Der 17. EAHAD-Kongress, welcher vom 6.–9. Februar in der Messe Frankfurt tagte und damit zum zweiten Mal in Deutschland stattfand, zog rund 2.000 Fachleute aus über 70 Ländern an. Unter der Leitung von Kongresspräsident Prof. Dr. med. Wolfgang Miesbach, Leiter der Hämostaseologie an der Medizinischen Klinik 2 des Universitätsklinikums Frankfurt, bot die Veranstaltung ein Programm mit Vorträgen von international renommierten Experten, präsentierte bahnbrechende neue Forschungsergebnisse und förderte den Austausch durch interaktive Präsentationsformate.

Die European Association for Haemophilia and Allied Disorders (EAHAD) ist eine multidisziplinäre Vereinigung von Fachleuten des Gesundheitswesens, die sich für die Verbesserung der Situation von Menschen einsetzen, die mit Hämophilie und anderen Blutungsneigungen leben. Zu ihren Mitgliedern gehören Hämatologen, Internisten, Kinderärzte, Pflegefachkräfte, Physiotherapeuten, psychosoziale Fachkräfte, Laborwissenschaftler und Forscher aus ganz Europa.

Ein Hauptaugenmerk des Kongresses galt der Rolle der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens in der Gestaltung zukünftiger Behandlungsverläufe sowie deren Einsatz für die hoch entwickelte Mustererkennung, prädiktive Analytik und die Untersuchung von Interaktionen zwischen Arzneimitteln und Genen bzw. zwischen verschiedenen Medikamenten. Darüber hinaus wurde die Bedeutung der KI für das Verfassen, Begutachten und Redigieren wissenschaftlicher Manuskripte beleuchtet. Führende internationale Experten haben ihre Einblicke geteilt, den Nutzen der KI hervorgehoben und gleichzeitig auf potenzielle Risiken aufmerksam gemacht, um eine fundierte Diskussion und Reflexion zu fördern.

Auf dem Kongress wurden bahnbrechende Fortschritte in der Entwicklung speziell entwickelter Antikörper vorgestellt, die das Potenzial haben, die Behandlung nicht nur der Hämophilie, sondern auch anderer Blutgerinnungsstörungen grundlegend zu verändern. Ein bedeutender Teil des Kongresses umfasste erstmalig öffentlich vorgestellte Präsentationen und Posterbeiträge zu zell- und gentherapeutischen Therapien in frühen Entwicklungsphasen sowie zu neuen Therapieoptionen bei Blutungsneigungen im Kindesalter.

Insgesamt reflektierte das Programm die dynamische Entwicklung in der Forschung und Behandlung von Blutgerinnungsstörungen, mit einem starken Fokus auf Innovationen, die das Potenzial haben, die Lebensqualität der Betroffenen deutlich zu verbessern:

  • Zukünftige Nicht-Faktor-Therapien: Ein Schwerpunkt liegt auf innovativen Behandlungen, die über traditionelle Faktor-Ersatztherapien hinausgehen, einschließlich der Diskussion eines möglichen Paradigmenwechsels bei der Behandlung erworbener Hämophilie.
  • Optimierung der Behandlungsergebnisse bei Hämophilie: Es wurden Strategien vorgestellt, um psychische Belastungen zu reduzieren und langfristige Gelenkgesundheit zu fördern.
  • Es wurden Studien zur langfristigen Wirkung der Gentherapie vorgestellt sowie zur Sicherheit und Wirksamkeit von Gentherapien, und die Vorteile der zweiten Generation der Hämophilie-Gentherapie diskutiert.
  • Debatten zu aktuellen Themen beleuchten die Vor- und Nachteile der Antikoagulation bei Hämophilie und diskutieren die Effektivität von Immuntoleranzinduktion (ITI) im Vergleich zu Nicht-Ersatz-Therapien.
  • Präsentationen zu ersten Untersuchungen am Menschen für die prophylaktische Behandlung von Glanzmann-Thrombasthenie und die Effektivität von prophylaktischen Behandlungen bei von-Willebrand-Syndrom.

Es wurde auch der Fortschritt deutlich, die Entwicklungen in der Therapie der Hämophilie A und B auch auf andere seltene Blutungsneigungen zu übertragen. Ein Höhepunkt war eine international besetzte Podiumsdiskussion zwischen Ärzten, Mitarbeitenden der Europäischen Arzneimittel-Agentur und Kostenträgern über die Finanzierbarkeit neuer Therapien. Eine Diskussion über die Zugänglichkeit, Erstattung, Machbarkeit und Nachhaltigkeit neuer Therapien unterstreicht die aktuellen Herausforderungen im Gesundheitssystem.

Verschiedene Beiträge wissenschaftlicher, auch nicht-ärztlicher Arbeitsgruppen, wie der Hämostoseologie-Assistentinnen, Psychologen und Physiotherapeuten hoben die Bedeutung des multidisziplinären Teams in der Patientenversorgung hervor. Die Resonanz der Kongressteilnehmer bestätigte den hohen Informationsgehalt und die Bedeutung der präsentierten Inhalte. Dies unterstrich den Stellenwert des EAHAD-Kongresses als eine zentrale Plattform für den Austausch über neueste Entwicklungen im Bereich der Hämophilie und verwandter Blutgerinnungsstörungen.

Prof. Dr. med. Wolfgang Miesbach