Nun steht die heiße Phase für zwei große Gesetze bevor, die Bundesgesundheitsminister Lauterbach auf Biegen und Brechen aus dem Entwurfsstadium in die gesetzgeberische Umsetzung bringen will. Das ist zum einen das fast schon berühmt-berüchtigte Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen und zum anderen das Gesetz zur Reform der Notfallversorgung.
Es bleibt spannend, denn vielleicht besteht ja doch noch ein winziges Fünkchen Hoffnung, dass der Minister auf die vielfach geäußerte Kritik seiner Länderkollegen, der sogenannten Leistungserbringer (gemeint sind damit in der Sprache der Verwaltung Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser, aber auch Zahnärzte, Apotheken, Hebammen und weitere mehr) und der Krankenkassen eingehen wird, wie er es zuletzt bei dem „Gesundes-Herz-Gesetz“ tat. Bei diesem wird die Verordnung von Statinen nun doch nicht durch eine Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums geregelt, sondern verbleibt in der Zuständigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses und damit der Selbstverwaltung. Allerdings lehnte er die Ländervorschläge zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz ab und damit auch bessere Weiterbildungsförderungen, vor allem für Fachärzte. In der Begründung dieser Ablehnung heißt es: „ …Schließlich stellt die Lage in der hausärztlichen Versorgung mit mehreren tausend offenen Zulassungen einen Sonderfall dar. Die Versorgungslage in der Kinder- und Jugendmedizin oder in anderen Facharztgruppen ist damit nicht vergleichbar.“
Hier liegt eine eklatante Fehleinschätzung vor. Die Nöte frischgebackener Eltern, eine kinderärztliche Praxis zu finden, die noch nicht am Limit angekommen ist, werden schlicht ignoriert. Leider liegt hier wohl nicht nur eine Fehleinschätzung vor, sondern dahinter verbirgt sich vermutlich mehr schlecht als recht getarnt das Ziel, die sogenannte doppelte Facharztschiene zu demontieren. Schließlich träumt Lauterbach seit langem davon, Fachärztinnen und -ärzte nur noch an den Kliniken arbeiten zu lassen. Die zweifelsohne nötige Krankenhausreform wird in der vorgelegten Form allerdings zur Schließung zahlreicher Standorte führen, selbst wenn der Minister noch Änderungen an seinem Entwurf vornehmen sollte. Ohnehin arbeitet die Zeit für ihn, denn immer mehr Krankenhäuser blicken in eine nahe Zukunft, die mehr und mehr (tief)rote Zahlen verheißt und nicht selten in die Insolvenz mündet. Am Ende bleiben deutlich weniger Krankenhäuser zurück und damit naturgemäß auch weniger Weiterbildungsstellen, so dass dann kaum jemand übrig bleibt, um nach der Lauterbach’schen Logik (Staatsmedizin) eine Förderung der ambulanten fachärztlichen Weiterbildung in Anspruch nehmen zu können.
Patientinnen und Patienten wollen und müssen aber weiter versorgt werden. In einer repräsentativen Befragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Techniker Krankenkasse vor der Landtagswahl in Sachsen zeigten die Befragten ein großes Interesse für gesundheitspolitische Fragen. Patientinnen und Patienten dürfen und wollen nicht Opfer einer fehlgeleiteten Reform werden.
Der Wissenschaftsrat setzt nun seine Hoffnung auf Prävention. Als Beratungsgremium von Bund und Ländern kündigte er kürzlich an, alle Akteure im Gesundheitswesen zu einer nationalen Präventionsstrategie zu gewinnen. Bis hin zu einem möglichen Erfolg wird bei allem Optimismus noch sehr viel Zeit ins Land gehen. Dieses sehr begrüßenswerte Vorhaben, bei dessen Entwicklung die Ärztekammern sicher gerne mitarbeiten wollen, benötigt für die Ausarbeitung Zeit. Bis die Weichen zu einer möglichen Umsetzung gestellt sein werden, geht weitere Zeit ins Land. Und bis sich die Erfolge zeigen, dauert es noch viel länger. Wer soll also in der Zwischenzeit, bis z. B. die Diabeteserkrankungen messbar zurückgehen, die ärztliche Versorgung übernehmen? Hier kommen nun die älteren Kolleginnen und Kollegen ins Spiel. So schätzt Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhardt, dass ein erheblicher Teil der Kolleginnen und Kollegen unter den entsprechenden Bedingungen (steuergesetzliche bzw. sozialversicherungsrechtliche Regelungen) bereit wäre, den Eintritt in den Ruhestand zu verschieben oder zumindest einige Stunden pro Woche weiter zu arbeiten. Würde der immer wieder angekündigte Bürokratieabbau endlich in die Tat umgesetzt werden, hätten Ärztinnen und Ärzte, aber auch Pflegekräfte, ob ambulant oder stationär tätig, deutlich mehr Zeit für die eigentliche Patientenversorgung. Ganz zu schweigen von der Freude am Beruf, die sogar zu einer Verlängerung des Berufslebens führen könnte. Schließlich führte der Wunsch, mit und für die Menschen zu arbeiten, zur Wahl des Berufs.
Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident