VNR: 2760602023060630002
Dr. med. Rolf Teßmann
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Gleich vorweg: Die Staphylococcus aureus-Bakteriämie (SAB) ist eine potenziell lebensbedrohliche Hochrisikoerkrankung; SAB führt fast zwangsläufig zu einer Blutstrominfektion und wird als Auslöser einer Sepsis häufig unterschätzt [1]. SAB ist häufig (Inzidenz: 30/100.000 Einwohner/Jahr) und ist nach Escherichia coli der zweithäufigste Auslöser einer ambulant oder einer nosokomial erworbenen Blutstrominfektion! [2]
Immer noch hat die SAB eine extrem hohe Letalität (über 25 %) [14, 15], neigt zu Früh- und Spätkomplikationen und zu Rezidiven bei unzureichend behandelter Infektion. Komplikationen im frühen Krankheitsverlauf sind unter anderem:
- Sepsis, septischer Schock,
- Infektionsausbreitung über den Primärherd (z. B. kleine Wunde) hinaus in das umgebende Gewebe,
- Frühe Streuherde, sogenannte septische Metastasen, in andere Organsysteme (z. B. Lunge),
Spätkomplikationen durch septische Streuung nach Wochen (oder erst nach Monaten) sind bei ambulant erworbener SAB häufiger und finden sich bei bis zu 15 % aller Patienten. Typische Spätkomplikationen sind:
- Endokarditis,
- tief sitzende Abszesse,
- Osteomyelitis,
- Spondylodiszitis,
- Infektion an einliegendem Fremdmaterial wie Implantaten z. B. Endoprothesen/Herzschrittmachersonden/ (Kunst-)Herzklappen usw.
Insbesondere nicht ausreichend sanierte Infektionsherde oder eine inadäquate antibiotische (Primär-)Therapie erhöhen das Risiko für Spätkomplikationen. [16]
Risikofaktoren für eine SAB sind die Kolonisation der Haut mit Methicillin-sensiblem und/oder Methicillin-resistentem S. aureus (MSSA und/oder MRSA), Haut- und Weichteilinfektionen, intravasale Katheter, intravenöser (i. v.) Drogenabusus, postoperative Wundinfektion, Immunsuppression oder Lebererkrankungen.
Eine SAB darf niemals als eine „verunreinigte Blutkultur“ fehlinterpretiert werden. Jeder S. aureus-Nachweis im Blut muss unmittelbar und adäquat therapiert und saniert werden! Insbesondere eine unzureichende (Sepsis-)Therapie in der Frühphase, verspätet, falsch und/oder zu kurz eingesetzte i. v. Antibiotika sind verantwortlich für die hohe Letalität. [3] Die Sterblichkeit kann fast halbiert (!) werden, wenn die Diagnose schnell gestellt wird und die Therapie unmittelbar und ohne Zeitverzug einsetzt und ausreichend lange mit einem geeigneten Antibiotikum fortgeführt wird. [15]
S. aureus - der Überlebenskünstler
S. aureus ist ein grampositives, kugelförmiges Bakterium. In der unbelebten Umgebung ist S. aureus wochenlang widerstandsfähig gegen Austrocknung, pH-tolerant und haftet an Haut, natürlichen und/oder künstlichen Oberflächen wie (Schutz-)Kleidung. S. aureus kann Plasma koagulieren, das heißt es bildet Koagulase, aber auch andere Enzyme und Toxine, die sein Eindringen in Gewebe erleichtern. Das Bakterium überlebt lange im Blutstrom, es führt durch Absiedlung schnell zu tiefen Abszessen. Grampositive Staphylokokken in Blutkulturen sind im klinischen Alltag keine Seltenheit.
Aber: S. aureus muss hier deutlich abgegrenzt werden von dem Nachweis niedrig virulenter koagulasenegativer Staphylokokken (wie S. epidermidis oder S. hominis), die zur normalen Hautflora gehören und häufig, insbesondere bei einmaligem Nachweis, als „Blutkultur-Kontamination“ gewertet werden können.
S. aureus bildet Biofilme (Bakterien schützen sich durch einen dichten Schleim aus Bio-Polymeren – andere klinische Biofilmbildner sind neben Staphylokokken: Pseudomonaden, und Streptokokken) und sogenannte small-colony-variants (SCV), schlafende Phänotypen, die sich intrazellulär klinisch weitgehend unbemerkt im Wirtsgewebe einnisten und hier lange persistieren können. All dies führt dazu, dass eine antibiotische Monotherapie häufig erfolglos ist. 20 % der Bevölkerung sind mit S. aureus auf der Haut und im Oropharynx besiedelt, Tätige im Gesundheitswesen bis zu 40 %. Diese Besiedlung ist per se ohne Krankheitswert, erhöht aber das Risiko deutlich, eine Infektion zu entwickeln.
Genetische Mechanismen können einen Methicillin-sensiblen S. aureus (MSSA) in einen Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) überführen. MRSA ist primär resistent gegen Methicillin/Oxacillin mit (Kreuz-)Resistenzen gegen alle Betalaktamantibiotika wie Penicilline (auch sog. Staphylokokken-Penicilline), Cephalosporine der Gruppe 1 bis 4, Monobactame und Carbapeneme. [13] Eine Vortherapie mit Fluorchinolonen soll das Risiko für eine MRSA-Kolonisation erhöhen. [3] MRSA ist weltweit verbreitet und hat eine große Bedeutung als Verursacher von nosokomialen Infektionen. Eine Besiedlung von Haut/Oropharynx betrifft insbesondere hospitalisierte Patienten. In der ambulanten Versorgung auftretende Besiedlungen/Infektionen werden als community acquired (CA-MRSA) bezeichnet, Livestock-assoziierte Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (LAMRSA) werden meist über die Tiermast auf den Menschen übertragen. [5] Infektionen durch MRSA (insbesondere SAB) haben einen ungünstigeren Krankheitsverlauf und eine schlechtere Prognose als durch MSSA hervorgerufene. Achtung: MRSA ist nicht (!) virulenter als MSSA, die Sterblichkeitsrate bei MRSA-Infektionen ist allerdings wegen häufig verspätet einsetzender adäquater Antibiotikatherapie und einer eingeschränkten Antibiotikaauswahl höher. Durch ein konsequentes und systematisches MRSA-Hygienemanagement, das neben dem Screening auf MRSA auch die (Kohorten-)Isolierung MRSA-kolonisierter/infizierter Patienten, die Schulung des Personals, striktes Einhalten der erforderlichen Hygienemaßnahmen (Händehygiene!), Dekolonisierungsmaßnahmen im Sinne eines Sanierungsversuches und den rationaleren Einsatz von Antibiotika umfasst [5], ist der MRSA-Anteil aller S. aureus-Isolate in Deutschland von 24 % (2010) auf 8,5 % (2019) gesunken, in der ambulanten Versorgung von 13 % (2010) auf 6 % (2019). Innerhalb Europas gibt es allerdings ein ausgeprägtes Süd-Nord-Gefälle zuungunsten von Süd-Ost-Europa (z. B. Italien, Griechenland, Rumänien) hier mit MRSA- Nachweisraten aller S. aureus-Isolate von über 35 % (2019).
Seit 2009 ist der Nachweis von MRSA in Blut- und Liquorkulturen nach § 7 IfSG meldepflichtig; auch hier geht die Inzidenz mit 5,6/100.000 Einwohner/Jahr (2012) auf 2,2/100.000 Einwohner/Jahr (2019) zurück. [8]
Diagnose und Diagnostik
„Daran denken ist der erste Schritt zum Handeln.“ Richtungsweisend für die Diagnose SAB sind die sorgfältige Anamnese und körperliche Untersuchung (Vorerkrankungen, Hinweise auf Organinfektionen usw.). Im ambulanten Bereich erworbene SAB haben ihren Ursprung meist in Infektionen der Haut [4] (Follikulitis, Furunkel oder in kleinen Wunden, der aufgekratzte Mückenstich, der Kratzer). Diese Auslöser werden aber häufig nicht (mehr) erkannt oder sind dem Patienten nicht mehr erinnerlich. Das genau ist die Herausforderung in der ambulanten Versorgung! Immer die Frage stellen: Liegen (auch anamnestische) Warnhinweise bzw. klinische Zeichen auf eine Infektion vor? Um die Diagnose „schwere Infektion“ oder gar „beginnende Sepsis“ klinisch zu stellen, wird „gescreent“. Hierfür werden Symptome wie Fieber (≥ 38°C) oder Hypothermie (≤ 35,5°C), extrem starkes Krankheitsgefühl, feuchte, kalte und/oder bläulich fleckige marmorierte Haut, Petechien, ggf. eine periphere Sauerstoffsättigung < 95 %, nachlassende Diurese erfasst und können zu der Verdachtsdiagnose Sepsis führen. Der sogenannte quick-SOFA-Score (qSOFA) vervollständigt die Diagnose und führt zu einer Notfalleinweisung in die Klinik mit sofortigem Therapiebeginn. Hierfür sollten – außerhalb der Intensivstation – zwei der folgenden qSOFA-Kriterien erfüllt sein:
- Bewusstseinstrübung/neu aufgetretene Verwirrtheit,
- Atemfrequenz > 22/min.,
- Systolischer Blutdruck < 100 mmHg.
Bereits der Verdacht auf eine beginnende Sepsis sowohl bei ambulanten Patienten wie auch innerklinisch erworben (z. B. Gefäßkatheter-assoziiert), führt umgehend zu einer gezielten Anamnese, intensiver körperlichen Untersuchung und weitergehenden Diagnostik (Blutkultur, Infekt-Focussuche). Bei der Sepsis beginnt die unmittelbar eingeleitete Therapie immer parallel zur Diagnostik, sog. Maßnahmenbündel reduzieren die nach wie vor hohe Mortalität deutlich [1].
Nach aktueller S3-Leitlinie handelt es sich bei einer Sepsis „... um eine lebensbedrohliche Organdysfunktion, ausgelöst durch eine Infektion, welche mit einer Regulationsstörung beim Wirt einhergeht“. [1] Sepsis ist ein medizinischer Notfall, analog zu einem akuten Herzinfarkt oder Apoplex. Frühzeitiges Erkennen und Behandeln rettet Leben.
Blutkulturen: Es kommt auf jede Stunde an
Im stationären Bereich wird der Verdacht auf Blutstrominfektionen in der Regel früher gestellt als in der ambulanten Versorgung (ein infizierter peripherer Gefäßzugang ist schneller erkannt als eine nicht mehr erinnerliche Follikulitis). Blutkulturen (BK) können hier bereits ohne ausgeprägte klinische Symptomatik einer Frühkomplikation entnommen werden.
Bei jedem klinischen Verdacht auf eine Blutstrominfektion/Sepsis werden dem Patienten leitliniengerecht umgehend zwei, besser drei BK-Paare (aerob/anaerob, jeweils 8–10 ml Blut pro Flasche) entnommen. Die kalkulierte Breitspektrumantibiotikatherapie bei Sepsisverdacht auf den wahrscheinlichsten ursächlichen Erreger – bereits in der ersten Stunde nach Diagnosestellung– ist hier zwingend. Jede Stunde Therapieverzögerung kann die Letalität um bis zu 7 % steigern! [1]. Die Therapie erfolgt immer i. v. und hoch dosiert (sog. loading-dose): Insbesondere bei unbekanntem Infektionsherd kann hier nach aktuellen Leitlinien für die Sepsisprimärtherapie – abhängig von der lokalen Resistenzlage – das Präparat Piperacillin/Tazobactam (= Betalactamantibiotikum plus Betalaktamaseinhibitor) 3–4 x 4,5 g i. v. (als Kurzinfusion oder gleichwertig 3 x 4,5 g als prolongierte (vier Stunden) Gabe eingesetzt werden. Bei schweren Infektionen, bei immunsupprimierten sowie hämodynamisch instabilen Patienten und bei Erregerisolaten mit hoher Resistenzlast (z. B. ESBL, Carbapenemase) wird immer die Dosierung 4 x 4,5 g als prolongierte (3 Stunden) Gabe empfohlen [19], alternativ das 4. Generationscephalosporin Cefepim 3–4 x 2 g i. v. oder – ohne Carbapenemase-Nachweis – auch Carbapeneme [3]. Bei einer Blutstrominfektion, die ausschließlich durch S. aureus (mikrobiologischer Nachweis!) verursacht ist, sollte mit Stapyhlokokkenpenicillin Flucloxacillin oder dem 1. Generationscephalosporin Cefazolin i. v. therapiert werden.
Selbstverständlich werden gleichzeitig Sepsistherapiebündel wie i. v. kristalloide Flüssigkeitsgabe, ggf. Vasopressorgabe etc. als Sofortmaßnahmen eingeleitet. Spätestens nach zwei bis vier Tagen werden Folge-BK abgenommen; dies wird konsequent bis zum Nachweis der Sterilität fortgeführt. Nochmal: Jeder S. aureus-Nachweis in einer BK (SAB) sollte als potenzielle Blutstrominfektion interpretiert werden!
Mit Keimnachweis sollte die kalkulierte Antibiotikatherapie gezielt angepasst werden, wobei andere Infektherde/infizierte Organe immer „im Auge behalten werden müssen“; ggf. kann erst im Verlauf der Erkrankung auf schmaler wirkende Antibiotika (AB) deeskaliert werden. Positive Folge-BK zeigen frühzeitig ein Therapieversagen oder einen persistierenden Focus an (siehe unten) und definieren zudem bei S. aureus-Nachweis den Schweregrad der SAB. Zur Festlegung der Therapiedauer bei SAB gilt die erste negative (!) BK als Tag eins einer wirksamen Antibiotikatherapie. [2]
Merke: Wird die Diagnose SAB gestellt, muss unmittelbar eine konsequente i. v. antibiotische Therapie, eine sofortige Focussuche und die schnellstmögliche (oft operative) Focussanierung eingeleitet werden.
Infekt-Focussuche
Jeder Nachweis von S. aureus im Blut soll eine intensive Focussuche initiieren. Gut gelebte und etablierte Antibiotic Stewardship (ABS)-Strukturen schaffen bei den Beteiligten Akzeptanz, „so viel Aktivität wegen einer (!) positiven Blutkultur“ zu entwickeln und sog. Maßnahmenbündel zu initiieren. Diese enge Vernetzung und der kollegiale Austausch zwischen klinischer Mikrobiologie, infektiologisch aus- und weitergebildeten Ärztinnen/Ärzten sowie klinischen Pharmakologinnen/Pharmakologen und behandelnden Ärztinnen/Ärzten führen zu deutlich besserem Outcome! [6, 17, 18]
Zur Focussuche gehören neben der Anamnese und gezielter körperlichen Untersuchung auch die zielgerichtete Suche nach Implantaten/Fremdmaterialien sowie der Einsatz weiterer apparativ technischer Verfahren (Sonografie, Röntgen, CT/MRT, Endoskopie usw.). Insbesondere septische Streuherde/Absiedlungen werden über diese Stufendiagnostik identifiziert. Besonderes Augenmerk ist hier auf folgende Infektherde zu legen:
- Endokarditis (siehe unten),
- Meningitis, Knochen- und Gelenksinfektionen wie Osteomyelitis, Spondylitis/ Spondylodiszitis, septische Arthritis; Haut- und Weichteilinfektionen;
- einliegende periphere oder zentrale Gefäßkatheter (auch fest implantierte Portsysteme) als sehr häufige Auslöser in der Klinik [20],
- sowie andere implantatassoziierte Infektionen (z. B. (Kunst-) Herzklappenbesiedlung).
Eine Echokardiographie sollte bei SAB erwogen werden, unabhängig davon, ob eine Endokarditis Auslöser oder sekundäre Komplikation einer SAB ist. Insbesondere der Echokardiographie kommt sowohl bei der Diagnosestellung als auch der Behandlung der Endokarditis eine Schlüsselrolle zu. Eine Endokarditis geht mit einer deutlich erhöhten Letalität einher [2].
Kompliziert oder unkompliziert?
Eine komplizierte SAB liegt bereits vor, wenn ein (!) Kriterium erfüllt ist:
- Eine Endokarditis und/oder septische Absiedlungen sind nachgewiesen.
- Implantierte Fremdmaterialien liegen ein (z. B. Totalendoprothese (TEP), Herzklappenprothese, Herzschrittmacher, verbliebener i. v.-Katheter, Port usw.).
- Ein tief sitzender Primärfocus ist wahrscheinlich.
- Folgeblutkulturen (2 bis 4 Tage nach der initialen Blutkultur) bleiben positiv.
- Keine Entfieberung 72 Stunden nach Therapiebeginn.
Eine unkomplizierte SAB erfüllt keines dieser Kriterien [1].
Eine transoesophageale Echokardiographie (TEE) ist der Goldstandard zum Ausschluss einer Endokarditis. TEE soll bei allen Patienten mit einer ambulant erworbenen und/oder komplizierten SAB eingesetzt werden. Lagen positive Folge-Blutkulturen vor, sollte eine TEE innerhalb von zehn Tagen wiederholt werden. Nur bei unkompliziertem Verlauf oder Nichtverfügbarkeit einer TEE kann auch eine transthorakale Echokardiographie (TTE) durchgeführt werden. [2, 7, 16]
Therapiebündel (i. v. Antibiotikatherapie und Focussanierung)
Parallel zu der i. v. eingeleiteten antibiotischen Therapie muss mit Nachdruck die Focussanierung betrieben werden. Erst hierdurch wird der nachhaltige Therapieerfolg gesichert und Rezidiven vorgebeugt, wobei es klinisch irrelevant ist, ob es sich um auslösende Primär- oder durch Absiedlung entstandene Sekundärfocusse handelt. Beispiele: Abszessdrainage, andere chirurgische Maßnahmen, Entfernung einliegender Fremdmateralien (z. B. i. v. Katheter) usw. [7, 10, 16].
Antibiotikatherapie
Prinzip: frühestmöglich; ausreichend lange; i. v.; hochdosiert; staphylokokkenwirksames Schmalspektrum-AB!
Die Dauer der i. v.-Antibiotika(AB)Therapie wird definiert über die Festlegung: Liegt eine unkomplizierte oder eine komplizierte SAB vor?
Die unkomplizierte SAB wird in der Regel mindestens 14 Tage i. v. antibiotisch therapiert. Eine Oralisierung wird für diese Zeit noch nicht empfohlen, obgleich neuere Daten zeigen, dass bakterizide AB mit guter oraler Bioverfügbarkeit eine Öffnung zu einer Sequenztherapie rechtfertigen könnten [21]. Die Therapieempfehlungen für eine komplizierte SAB sind komplexer, allerdings besteht Einigkeit, dass eine Therapiedauer von vier, besser sechs Wochen i. v. AB-Therapie nicht unterschritten werden soll. Aktuelle Studien untersuchen, unter welchen Umständen die Therapie evtl. verkürzt/oralisiert werden kann.
Die Anwendungsdauer der Antibiotikatherapie richtet sich auch danach, ob eine Focussanierung (Entfernung von Fremdmaterial, Abszess- Spaltung/-drainage usw.) möglich war oder nicht. Bedingt durch die Biofilmbildung und SCV von S. aureus ist ein Therapieversagen bei verbleibenden Fremdkörpern häufig, hier wird eine Therapiedauer auch über sechs Wochen hinaus empfohlen. [1, 2]
Welche Antibiotika?
Wurden außer S. aureus keine weiteren Erreger nachgewiesen, wird eine MSSA-SAB mit dem Stapyhlokokkenpenicillin Flucloxacillin oder dem 1. Generations-cephalosporin Cefazolin therapiert. Bei Vorliegen einer IgE-vermittelten Penicillinallergie kann Daptomicin i. v. als Alternative eingesetzt werden.
Hinweis: Daptomycin ist bei pulmonalem Focus kontraindiziert, da es durch Surfactant inaktiviert wird!
Die verwendeten Antibiotika werden häufig in hohen Dosierungen eingesetzt. Dieses Vorgehen wird – zumindest initial – zum Erreichen ausreichender Gewebespiegel empfohlen.
Flucloxacillin ist nephrotoxisch, hepatotoxisch und führt zu Venenirritationen; Cefazolin zeigt in vitro einen sog. Inokulumeffekt, das heißt eine hohe Erregerdichte (z. B. in Abszessen) führt zu einem Wirkverlust vor Ort. Manche Autoren [9, 17] empfehlen daher, die Primärtherapie mit Flucloxacillin i. v. für fünf bis sieben Tage einzuleiten, um danach (bei dann erwarteter reduzierter Erregerkonzentration) auf Cefazolin zu wechseln. Sowohl Flucloxacillin wie auch Cefazolin wirken bei ZNS-Infektionen allerdings nicht ausreichend. Bei einliegendem Fremdmaterial (z. B. Hüft-TEP, Kunstklappe, Herzschrittmacher) bilden Patienten mit SAB häufig eine Fremdkörperinfektion aus [22]. Immer, wenn Fremdkörper im Rahmen der Focussanierung nicht entfernt werden können oder eine vollständige Entfernung misslingt, ist eine Kombinationstherapie mit den biofilm-aktiven Antibiotikum Rifampicin (900 bis 1200 mg/Tg) i. v., später (nach Wochen) auch oral in zwei oder drei geteilten Dosen oder Fosfomycin-Natrium (2–3 x 4 bis 8 g) i. v. indiziert. Weder Rifampicin noch Fosfomycin dürfen als Monotherapeutikum eingesetzt werden, sondern müssen bei MSSA mit Flucloxacillin/Cefazolin oder MRSA Vancomycin/Daptomycin kombiniert werden, um die bei Monotherapie regelhaft entstehende Rifampicinresistenz zu vermeiden.
Das Basisantibiotikum bei MRSA-SAB ist Daptomycin 1x/Tg i. v. (10–12 mg/kg Körpergewicht (KG)) in einer Dosis (cave: nicht bei pneumogenen Infektionen!) oder Vancomycin mit einer loading-dose von 25–30 mg/kgKG/Tg. i. v., einer Erhaltungsdosis von 15–20 mg/kg/KG/Tg i. v., immer mit (Tal-)Spiegelbestimmung (Zielwert 15–20 mg/l); bei einliegendem Fremdmaterial Rifampicin/Fosfomycin als Kombinationspartner wie bei MSSA-SAB.
Ein Übergang zur oralen (Sequenz-)Therapie bei MSSA ist derzeit eine ärztliche Einzelfallentscheidung, kann ggf. bei unkomplizierter SAB nach sieben Tagen angedacht werden oder bei in situ verbliebenen Fremdkörpern, bei denen eine Therapiedauer über sechs Wochen empfohlen wird. Hierzu müssen aber AB gewählt werden, die eine ausreichende orale Bioverfügbarkeit haben [16].
Eine eingeleitete Kombinationstherapie kann mit Rifampicin p.o. weitergeführt werden (siehe oben).
Sonderfall Endokarditis: In 8 bis 12 % aller Patienten mit SAB ist eine Endokarditis Auslöser oder sekundäre Komplikation [23]. Die Prinzipien der SAB-Diagnostik/Therapie ändern sich nicht, wohl aber die Sorgfalt, mit der das Krankheitsbild angegangen und auch regelhaft überprüft werden muss. Insbesondere nach komplizierter SAB mit Endokarditis wird eine ambulante Nachsorge von bis zu einem Jahr nach Klinikentlassung empfohlen. [2]
Mittlerweile ist gut belegt, das gut gelebte ABS-Strukturen mit frühzeitiger Einbindung von Infektiologinnen/Infektiologen oder zumindest in der Infektiologie erfahrenen Ärztinnen/Ärzten, strukturierten SAB-Konsilen und Überprüfung der internen Leitlinienadhärenz die SAB-Mortalität nahezu halbieren können. [6, 11, 12, 17, 18]
Zusammenfassung: SAB (Sepsis)-Strategiebündel
- Jedem Verdacht auf eine schwere Infektion/sich entwickelnde Sepsis muss sektorenübergreifend(!) mit besonderem Augenmerk nachgegangen werden, Screeningverfahren (z. B. qSOFA und/oder andere Infektzeichen) helfen bei der Diagnose und aktivieren weitergehende Sofortmaßnahmen.
- Auch banale Infektionen oder Verletzungen können eine SAB/Sepsis auslösen und verpflichten zum Handeln.
- Primärmaßnahmen: zielgenaue Anamnese, körperliche Untersuchung und intensive Focussuche, auch in der ambulanten Versorgung.
- Sepsis ist ein medizinischer Notfall.
- Bei Verdacht auf SAB/Sepsis: schnellstmögliche Krankenhauseinweisung; innerklinisch umgehende Aktivierung etablierter ABS-Strukturen.
- Therapie-/Diagnostikbündel aktivieren; sofort: BK-Entnahme, Folge-BK festlegen (2–4 Tage nach Erst-BK).
- Parallel Sepsistherapiebündel einleiten: unmittelbar Therapiebeginn mit hochdosiertem Breitspektrumantibiotikum i. v. auf wahrscheinlichsten Erreger; i. v. Kristalloide, ggf. Vasopressoren.
- S. aureus-Nachweis in der Blutkultur darf nicht als Kontamination interpretiert werden!
- SAB bestätigt: Umstellung auf Flucloxacillin oder Cefazolin i. v. bei MSSA; Daptomycin/Vancomycin i. v. bei MRSA.
- Bei SAB: ggf. Endokarditisausschluss (TEE/TTE), immer Focussuche (Bildgebung!), Focussanierung (Entfernung von Kathetern, Abszessspaltung, Primärfocussanierung).
- Kombinationstherapie mit Rifampicin/Fosfomycin i. v. bei einliegenden/verbleibenden Fremdkörpern.
- Schweregrad der SAB feststellen und Dauer der Antibiotikatherapie festlegen.
- Adäquate AB-Behandlungsdauer für unkomplizierte Verläufe (zwei Wochen i. v.), bei komplizierten Verläufen (vier bis sechs Wochen i. v.) festlegen.
- Ambulante Nachsorge bei SAB mit Endokarditis bis zu einem Jahr nach Klinikentlassung.
Dr. med. Rolf Teßmann, Ltd. Arzt Krankenhaushygiene, Ärztlicher Laborleiter, BG Unfallklinik Frankfurt am Main
Anmeldung für die ABS-AG: E-Mail: monika.bachus@bgu-frankfurt.de, Fon: 069 475 1542
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Multiple Choice-Fragen
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Abkürzungsverzeichnis | |
AB | Antibiotika |
ABS | Antibiotic Stewardship |
BK | Blutkultur |
CA-MRSA | community acquired MRSA |
Foci | Multifokal von lateinisch: focus – Brennpunkt; engl. multifocal = mehrere Herde (Foci) betreffend |
IfSG | Infektionsschutz- gesetz |
IgE | Immunglobulin E- Antikörper |
LAMRSA | Livestock-assoziierte MRSA |
MRE | Multiresistente Erreger |
MRSA | Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus |
MSSA | Methicillin-sensibler Staphylococcus aureus |
S | Staphylococcus |
SAB | Staphylococcus aureus Bakteriämie |
SCV | small-colony-variants |
TEE | transoesophageale Echokardiographie |
TEP | Totalendoprothese |
TTE | transthorakale Echokardiographie |
qSOFA | quick-SOFA-Score |
Übersicht Antibiotikatherapie SAB [nach 2] | |||
Antibiotikum | Dosierung/Applikation | Therapiedauer | |
MSSA SAB ohne Komplikationen | Flucloxacillin od. Cefazolin | (4-)6 x 2000 mg/Tg i.v., 3 x 2000 mg/Tg i.v. | 2 Wochen |
MSSA SAB mit Komplikationen | Flucloxacillin od. Cefazolin | (4-)6 x 2000 mg/Tg i.v., 3 x 2000 mg/Tg i.v. | 4–6 Wochen |
MSSA SAB mit einliegendemFremdkörper | Flucloxacillin od. Cefazolin plus Rifampicin od. Fosfomycin | (4-)6 x 2000 mg/Tg i.v., 3 x 2000 mg/Tg i.v., 2 x (450-)600 mg/Tg i.v., 2–3x 4000–8000 mg/Tg i.v. | Mindestens: 4–6 Wochen |
MRSA SAB ohne Komplikationen | Daptomycin od. Vancomycin | 1x 10–12 mg/kgKG/Tg i.v., 2x 10–15 mg/kgKG/Tg i.v. (Talspiegelkontrolle: 15–20mg/l !) | 2 Wochen |
MRSA SAB mit Komplikationen | Daptomycin od. Vancomycin | 1x 10–12 mg/kgKG/Tg i.v., 2x 10–15 mg/kgKG/Tg i.v. (Talspiegelkontrolle: 15–20 mg/l !) | 4–6 Wochen |
MRSA SAB mit einliegendem Fremdkörper | Daptomycin od. Vancomycin plus Rifampicin od. Fosfomycin | 1x 10–12 mg/kgKG/Tg i.v., 2x 10–15 mg/kgKG/Tg i.v. (Talspiegelkontrolle: 15–20 mg/l !), 2 x (450-)600 mg/Tg i.v., 2–3x 4000–8000 mg/Tg i.v. | Mindestens: 4–6 Wochen |