schädigung freigehalten werden sollte, blieben ungehört und unbeantwortet.

Die Legalisierung alleine ist keine Präventionsarbeit! Jetzt muss Geld investiert werden in Prävention, in frühe Interventionen und in die richtigen Rahmenbedingungen, damit der leichtere und unkritischere Zugang nicht zu mehr Problemen, gerade für Jugendliche und junge Erwachsene, führt. Das Hilfesystem ist bereits jetzt überlastet, die Wartezeiten für stationäre oder ambulante Behandlungsplätze betragen mehrere Monate.

Nach wie vor hat die Ärzteschaft große Bedenken, nicht nur wegen der Auswirkung des Gesetzes. Nach allen vorliegenden Untersuchungen steigt der Anteil der Konsumenten, insbesondere der Risikogruppen, nach Legalisierungsmaßnahmen in allen Ländern, in denen es so gemacht wurde. Darüber hinaus wird ein Rückgängigmachen des legalisierten Zugangs zu Cannabis und zu einem sich stetig in seiner Konzentration verstärkenden Produktes nicht möglich sein.

Wir als Ärztinnen und Ärzte haben selten in so eindeutiger Situation der Ohnmacht gelegen, gegen alle Sachargumente wurde dieses Gesetz, eine zweite Niederlage nach der fragwürdigen Zulassung von Cannabis als Medikament, durchgepeitscht. Die Politik hat begriffen, dass das Gesundheitswesen, insbesondere die Ärztinnen und Ärzte, für Wahlausgänge nicht entscheidend sind, quasi eine Quantité négligeable.

Dr. med. Siegmund Drexler, Berater der LÄKH in Drogen- und Suchtfragen

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