Während Bundesgesundheitsminister Lauterbach von einem Herbst der Reformen spricht, sieht Bundesfinanzminister Linder einen Herbst der Entscheidungen. Entscheidend ist jedoch, dass wir nicht in einen Herbst des Stillstandes geraten, denn wir brauchen dringend Bewegung – und dies nicht nur körperlich, sondern in hohem Maß in der Gesundheitspolitik. Zudem sollte hier endlich Teamgeist einziehen, vor allem im Gesundheitsministerium. Es scheint jedoch, als ob man den Begriff Teamgeist eher für ein flüchtiges Wesen der Zwischenwelt hält, an dessen Existenz man nicht glauben mag. Anders lässt sich die bereits im Vorfeld sehr eingeschränkte Kommunikation mit den Betroffenen und Sachverständigen kaum erklären. Dies gipfelte dann am 25. September in einer auf ganze zwei Stunden angesetzten Anhörung der Sachverständigen zur geplanten Krankenhausreform. Da erübrigt sich im Grunde jeder weitere Kommentar.
Neben dieser Großbaustelle gibt es viele weitere Baustellen. Da wäre zum Beispiel die Anfang Oktober noch immer ausstehende Impfvereinbarung zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder und den Krankenkassen für die Corona-Impfung. Das bedeutet, dass impfwillige Versicherte die Kosten für die ärztliche Leistung zunächst selbst bezahlen müssen und dann im Nachgang bei ihrer Versicherung die Erstattung beantragen müssen. Auch wenn eine Corona-Infektion erfreulicherweise für die meisten ihre größten Schrecken verloren hat, werden potenziell Impfwillige aus den Risikogruppen so nicht motiviert oder könnten sogar zu der Annahme verleitet werden, dass eine Impfung doch nicht mehr nötig ist. Übrigens liegt der Sicherstellungsauftrag für das Impfen nicht bei den Kassenärztlichen Vereinigungen, sondern bei den Krankenkassen. Auch hier ist Bewegung angesagt. Schließlich wollen die Krankenkassen nach eigenem Bekunden immer stärker in die Verantwortung für die Gesundheit ihrer Mitglieder einsteigen. Dann sollte es nicht zu Verzögerungen bei elementaren Vorsorgeleistungen wie Impfungen kommen.
Wie Kollege Dr. Thomas Aßmann in seiner FAZ-Kolumne vom 6.10.24 schrieb, gibt es den Covid-Impfstoff laut Auskunft eines Biontech-Mitarbeiters wohl bis 2026 nicht als Einzeldosis, weil die Bundesregierung einen Vertrag bis 2026 mit Biontech über sechs Impfungen in einer Ampulle abgeschlossen habe. Eine Änderung sei nicht möglich. Beweglichkeit wäre auch hier wünschenswert. Das alleine ermöglicht eine rasche Impfung der Motivierten anstatt sie auf eine Warteliste zu setzen.
Bewegung kommt allmählich allerdings in die Vorbereitungen zur Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA). Die ersten Informationsschreiben der Krankenkassen an ihre Versicherten wurden inzwischen verschickt und dürften viele Menschen vor einige Herausforderungen stellen, ist doch der Anmeldeprozess nicht ganz banal. Auch unter 60-jährige geübte Smartphonenutzer haben mir von einigen Fehlversuchen beim Einrichten einer ePA berichtet. Leider fehlt in vielen Informationsschreiben der Hinweis auf die Möglichkeit, dass autorisierte Vertreterinnen und Vertreter die ePA ebenfalls einrichten können. Das betrifft nicht nur viele pflegebedürftige Menschen, sondern auch Minderjährige unter 15 Jahren. Auch diese Fragen werden sicherlich demnächst in den Arztpraxen gestellt werden und zu erheblichem Zeitaufwand führen. Immerhin haben die Krankenkassen ja noch Zeit, ihre FAQ-Seiten fortlaufend zu befüllen und leicht verständliche Erklärungen zu geben. Ob die vierwöchige Erprobungszeit der neuen ePA mit Start am 15. Januar im kommenden Jahr für eine ausreichende Testung samt Behebung möglicher Fehler – und die wird es sicher geben – ausreichen wird, muss sich allerdings noch zeigen. Auf keinen Fall darf dies zu Lasten der Praxen und Krankenhäuser gehen.
Dann ist da noch das leidige, noch immer nicht gelöste Problem der Arzneimittellieferengpässe. Davon betroffen sind inzwischen nicht nur Antibiotika und etliche andere Arzneimittel, sondern auch – und das ist kaum zu glauben – das Allerweltsprodukt Kochsalzlösung. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erklärte, dass die Engpässe noch Monate andauern würden. Das stellt nicht nur Krankenhäuser, sondern auch die ambulanten Praxen vor Probleme, und nicht zuletzt Patientinnen und Patienten, die womöglich länger auf eine Operation oder andere Maßnahmen warten müssen.
Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident