Dr. med. Ruth Alamuti-Ahlers berichtet vom fünften Einsatz des Teams von Interplast im südlichen Burkina Faso, in Leo, im März 2024. Erstmals arbeiteten plastische Chirurgen und Orthopäden dort Hand in Hand.

Das Centre Medical Sedogo, gegründet von der Freiburger Nichtregierungsorganisation (NGO) „Operieren in Afrika e. V.“, bietet seit 2014 medizinische Versorgung in verschiedenen Fachbereichen, darunter Chirurgie, Urologie und Gynäkologie. Doch es sind nicht nur die beeindruckenden medizinischen Herausforderungen oder die begrenzte Ausstattung, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Als ich am letzten Abend des Einsatzes die beiden neuen Teammitglieder fragte, was sie am meisten bewegt habe, kam die Antwort ohne Zögern: „die Menschen“. Es sind die herzliche Gastfreundschaft und das unermüdliche Engagement des örtlichen Teams, das selbst nach der langen Corona-Pause in voller Stärke weiterarbeitet – ein Zeugnis außergewöhnlicher Hingabe.

Wie es zum Kombi-Einsatz kam

Bereits seit 2018 wurden wir vom Klinikleiter und Einsatzkoordinator Omar mehrfach gefragt, ob wir denn nicht als weitere Disziplin, neben Augenheilkunde, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sowie Neurochirurgie, auch neu Orthopädie beziehungsweise Unfallchirurgie einführen könnten. Der Bedarf aufgrund von unbehandelten Hüftdysplasien, unversorgten Unfällen und Hüftkopfnekrosen bei Sichelzellanämie sei riesig. Über fünf Jahre hatten wir dies in Anbetracht der suboptimalen hygienischen Bedingungen, des logistischen Aufwands und der immens höheren Kosten verneint. Doch aufgrund eines 2023 zusätzlich eingerichteten OP-Saals und wegen der vielen Bedürftigen, die uns immer wieder begegnet sind, sowie nicht zuletzt wegen des privaten Kontakts zu Dr. med. Ingo Tusk, Chefarzt der Klinik für Sportorthopädie und Endoprothetik der Frankfurter Rotkreuzkliniken, der bereits Erfahrung mit Endoprothetik-OPs in Afrika hatte, haben wir uns nun doch erstmals auf einen Endoprothesen-Einsatz eingelassen. Ein verbreitetes Problem sind großflächige Verbrennungen, die sich die Menschen durch das Kochen am offenen Feuer zuziehen. Diese werden oftmals nicht behandelt und das vernarbte Gewebe kann die Beweglichkeit einschränken. Den Menschen in Burkina Faso fehlt das Geld, da es in dem westafrikanischen Land kein umfassendes, solidarisches Gesundheitssystem gibt. Außerdem fehlt oft auch die fachärztliche Versorgung. In manchen Facharztrichtungen gibt es in dem Land mit über 23 Millionen Einwohnern gar keine oder nur vereinzelt Ärztinnen und Ärzte. Die Facharztweiterbildung in Burkina Faso erfordert unter anderem einen Auslandsaufenthalt. Naturgemäß können sich dies sowieso nur wenige junge Menschen leisten und viele angehende Ärzte wandern aufgrund der Perspektiven gleich aus.

Vorbereitung ist das halbe Leben

Mit deutlicher innerer Anspannung ging bereits die Hinreise los, da wir nicht nur kiloweise Übergepäck durch knapp 30 Hüftprothesen und die zugehörigen Instrumentarien zu transportieren hatten, sondern auch die Sorge, dass die Kommissionsware beschädigt oder im Zoll einbehalten wird. Dank guter administrativer Vorarbeit durch Omar vor Ort und ein Bestätigungs-/Einladungsschreiben des Gesundheitsministeriums von Burkina Faso verlief jedoch alles glatt und alle Endoprothesen und Materialien kamen nicht nur durch die Röntgenkontrolle, sondern auch unbeschadet in der Klinik in Leo an.

Die Sicherheitslage im Land ist nach einem Militärputsch im Jahr 2022 und andauernden Anschlägen von islamistischen Terrormilizen angespannt. Auf dem Weg in den Süden des Landes mussten wir drei Kontrollposten des Militärs passieren, die unseren Wagen kontrollierten. Ein mulmiges Gefühl ist natürlich mit dabei, immer wieder uniformierte Männer mit Maschinengewehren zu passieren, aber letztendlich konnten wir ohne Komplikationen unseren Einsatzort erreichen.

Für uns waren zwei Patientenlisten erstellt worden: eine für plastisch-rekonstruktive Fälle, hauptsächlich große Weichteiltumore und Verbrennungskontrakturen und eine andere, mit anfangs bewusst geringerer Zahl, für unseren orthopädisch-endoprothetischen Piloteinsatz. Wir haben dennoch am ersten Tag alle Patienten gemeinsam im Team mit der einheimischen Chirurgin und einem einheimischen Orthopäden angeschaut und die Indikationen besprochen, außerdem alle in unsere digitale Patientenarchivierungsdatenbank aufgenommen.

Es zeigte sich, dass die präoperative Röntgendiagnostik bei Hüftgelenksarthrosen nicht genormt war, so dass sich die präoperative Größenabschätzung für Prothesen als nicht verlässlich erwies. Von circa 30 auf Kommission mitgebrachten Prothesen verschiedener Größen konnten letztendlich nur vier implantiert werden, da die Knochenmaße doch zarter ausfielen als erwartet und fast alle unserer Prothesen schlichtweg zu groß waren. Zahlreiche Patienten mussten deshalb auf den nächsten Einsatz vertröstet werden. Die nicht genutzten und steril verpackten Prothesen konnten wir aber wieder mit nach Deutschland nehmen. Gleichzeitig wurden uns zahlreiche traumatologische Fälle vorgestellt, so dass der noch recht neue, erst kürzlich in Betrieb genommene zweite OP-Saal dennoch gut ausgelastet war. Auch von Seiten der Hygiene gab es keine Probleme, da wir im großen Teamgespräch am ersten Morgen auf höhere Hygieneanforderungen im orthopädischen Saal hingewiesen hatten und diese sehr konsequent befolgt wurden.

Insgesamt verlief der Einsatz ein wenig ruhiger als gewohnt, möglicherweise der Zeitplanung geschuldet: Wir waren zeitgleich mit Beginn des Fastenmonats Ramadan angekommen und einige Mitglieder des sehr offenen und von Religionsvielfalt und Toleranz geprägten örtlichen Teams haben streng gefastet. Letztendlich haben wir 34, teils umfangreiche, Operationen an fünf OP-Tagen durchgeführt. Eine junge Frau kam sogar extra aus dem benachbarten Ghana für ihre OP angereist. Ein ständiges Problem ist die sandige Luft, in erster Linie durch die zahlreichen Lehmstraßen verursacht. Dadurch haben viele Menschen Beschwerden mit ihrer Lunge. Hier ist besondere Vorsicht und Erfahrung bei der Anästhesie gefragt.

Parallel organisierten wir eine umfassende Schulung für die örtlichen Röntgenassistenten, um mithilfe einer von uns gespendeten genormten Metallkugel eine verlässliche Planung der mitzubringenden Hüftimplantate im nächsten Einsatz zu ermöglichen.

Ausblick und Fazit

Sowohl für die plastische Chirurgie als auch die Orthopädie stehen erste Fälle bereits auf den Patientenlisten und ein Folgeeinsatz in der bewährten Fächerkombination ist bereits für 2025 geplant.

Unter den dortigen Bedingungen ist Endoprothetik sicher durchführbar, die Einsatzkosten erhöhen sich jedoch durch den Mehraufwand insgesamt um Zweidrittel (auf 1.000 Euro je Patient). Zudem sind Visa für NGOs derzeit in Burkina Faso nicht mehr kostenlos und in der Arbeitserlaubnis ist explizit vermerkt, dass sie nur Gültigkeit haben, wenn ein einheimischer Arzt aus dem Fachgebiet konsequent begleitet (was in der praktischen Umsetzung auch schon früher immer der Fall war). Weitere derartige Kombi-Einsätze sind für die Zukunft geplant und sinnvoll, da Routine die Sicherheit erhöht. Allerdings sind wir aufgrund der gestiegenen Kosten noch stärker auf Unterstützung durch Spenden angewiesen.

Dr. med. Ruth Alamuti-Ahlers, Fachärztin für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Sektionsleitung Rhein-Main von Interplast Germany e. V., E-Mail: rutha@interplast-germany.de, www.interplast-germany.de

Interplast Germany e. V.

1980 wurde der Verein Interplast-Germany von dem plastischen Chirurgen Prof. Dr. med. Gottfried Lemperle gegründet. Über die Jahre ist der Verein stetig gewachsen und umfasst mittlerweile über 2.000 Mitglieder. Die aktiven Mitglieder stammen aus verschiedenen Berufen und Fachrichtungen aus dem medizinischen Bereich. Der Verein unterteilt sich in 13 Sektionen, die ihre eigenen Einsätze organisieren. Im Jahr 2023 machen sich die Interplast-Experten zu 76 Auslandseinsätzen auf, bei denen sie 3.138 mal operieren. Die Einsatzländer haben sich von Asien zunehmend auf Afrika konzentriert, da viele asiatische Länder mittlerweile weniger Hilfe benötigen. Gesucht werden vor allem Anästhesisten, die am besten schon Erfahrung in Afrika gesammelt haben und sich die komplizierteren Einsätze zutrauen. Spenden sind unter Spendenkonto Sparkasse Rhein-Nahe IBAN DE78 5605 0180 0017 0618 88 willkommen. (red)