Die Verunsicherung der Bevölkerung bezüglich der ärztlichen Versorgung zu jeder Tages- und Nachtzeit ist nicht zu übersehen – ist sie doch lebhaftes Thema in den Medien, auch in der Laienpresse.
Man sollte nicht unterschätzen, dass Menschen, die medizinisch nicht ausgebildet sind, bei plötzlich auftretenden Beschwerden beunruhigt sind bis hin zu Panikreaktionen, die ein reelles Gesundheitsproblem dann möglicherweise noch verschlimmern.
Andererseits häufen sich die Fälle, wo aus Ignoranz oder Bequemlichkeit rücksichtslos Notdienststrukturen angelaufen werden anstelle der in Deutschland breit vorgehaltenen regulären medizinischen Versorgungsangebote.
Und dies beides müssen alle, die sich in der Patientenversorgung engagieren, auch im Grenzfall auseinanderhalten können und professionell damit umgehen. Sonst könnte man möglicherweise medizinisch relevante Fakten übersehen oder etwa aus spontaner Verärgerung überflüssige Auseinandersetzungen provozieren.
Minister Lauterbach sagt: „Wir müssen die Menschen da abholen, wo sie hingehen.“ Das stimmt einerseits. Es trifft mit Sicherheit besonders auf die Menschen zu, die in ihrem Herkunftsland bisher nur den direkten Weg in die Klinik kannten, egal mit welchen Beschwerden.
„Wir müssen verständlich für alle erklären, wie die Gesundheitsversorgung in Deutschland funktioniert“
Dennoch darf man auch nicht aufhören, immer wieder darauf hinzuweisen und zu erklären, wie hier in Deutschland eine situationsbezogene und zielführende Gesundheitsversorgung funktioniert und auch in Zukunft nur gelingen kann, wenn alle hierzulande sich daran halten.
In der Laienpresse sollten mehr informative Artikel hierzu erscheinen und Statements von Fachleuten in der Öffentlichkeit – Politikern und Ärzteschaft – sich möglichst an der überfordernden Realität in Praxen oder Klinikambulanzen orientieren. Vor allem sollten sie intensiver für bessere Bedingungen sorgen zur Bewältigung der vielen Probleme, die fleißige „Dienstleister“ rund um die Uhr im medizinischen Alltag versuchen zu lösen.
Es ist also Kooperation von allen Seiten gefragt, damit natürlich auch innerhalb der Ärzteschaft selbst zwischen den verschiedenen Bereichen. Da sind Projekte wie „IVENA“ und „SaN“ (Sektorenübergreifende ambulante Notfallversorgung) hier in Hessen hilfreiche Instrumente zur Kanalisierung von hilfsbedürftigen Menschen mit dem Rettungsdienst.
Und der sogenannte „Gemeinsame Tresen“ von Ärztlichem Bereitschaftsdienst und Kliniknotaufnahmen ist ein reelles „startup“ für besseres organisatorisches Ineinandergreifen der beteiligten Strukturen im Gesundheitswesen in Zukunft. Hierfür gehören Hausärzteschaft, Facharztebene und Klinikleitungen auch an einen gemeinsamen Tisch mit Kassenärztlicher Vereinigung Hessen, Landesärztekammer Hessen und vor allem Landräten, die bei der Finanzierung regionaler Strukturen zu entscheiden haben.
Unabhängig davon wäre es hilfreich, wenn sich Patientinnen und Patienten beim Auftreten von Beschwerden möglichst rechtzeitig und zu den Regelzeiten in der ambulanten Versorgung melden würden, um nur nach ärztlicher Expertise gegebenenfalls von dort in die Klinik weitergeleitet zu werden.
Aber angesichts der Tatsache, dass die meisten Menschen bei akuten Beschwerden nun mal laienhaft und ohne medizischen Sachverstand reagieren, sollten wir uns – egal wo sie in ihrer Not zuerst hingehen – als „Profis“ bemühen, Verständnis und Empathie für die Besorgten aufzubringen und die medizinisch adäquaten Schritte für sie einleiten.
Dr. med. Hansjoachim Stürmer, Präsidiumsmitglied der Landesärztekammer Hessen