Als personalverantwortliche Ärztin einer Abteilung beobachte ich den Wandel der Arbeitszeitmodelle seit längerem.
Waren es früher fast ausschließlich Ärztinnen nach Elternzeit bzw. Mutterschutz, die in Teilzeit in die Klinik zurückkamen, so ist der Wunsch nach Reduzierung der Arbeitszeit auch bei Ärzten angekommen. Und nicht nur bei den Jüngeren, auch die Kolleginnen und Kollegen im fortgeschrittenem (Berufs)alter, also Oberärzte und Oberärztinnen, Chefärztinnen und Chefärzte arbeiten in reduziertem Umfang, auch sie gehen in Elternzeit unterschiedlicher Dauer, mal aufgeteilt, mal am Stück.
Die Reduzierung kann terminiert sein oder auf Dauer geplant und sich „jederzeit“ ändern.
Der Wunsch danach hat sicher viele, vor allem persönliche und familiäre Gründe.
„Flexible Arbeitszeit- modelle bergen Chancen für alle und nutzen alle ärztlichen Ressourcen“
Die Kolleginnen und Kollegen in Weiterbildung sind häufig jung, sie beginnen manchmal mit 25 Jahren die Arbeit in unserer Abteilung: Für sie ist es nicht das Wichtigste, schnell die Zeiten der Weiterbildung zu absolvieren, sondern sich auch anderen, durchaus medizinischen Themen zu widmen. Die Kolleginnen und Kollegen mit Kindern sind gezwungen, in Teilzeit zu arbeiten, weil die Kinderbetreuung so katastrophal ist, sowohl von den Zeiten als auch den Ressourcen. Wenn man Kinder im Krippenalter, in Kita und in der Schule hat, summieren sich die Schließungszeiten der Betreuungen mitunter auf bis zu zwölf Wochen – und das zu unterschiedlichen Zeiten!
Wenn also beide Eltern berufstätig sind, ist es eine logistische Meisterleistung, diese Zeiten abzudecken.
Die älteren Kolleginnen und Kollegen, auch in leitender Funktion, arbeiten – wenn in Teilzeit – häufig mit 80/90 %, einfach, um bei den 50–60 Wochenstunden bei Vollzeit wenigstens auf eine 40-Stundenwoche zu kommen.
Von den Belastungen in den Rufdiensten nachts und am Wochenende möchte ich gar nicht erst sprechen.
Die flexiblen Arbeitszeiten führen natürlich zu mehr Aufwand in der Dienstplanung, aber das sollten wir aus folgenden Gründen gerne in Kauf nehmen:
Die Arbeitsverdichtung ist so hoch geworden in allen Bereichen, dass es neben fehlenden Pausenmöglichkeiten einfach zu anstrengend geworden ist, das tägliche ärztliche Leben mit und ohne Familie zu stemmen.
Die Arbeitszeitreduzierung führt dazu, dass die Kolleginnen und Kollegen mit großem Engagement und Interesse arbeiten, dass sie einspringen bei Ausfällen, dass ihr Leben neben der ärztlichen Tätigkeit auch noch möglich ist. Für unsere Abteilung kann ich eine ausgesprochen niedrige Krankheitsquote feststellen, es arbeiten 40 % (Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung sowie Oberärztinnen und -ärzte!) in Teilzeit, im Umfang von 60–80 %.
Was fehlt, sind Konzepte in der Organisation des Arbeitsalltages in einigen Abteilungen: in der Regel sind die Abläufe auf Station, im OP, in den Funktionsbereichen zwischen 7 und 16 Uhr geplant, montags bis freitags. Das war schon immer so …
Aber in Anbetracht der neuen Arbeitszeitwünsche sollten wir neu denken, offen sein für Konzepte der Kolleginnen und Kollegen, neue Wege gehen, um insbesondere den ärztlichen Nachwuchs in der Medizin zu halten.
Ich bin froh über die vielen engagierten, belastbaren, patientenorientierten und am Lernen interessierten Kolleginnen und Kollegen, die in unserer Abteilung arbeiten – da ist der Arbeitsumfang, den sie leisten wollen, kein wirkliches Problem.
Dr. med. Christine Hidas, Präsidiumsmitglied der Landesärztekammer Hessen