Der Leserbrief von Herrn Frevert [1] bedarf einiger Klar- und Richtigstellungen. Die Fakten sind angesichts des im HÄBL begrenzten Platzes auf der Website der Bad Nauheimer Gespräche (BNG) eingestellt, ebenso wie die Aufzeichnung der sehr gut besuchten Veranstaltung der BNG zu Cancel Culture, die inzwischen mehr als 14.000mal angesehen und durchweg gelobt wurde [2 ].
Zusammenfassend weisen das damalige Vorgehen von Herrn Frevert und sein jetziger Leserbrief beispielhaft Methoden von Cancel Culture auf:
- Eine Person wird als „Klimaleugner“ bezeichnet, ohne auf ihre Sachargumente einzugehen, ohne sie überhaupt zu hören ( „Deplatforming“). Die, die sie eingeladen haben, werden gleich im Sinne der „Kontaktschuld“ bzw. „Anschlussfähigkeit“ ebenfalls in die Klimaleugnerecke gesteckt.
- Laien wird kein eigenständiges Urteil zugestanden, sie sollen Mainstream-Meinungen hören und müssen – im Sinne des „Betreuten Denkens“ – vor vermeintlich falschen Informationen oder Argumenten geschützt werden, wozu in diesem Fall das Canceln mit Denk- und Sprechverboten ethisch geboten und rechtmäßig sei.
Aber: Was ist das für ein Menschenbild und Rechtsverständnis? Solches Canceln verletzt die UN Charta für Menschenrechte (§ 19) und das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (§ 5 GG) [3, 4]. Und: Hat nicht die Geschichte oft genug gezeigt, dass Mehrheitsmeinungen sich später als falsch herausgestellt haben?
In seinem 2023 erschienenen Buch „‚Cancel Culture’ Ende der Aufklärung? Ein Plädoyer für eigenständiges Denken“ [5], schreibt Julian Nida-Rümelin „Wer glaubt, die besseren Argumente zu haben, sollte ihrer Wirkung vertrauen und nicht zu nicht diskursiven Mitteln greifen. Nur wer sich seiner Sache nicht hinreichend sicher ist oder wem es lediglich um Machtausübung und nicht um Klärung von Sachverhalten – empirischen wie normativen – geht, übt physische oder kulturelle Gewalt aus und gefährdet damit die Demokratie.“
Prof. Dr. med. Ursel Heudorf, Bad Nauheimer Gespräche e. V.
Die Literaturangaben finden Sie hier.