Dr. med. Anja Kwetkat

Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für Infektionen deutlich an. Gründe dafür sind zum einen in der Alterung des Immunsystems, der Immunseneszenz, zu sehen. Zum anderen führen auch andere altersphysiologische Veränderungen wie z. B. der ansteigende pH-Wert im Magen oder die abnehmende mukoziliäre Reinigungsfunktion der Bronchien zu einer Schwächung der Barrierefunktion und somit zu einer erhöhten Infektanfälligkeit. Komorbiditäten, Nebenwirkungen von Medikamenten und auch funktionelle Beeinträchtigungen begünstigen Infektionen zusätzlich und erhöhen darüber hinaus das Risiko für schwere Verläufe.

Daher sind Impfungen gerade auch mit zunehmendem Alter eine hochwirksame Präventionsmaßnahme, aber leider immer noch unzureichend genutzt.

Die Umsetzung der Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) (siehe Tab. 1) sollte daher vor der kommenden kalten Jahreszeit gerade für die respiratorischen Infekte auf Lücken geprüft werden.

Tab. 1: Aktuelle Impfempfehlungen der STIKO für die Gruppe 60

Impfung

Empfehlung

Wiederholungsimpfung

Tetanus

Grundimmunisierung, falls nicht vorhanden

Auffrischimpfungen in zehnjährigem Intervall mit Td-Kombinationsimpfstoff

Diphtherie

Grundimmunisierung, falls nicht vorhanden

Auffrischimpfungen in 10-jährigem Intervall mit Td-Kombinationsimpfstoff

Pertussis

einmalig bei der nächsten fälligen Td-Impfung als Tdap-bzw. bei entsprechender Indikation als Tdap-IPV-Kombinationsimpfung

Derzeit keine Wiederholung empfohlen

Influenza

Impfung im Herbst mit einem inaktivierten quadri-valenten Hochdosis-Impfstoff mit aktueller von der WHO empfohlener Antigenkombination

jährlich

Pneumokokken

Standardimpfung mit dem 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff (PPSV23) für Senioren, die keiner Risikogruppe angehören

ggf. Wiederholungsimpfungen mit PPSV23 im Abstand von mindestens 6 Jahren nach individueller

Indikationsstellung

Herpes Zoster

Zweimalige Impfung mit dem adjuvantierten Herpes-zoster-Totimpfstoff im Abstand von mindestens 2 bis maximal 6 Monaten

Derzeit keine Wiederholung empfohlen

Covid-19

Basisimmunität aus drei Antigenkontakten (Impfung oder Infektion, aber mit mind. zwei Impfstoffdosen)

Auffrischimpfungen – i. d. R. im Abstand von ≥ 12 Monaten zum letzten Antigenkontakt, vorzugsweise im Herbst

Influenza-Impfung

Nach den Jahren der Pandemie ist erneut mit einer relevanten Grippewelle zu rechnen. Influenzainfektionen verlaufen im Alter oder bei Vorerkrankungen oft besonders schwer, weshalb etwa 90 % der influenzabedingten oder assoziierten Todesfälle die Gruppe 60 betreffen. Als Infektionsquelle sind die Kinder besonders zu erwähnen, die ebenfalls häufig erkranken und die Influenzaviren bis zu zehn Tagen ausscheiden. Deshalb empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) die Impfung gegen Influenza nicht nur für die Älteren und Pflegeheimbewohner, sondern auch für alle, die alte Menschen betreuen einschließlich pflegender Familienangehöriger [1].

Unberücksichtigt bleibt oft, dass auch die überstandene Influenzaerkrankung mit einem um das Zehnfache gesteigerten Risiko für Myokardinfarkte und einem um das Achtfache erhöhten Risiko für ischämische Hirninsulte einhergeht. Auch ist in den zehn Jahren nach einer Influenzaerkrankung das Risiko, an Morbus Parkinson zu erkranken, um 75 % erhöht [2]. Studien konnten jedoch zeigen, dass Patienten, die gegen Influenza geimpft wurden, ein 55 % geringeres Risiko hatten, an einem kardiovaskulären Ereignis zu sterben [3]. Auch scheint das Risiko für die Entwicklung einer Demenz bei Influenza-Geimpften geringer zu sein. So zeigte eine Studie den besten Schutz bei Menschen, die mindestens sechs Mal gegen Influenza geimpft waren [4].

Aufgrund der Immunseneszenz empfiehlt die STIKO für die Gruppe 60 die jährliche Impfung mit einem Hochdosisimpfstoff, der jeweils den vierfachen Antigengehalt (60 μg statt 15 μg) für die vier enthaltenen Virusstämme enthält. Der führte in Studien zu einer besseren Immunantwort und zu einem besseren Schutz vor Infektion und schweren Verläufen als die Standardimpfstoffe [5].

Pneumokokken-Impfung

Bei über 60-Jährigen stellen die nicht-bakteriämischen Pneumonien die häufigste Manifestation einer Pneumokokkenerkrankung dar. Bei den invasiven Infektionen machen bakteriämische Pneumokokkenpneumonien mit 70,2 % den Hauptanteil aus. Die Hauptkrankheitslast ist beim Erwachsenen die ambulant erworbene Pneumonie (CAP) mit Inzidenzraten von 2032 (alle CAP-Fälle) pro 100.000 Personenjahre. Bei Vorliegen von Komorbiditäten steigen die Inzidenzen noch weiter an. Auch hier zeigen die Älteren die weitaus schwereren Verläufe mit einer insgesamt doppelt so hohen Mortalität wie bei Jüngeren [6]. Ähnlich der Influenza ist auch die überlebte Pneumokokkenerkrankung der Älteren mit einer in den nächsten zehn Jahren weiterhin erhöhten Mortalität verbunden [7].

Die STIKO empfiehlt daher die Pneumokokkenimpfung für alle Personen im Alter von 60 als Standardimpfung mit dem 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff (PPSV23) [1]. Mittlerweile sind in Deutschland bereits drei Pneumokokken Konjugat-Impfstoffe zugelassen, die sich in der Anzahl der berücksichtigten Serotypen unterscheiden. Im Gegensatz zu PPSV23 induzieren die Konjugatimpfstoffe auch eine T-Zell abhängige Immunantwort. Klinische Studien haben gezeigt, dass die verabreichte PCV20-Einzeldosis eine gute Immunantwort gegen alle enthaltenen Pneumokokken Serotypen aufweist [8]. Verglichen mit PPSV23 konnten durch PCV20 die Inzidenz und die Mortalität beim Erwachsenen stärker gesenkt werden [9]. Die STIKO überarbeitet gerade die Impfempfehlungen hinsichtlich des Einsatzes der neuen Konjugatimpfstoffe bei Erwachsenen.

Weiterhin gibt es neueren Studien zufolge Hinweise auf eine Interaktion zwischen Streptococcus pneumoniae und dem SARS-CoV-2-Virus im Respirationstrakt. Bei den über 65-Jährigen, die mit PCV13 im Vorfeld geimpft waren, zeigten sich eine um 35 % niedrigere Inzidenz der Covid-19-Erkrankung, eine 32 % niedrigere Inzidenz der Hospitalisierung aufgrund von Covid-19 und eine 32 % niedrigere Inzidenz eines Covid-19-bedingten Todes [10].

Covid-19-Impfung

Gegen SARS-CoV-2 wurden in kurzer Zeit Impfungen entwickelt, die auf unterschiedlichen Impfstofftechnologien beruhen. Dazu zählen mRNA-, Vektor-, Totvirus- oder proteinbasierte Vakzine. Neu ist, dass die STIKO die Covid-19-Impfung jetzt in die allgemeinen Impfempfehlungen aufgenommen hat [11]. Es sollen ab jetzt Erwachsene ab 18 Jahren eine Basisimmunität aus drei Antigenkontakten erhalten. Dazu zählen sowohl Impfung als auch Infektion. Für die Basisimmunität sind aber mindestens zwei Impfstoffdosen gefordert. Für Menschen mit einem hohen Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf sind zusätzlich Auffrischimpfungen empfohlen. Diese sollen nach mindestens zwölf Monaten zum letzten Antigenkontakt, vorzugsweise im Herbst, durchgeführt werden. Nach durchgemachter Infektion soll der Abstand zur nächsten Auffrischimpfung sechs Monate betragen. Tab. 2 zeigt die Liste der Personen mit erhöhtem Risiko für schwere Covid-19-Verläufe [11].

Tab. 2: Personen mit erhöhtem Risiko für schwere Covid-19-Verläufe (mod. nach [11])

  • Personen im Alter ≥ 60 Jahre
  • Personen ab dem Alter von sechs Monaten mit relevanten Grundkrankheiten
  • Bewohnerinnen und Bewohner in Einrichtungen wie der Seniorenpflege u. a.
  • Pflegepersonen mit einem erhöhten arbeitsbedingten Infektionsrisiko ( medizinisches oder pflegerisches Personal)
  • Familienangehörige und enge Kontaktpersonen von Personen unter immunsuppressiver Therapie, die durch eine Covid-19-Impfung selbst nicht sicher geschützt werden können

Gesunden Erwachsenen unter 60 Jahren sowie Schwangeren wird hingegen derzeit keine weitere Auffrischimpfung empfohlen [11]. Auch das Vorliegen bestimmter Grundkrankheiten ist mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf verbunden (siehe Tab. 3).

Tab. 3: Liste der Grunderkrankungen, die laut STIKO mit einem erhöhten Risiko für schwere Verläufe einer Covid-19 Erkrankung verbunden sind (mod. nach [11])

  • Chronische Erkrankungen der Atmungsorgane
  • Chronische Herz-Kreislauf-, Leber- und Nieren Erkrankungen
  • Diabetes mellitus und andere Stoffwechsel Erkrankungen
  • Adipositas
  • Erkrankungen des zentralen Nervensystems
  • Demenz oder geistige Behinderung, psychiatrische Erkrankungen oder zerebrovaskuläre Erkrankungen, Trisomie 21
  • Angeborene oder erworbene Immundefizienz (z. B. Human Immunodeficiency Virus-(HIV-)Infektion, chronisch-entzündliche Erkrankungen unter relevanter immunsupprimierender Therapie, Zustand nach Organtransplantation)
  • Aktive neoplastische Krankheiten

Für die kommende Grippesaison ist wichtig, dass Covid-19-Impfstoffe zusammen mit einer Influenza-Impfung verabreicht werden können. Die mRNA-Impfstoffe und andere Totimpfstoffe können am selben Termin verabreicht werden. Zu Nuvaxovid soll ein Abstand von 14 Tagen eingehalten werden.

Neben lokaler Hautreizung, Schwellung und Rötung an der Impfeinstichstelle sind weitere Nebenwirkungen beschrieben worden abhängig vom eingesetzten Impfstoff. Eine Übersicht dazu ist auf der Homepage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu finden. Die Wirkung der Covid-19-Impfung unabhängig vom Impfstoff ist aber deutlich den möglichen Nebenwirkungen überlegen, so dass den Impfempfehlungen der STIKO gefolgt werden sollte.

Pertussis-Impfung

Pertussis (Keuchhusten) kommt ganzjährig, aber hauptsächlich in der kalten Jahreszeit vor. Auch hier zeigen Senioren vermehrt komplizierte Verläufe, die durch eine Impfung verhindert werden können [12]. Seit Einführung der bundesweiten Keuchhusten Meldepflicht im Jahr 2013 wurden dem RKI nach eigenen Angaben bundesweit jährlich zwischen 11 und 20 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner gemeldet. Die Maßnahmen im Rahmen der Pandemie führten zunächst zu einem deutlichen Rückgang der Infektionen. Die Zahlen für das laufende Jahr 2023 weisen aber ähnlich den anderen Atemwegsinfektionen auf einen Wiederanstieg hin. Da mittlerweile 60 % aller Erkrankungen bei Erwachsenen auftreten, sollen alle Erwachsenen einmalig gegen Pertussis geimpft werden, indem bei der nächstfälligen Tetanus-/Diphtherie-(Td)-Impfung die Tdap-Kombinationsimpfung verabreicht wird.

Eine Indikationsempfehlung besteht für Personen, die Umgang mit einem Neugeborenen erwarten oder im Gesundheitsdienst sowie in Gemeinschaftseinrichtungen arbeiten [1, 13]. Es besteht leider nach wie vor eine unzureichende Umsetzung dieser Empfehlung bei Erwachsenen.

Ausblick: RSV-Impfung

Die Infektion mit dem Respiratory Syncytius Virus (RSV) führt zu keiner bleibenden Immunität, so dass Reinfektionen lebenslang auftreten. Durch die Infektanfälligkeit leiden neben den Kindern auch alte Menschen häufig an RSV-Infektionen, die zudem oft schwer und teils mit tödlichen Komplikationen verlaufen [14]. Ältere müssen häufiger invasiv beatmet werden und versterben häufiger in Folge der Infektion als bei einer Infektion mit dem Influenzavirus. Multimorbide alte Menschen haben ein noch höheres Komplikationsrisiko [13]. Die Relevanz insbesondere auch für Ältere ist somit nicht zu leugnen.

Derzeit stehen mehrere Impfstoffkandidaten zur Verfügung, die nach den bisherigen Studienergebnissen gut wirksam und verträglich sind. In Europa war bisher nur ein RSV-Impfstoff zugelassen, der ein rekombinantes Antigen in Kombination mit dem Adjuvans AS01 enthält. Das wird bereits im Herpes zoster Totimpfstoff eingesetzt. Die berichteten Schutzraten liegen bei 82,6 % vor RSV-bedingten Erkrankungen der unteren Atemwege und bei 94,1 % vor schweren Verläufen [15]. Die Wirksamkeit bestand auch bei Menschen im Alter von 70 sowie bei Probanden mit Begleiterkrankungen [15]. Aktuell wurde noch ein zweiter Impfstoff zugelassen. Bisher gibt es noch keine Stellungnahme der STIKO zur RSV Impfung.

Fazit für die Praxis

  • Eine Influenzainfektion erhöht das Risiko für Myokardinfarkte, ischämische Hirninsulte und Morbus Parkinson.
  • Regelmäßige Influenzaimpfungen reduzieren nicht nur das Risiko für eine Influenzaerkrankung und schwere Verläufe, sondern auch das kardiovaskuläre Risiko und vermutlich sogar das Demenzrisiko.
  • Die Impfung gegen Pneumokokken reduziert die Morbidität und Mortalität auch bei Älteren deutlich.
  • Die Bewertung der neuen Pneumokokken- und RSV-Impfstoffe durch die STIKO bleibt abzuwarten.
  • Neu ist die Covid-19-Impfempfehlung, die für Ältere zusätzlich zur Basisimmunität Auffrischimpfungen im Abstand von ≥ 12 Monaten zum letzten Antigenkontakt, vorzugsweise im Herbst, umfasst.
  • Die aktuellen STIKO Empfehlungen sind unbedingt auch für Ältere umzusetzen.

Dr. med. Anja Kwetkat, Chefärztin Medizinische Klinik IV, Sprecherin der AG Impfen der DGG e. V.

Medizinische Klinik IV, Klinik für Geriatrie und Palliativmedizin, Klinikum Osnabrück, Am Finkenhügel 1,  49076 Osnabrück, E-Mail: anja.kwetkat@klinikum-os.de