Ausstellungen

Zeichnungen von Carracci bis Bernini

Nicht nur die Literatur, auch die bildende Kunst Italiens ist in Frankfurt derzeit mit beeindruckenden Ausstellungen vertreten. Unter dem Titel „Fantasie und Leidenschaft. Zeichnen von Carracci bis Bernini“ zeigt das Städel Museum 90 italienische Barockzeichnungen aus der eigenen Sammlung.

Ob die Brüder Agostino und Annibale Carracci, Guercino, Stefano della Bella oder Gian Lorenzo Bernini – für die großen Meister des italienischen Barocks war das Zeichnen zentraler Bestandteil ihrer künstlerischen Arbeit. Zeichnungen dienten ihnen als Grundlagen für ihre Gemälde, Skulpturen oder Druckgrafiken, zugleich wird in den Arbeiten aber auch die Eigenständigkeit der Zeichnung deutlich. Die Künstler zeichneten nach der Natur und schufen Entwürfe für großformatige Werke. Museumsgründer Johann Friedrich Städel war ein leidenschaftlicher Sammler von Zeichnungen – mehr als 4.600 Zeichnungen gingen in den Museumsbestand über. Ein großer Teil der in der Ausstellung präsentierten italienischen Barockzeichnungen stammt aus seiner Sammlung.

Fantasie und Leidenschaft. Zeichnen von Carracci bis Bernini. Noch bis 12. Januar 2025 im Städel Museum. Informationen unter https://www.staedelmuseum.de

Die Sichtbarkeit des Unsichtbaren

Die Ausstellung „Das Anwesende des Abwesenden – Materie und Spuren – Abdrücke des Lebens in der Zeit“ im Frankfurter Kunstverein ist nicht dazu gedacht, passiv das Gezeigte auf sich einwirken zu lassen. Vielmehr fordert sie das abstrakte Denkvermögen des Betrachters und dessen Bereitschaft, sich auf eine mysteriöse Welt einzulassen, die zeigt, was nicht da ist - die Sichtbarkeit des Unsichtbaren. Die Exponate kreisen um die zeitlose Auseinandersetzung des Menschen mit der Vergänglichkeit und deren Darstellungsformen in der Kunst.

Unter der Schirmherrschaft des Italienischen Generalkonsulats und in Kooperation mit der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung sowie dem Institut für Theoretische Physik, Goethe-Universität Frankfurt, entstanden, ist der Titel der Schau eine Anspielung auf die Materie als Präsenz, in der sich Spuren des Lebenden einschreiben. Abgüsse aus Pompeji oder die Fußabdrücke erster Menschen vor 3,5 Millionen Jahren treffen auf Kunstwerke und multimediale Erlebnisräume.

Frankfurter Kunstverein: „Das Anwesende des Abwesenden“, bis zum 2. März 2025. Informationen unter: https://www.fkv.de

Wohnen zukünftig denken

Wohnen geht jeden an, ganz gleich, in welcher Form er oder sie es auslebt. In den eigenen vier Wänden, dauerhaft oder vorübergehend, luxuriös oder sparsam, Design-bewusst oder rein funktional.

Nichts ist zugleich so privat wie öffentlich wie das Wohnen. Angesichts des immer knapper werdenden Wohnraums, insbesondere in Ballungsgebieten, und steigender Mieten gewinnt das menschliche Grundbedürfnis, in eigenen oder gemieteten vier Wänden zu leben, zunehmend an politischer Bedeutung. Die Wohnungskrise ist vor allem in Großstädten mehr als nur ein geflügeltes Wort.

Wie wohnen wir, wie kann Wohnen gerecht, bezahlbar, nachhaltig und gut gelingen? Und wie kann es zukünftig gedacht werden? Mit diesen Fragen setzen sich die an der Ausstellung „OUR HOUSE: Künstlerische Positionen zum Wohnen“ beteiligten Künstlerinnen und Künstler im Museum Giersch der Goethe-Universität Frankfurt auseinander und beziehen sich dabei zugleich auf die Raumsituation des Museumsgebäudes.

Unser Haus – „OUR HOUSE“ – ist die 1910 erbaute Villa, in der das Museum Giersch untergebracht ist. Was Besucherinnen und Besucher in den Bann zieht, ist die familiäre, private Atmosphäre der ehemaligen Wohnräume. Nun steht dieser Wohncharakter des Hauses selbst im Fokus des Ausstellungsprojektes.

Museum Giersch der Goethe-Universität: OUR HOUSE. Bis zum 16. Februar 2025. Informationen unter https://www.mggu.de/ausstellungen/our-house/

Verflochtene Welten der Pilze

Wer hätte das gedacht? Wegen ihrer sesshaften Lebensweise wurden Pilze von der Antike bis ins späte 20. Jahrhundert dem Reich der Pflanzen zugeordnet. Heute gelten sie aufgrund phylogenetischer, biochemischer und anatomischer Befunde als eigenes Reich. Ja sie scheinen enger mit Tieren als mit Pflanzen verwandt zu sein.

Grund genug für das Sinclair Haus in Bad Homburg, sich in der Ausstellung „Pilze – Verflochtene Welten“ mit Pilzen auseinanderzusetzen. Sie begleiten den Menschen gewissermaßen auf Schritt und Tritt – in der Luft, unter den Füßen, in der Erde, oder auch als Schimmel auf verdorbenen Lebensmitteln. Dennoch sind die Rollen und Funktionen von Pilzen vielen noch weitgehend unbekannt.

Mit Werken internationaler Künstlerinnen und Künstler lädt die Ausstellung dazu ein, sich auf die Spuren der verflochtenen Welt der Pilze zu begeben.

Sinclair Haus Bad Homburg: „Pilze – Verflochtene Welten“. Bis zum 9. Februar 2025. Informationen unter https://kunst-und-natur.de/museum-sinclair-haus/

Leseempfehlungen

Losgelöst im Weltraum schwebend

And the price goes to … Samantha Harvey. Mit „Orbital“ hat die englische Autorin den Booker Prize 2024, die wichtigste, für ein englischsprachiges Werk verliehene Literaturauszeichnung Großbritanniens gewonnen. Der auf Deutsch unter dem Titel „Umlaufbahnen“ erschienene Roman spielt an einem Tag im Leben von sechs Astronauten, die in einer Raumstation durchs All schweben und die Erde in 90 Minuten umkreisen – sechzehnmal in 24 Stunden: Losgelöst vom Alltag arbeiten, essen und schlafen zwei Frauen und vier Männer aus unterschiedlichen Nationen auf engstem Raum.

Was passiert, wenn man seine Heimat nur aus weiter Ferne durch ein kleines Fenster sieht? Und wie verändern sich Denken und Fühlen? „Kompakt und doch wunderschön weitläufig lädt ‚Orbital’ uns dazu ein, die Pracht der Erde zu beobachten und gleichzeitig über den individuellen und kollektiven Wert jedes Menschenlebens nachzudenken“, begründete die Jury die Wahl.

Samantha Harvey, Umlaufbahnen. dtv Verlag 2024, gebunden, 22 €

Tiefe Spaltung der Gesellschaft

Deutschland im Jahr 1918. Der Erste Weltkrieg ist vorbei, die Demokratie hat gesiegt und alles soll anders werden, freier und unbeschwerter. In den „Goldenen Zwanzigern“, der Weimarer Republik, beginnen die Menschen aufzuatmen, in vielen gesellschaftlichen Bereichen. In der Kunst und im Sport erobern sich Frauen Rechte und Freiheiten, die bis dahin nur Männern vorbehalten waren. In seinem Roman „Höhenrausch: Das kurze Leben zwischen den Kriegen“ erzählt Harald Jähner von der Erfindung der Freizeit, von Tanzpalästen, dem Warenhaus als Glücksversprechen oder der Straße als Ort erbitterter Kämpfe. Zugleich aber auch von der damaligen Angst vor der „Entwertung aller Werte“. Als das Geld knapper wird und die Zukunft düsterer, offenbart sich die tiefe Spaltung der Gesellschaft. Der Nationalsozialismus steht vor der Tür. Ebenso anschaulich wie lebendig malt Jähner in „Höhenrausch“ (2022) ein Gesamtbild der Zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. 2024 ist der Titel als Taschenbuch erschienen.

Harald Jähner, Höhenrausch. Rowohlt, Taschenbuch 2024, 20 € (geb. 28 €)

Liebe und Hoffnung in Zeiten des Krieges

Ein zum Tagebuch umfunktionierter Taschenkalender seines Großvaters sei Auslöser dieser Geschichte gewesen, schreibt Volker Jarck im Nachwort zu seinem Roman „Und später für immer“. Johann Meinert ist Soldat. Im Frühjahr 1945, der Krieg ist so gut wie verloren, begeht er Fahnenflucht und versteckt sich bei Onkel und Tante in einem Heuschuppen. Hier wartet der 25-Jährige, hofft, nicht entdeckt zu werden und bald seine Frau Emmy wiederzusehen. Eines Tages taucht Frieda auf, ein 17-jähriges Mädchen aus der Nachbarschaft. Wenn sie ihn verrät, ist er ein toter Mann.

Wie Johann war auch Werner Heinrich Jarck, Großvater des Autors, Deserteur im Zweiten Weltkrieg. Doch gibt der Roman nicht in allen Einzelheiten die wahren Ereignisse des Jahres 1945 wieder. „Diese Geschichte will nicht historisch wahr sein, sondern menschlich“, betont der Autor.

Volker Jarck, Und später für immer. Insel Verlag 2024, fester Einband, 23 €

Weibliche Selbstbestimmtheit

Nach 36 Jahren kehrte Italien im Oktober 2024 mit rund 100 Autorinnen und Autoren als Gastland auf die Frankfurter Buchmesse zurück. Unter ihnen die 1988 in Rom geborene Giulia Caminito, die mit ihrem kürzlich ins Deutsche übersetzten Debütroman „Das große A“ 2016 in Italien für Aufmerksamkeit sorgte.

Caminito erzählt darin von der 13-jährigen Giada, die während des Zweiten Weltkriegs bei ihrer Tante in der Lombardei Zuflucht gesucht hat. Bombenangriffe, Gewalt und Entbehrungen prägen den Alltag. Doch Giada träumt sich fort in das „Große A“: Afrika, das Land, in dem ihre Mutter Adele in den italienischen Kolonien vermeintlich ein unabhängiges Leben führt. Als Adele sie nach dem Krieg nach Eritrea holt, wird Giada klar, dass die Realität nicht mit ihren Träumen übereinstimmt. „Das große A“ ist die Geschichte zweier willensstarker Frauen, die auf unterschiedlichen Wegen zur Selbstbestimmtheit finden.

Giulia Caminito: Das große A. Wagenbach 2024, geb. 24 €

Von den Mühen, Italienerin zu werden

Pünktlich zur diesjährigen Buchmesse erschien das neue Buch der in Venedig lebenden Journalistin Petra Reski. Ebenso unterhaltsam wie lakonisch schildert Reski in „All’italiana! Wie ich versuchte, Italienerin zu werden“ den mühsamen Prozess, zusätzlich zur deutschen auch die italienische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Ihr Ziel ist es, in der selbst gewählten zweiten Heimat wählen zu können.

Mit vielen Anekdoten, scharfzüngigen Analysen und Erinnerungen an prominente Akteure aus Politik und Gesellschaft gespickt, zeichnet Reski in „All’italiana!“ nicht nur ihre persönliche Einbürgerungsgeschichte nach, sondern klärt über die Geschichte der italienischen Politik und der Mafia in den vergangenen Jahrzehnten auf. Ein wunderbar ironisch geschriebenes und dabei messerscharf sezierendes Buch, das man schon nach den ersten Seiten nicht mehr aus der Hand legen möchte.

Petra Reski: All’italiana! Wie ich versuchte, Italienerin zu werden. Droemer-Knaur 2024, geb. 23 €

Katja Möhrle